Der Porsche 912 wurde früher oft belächelt – sieht aus wie ein Elfer, hat aber zu wenig Leistung. Und überhaupt nur vier Zylinder. Doch Freunde der Ideallinie, des Gebirgspasses und der engen Handlingstrecke zogen den 912 seinem stärkeren und berühmteren Bruder von Beginn an vor: Der Vierzylinder wiegt nur 136 Kilo, auch der Trockensumpf-Öltank fiel weg, macht 54 Kilo weniger Gewicht im Heck. Doch im Vergleich mit der agilen Alpine A110 stellt sich heraus: Der Porsche ist ein Coupé, das auch im Motorsport eingesetzt wurde; die Alpine jedoch ein Rennwagen, der auch mit Straßenzulassung zu haben war.
Das wird klar, wenn man die Hintergründe kennt: Alpine-Erfinder Jean Rédélé ließ seine Mitarbeiter montags bis donnerstags Serienautos bauen, freitags und an den Wochenenden arbeiteten sie an den Rennwagen. Der Renault-Händler profitierte vom französischen Technikspender und vom Konstrukteur Amédée Gordini. Wie schlagen sich beide Klassiker heute auf der Rennstrecke?

Die Alpine A110 tanzt mit Leichtigkeit durch die Pylonen

ALPINE A110
Der Reihenvierzylinder hat in diesem Fall 1,3 Liter Hubraum und ab Werk zarte 69 PS – bei 760 Kilo ein Leistungsgewicht von elf Kilo pro PS.
Bild: Christoph Börries / AUTO BILD
Der Fahrer schlüpft unters flache Dach der Alpine, die Füße ganz rechts zwischen Radkasten und Mitteltunnel eingefädelt. Man sitzt seltsam schräg, eine Handbreit überm Asphalt, vor sich ein kleines, griffiges Lenkrad. Zündschlüssel drehen, ab dafür. Durch den Slalom: Jawoll, dafür ist sie gemacht, sie zischt mit unglaublicher Leichtigkeit und Präzision durch die Pylonen, neigt sich in den Schlangenlinien weniger als manch anderes Auto auf der Geraden. Schneller, schneller! Die Alpine schiebt mit ihrem wassergekühlten Heckmotor nach außen, kündigt ihr Übersteuern an – kurz, aber auf trockener Bahn lang genug, um rechtzeitig ein bisschen vom Gas zu gehen. Direkte Lenkung, kleines Lenkrad, wenig Gewicht, niedriger Schwerpunkt, straffe Federn: Klar, für solche Übungen wurde sie konstruiert. Auch im Elchtest wischt die Alpine erst bei deutlich höherem Tempo weg als der Porsche.

Der Porsche 912 kommt schnell an seine Grenzen

PORSCHE 912     ALPINE A110
Den 912 streckte Porsche im Radstand um 57 Millimeter. Die A110 individualisierte der Besitzer mit Rädern, Spiegeln und Endrohr.
Bild: Christoph Börries / AUTO BILD
Nach der Alpine fühlt der Porsche sich an wie eine Limousine. Wir prasseln in den Slalom, lustvoll legt das schwere Blech sich in die Wechselkurven, wiegt sich hin und her, noch folgt der Porsche brav dem Dreh am großen Lenkrad. Schneller! Ah, nun drängt das Heck nach außen, mit feinem Gasfuß gut kontrollierbar, ein paar Millimeter Pedalweg machen den Unterschied zwischen Carven und Abfliegen. Jetzt in den Elchtest. Schon bei etwas über Tempo 60 kommt der Porsche an seine Grenzen, 70 ist ohne Dreher kaum zu schaffen. Bei unserem Fotowagen liegen nur 55 Prozent des Gewichts auf der Hinterachse. Damit drischt ein 912 berechenbarer und im Zweifel sogar schneller durch enge Kurven als ein früher Elfer. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass der Unterschied zum Elfer am deutlichsten in Zwölfern des ersten Baujahrs spürbar ist. 1965 kam der 912, der 911 bekam vorn zwei gusseiserne Gewichte à elf Kilo, um sein Übersteuern ein bisschen zu bändigen; vor allem aber verlängerte Porsche im Sommer 1968 die Hinterradschwingen und den Radstand beider Modelle um 57 Millimeter, was den Elfer so beruhigte, dass der Ballast vorn wieder eingespart werden konnte.

Gut restaurierte Porsche 912 und Alpine A110 sind selten auf dem Markt

ALPINE A110
Fünf Instrumente in der Alpine, hier mit Öldruck und Stromstärke. Tachos und Drehzahlmesser sind sehr teuer.
Bild: Christoph Börries / AUTO BILD
Gut restaurierte 912 sind kaum verfügbar – denn schon wegen der Teile ist mit Restaurierungen immer noch kein Geld zu verdienen. Das Klischee von der US-Spachtelbehandlung stimmt leider viel zu oft. Selten und gesucht sind frühe Autos mit lackiertem Armaturenbrett, Zwölfer mit Schiebedach und Softwindow-Targas. Große Wertsprünge sind kaum noch zu erwarten. Laut Classic Data liegt ein Porsche 912 im Zustand 2 bei 50.500 Euro im Zustand 2 und bei 34.700 Euro im Zustand 3. Wie sieht es bei der Alpine aus? Die neue A110 aus dem Jahr 2017 hat das Interesse am Original beflügelt – auch die Preise. Etwas günstiger als die französischen Alpine: spanische FASA-Lizenzbauten. Zeitgenössisches Tuning war bisher das große Thema in der Szene, der größere Teil interessiert sich aber immer mehr für Originalität. Werksoriginale A110 sind selten auf dem Markt und meist in Sammlerhand. Classic Data notiert eine A110 im Zustand 2 mit 67.100 Euro und Exemplare im Zustand 3 mit 44.600 Euro.
Der 912 hat so schöne Dinge wie Kofferraum, Federung, Drehmoment unter 3000 Touren. Er lässt sich auch bummelig fahren, man kann bei niedrigen Drehzahlen und wohligem Käfer-Sound das Gas dosieren – wichtig auf Oldtimerrallyes vor der Lichtschranke. Fast ein Allzweckauto. Erwarten Sie all das nicht von der Alpine. Ihrem Erfinder Jean Rédélé ging es immer in erster Linie um Motorsport. Das Klischee vom technologisch fortschrittlichen Deutschen und vom komfortablen Franzosen jedenfalls stellen diese beiden Autos ziemlich auf den Kopf.