Mit dem Golf 2 "Fire and Ice" landete VW in den 90ern einen Überraschungserfolg. Heute ist es ein begehrtes Sondermodell. Doch sind klassische Sondermodelle allgemein die heute attraktiveren Autos? Hier diskutieren zwei Redakteure:

Henning Hinze: "Was früher attraktiv war, muss heute nichts Schlechtes sein"

Henning Hinze Porträt
Henning Hinze erliegt dem Reiz verkaufsfördernder Maßnahmen.
Bild: Sven Krieger / AUTO BILD
Als Kind der 80er bin ich mit dem Sondermodell-Wahnsinn aufgewachsen. Modeschöpfer, Bands, Farben, Tierarten, Fantasienamen – es gab fast nichts, was nicht irgendwann als Zusatzbezeichnung auf gut ausgestatteten Brot-und-Butter-Autos landete. Viele dieser Modelle sind heute vergessen, ohne dass es schade darum wäre; nicht alles aus der Vergangenheit erfordert ehrfürchtige Verbeugungen. Aber es gibt Ausnahmen. Nicht grundlos bevorzugen junge Golf-2-Fans die Fire-and-Ice-Modelle mit schwarzem Dachhimmel gegenüber einem handelsüblichen GL, so wie T2-Fahrer zu White, Blue oder Red Star greifen. Ob man dem Farbenrausch der 90er trauen könne, testete Mercedes am 1993 auslaufenden 190er mit den Modellen Avantgarde Rosso/Azzurro/Verde: Verkaufsförderung und Marktforschung in einem, da wird es fast schon automobilhistorisch interessant. Stimmt: Sondermodelle verkörpern nie die reine Ursprungsidee eines Autos, sondern deren Weiterentwicklung. Man könnte auch sagen: Verwässerung. Und sie entstehen fast nie aus einer Position der Stärke, sondern sind Ergebnis von Schwäche: Weil ein Modell am Ende seines Lebenszyklus angekommen ist, von Anfang an zu teuer geplant war, oder weil der ganze Hersteller in der Klemme steckt wie Porsche Anfang der 90er. Die Stuttgarter förderten den Absatz, indem sie den größten und teuersten Vierzylinder der Welt um ein paar Ausstattungsdetails erleichterten, den Preis radikal senkten und "Clubsport" draufschrieben. Besser war der 924/944/968 nie. Ob die heute teilweise saftigen Preisaufschläge für diese Sondermodelle gerechtfertigt sind, weiß ich nicht. Aber dass manche von ihnen etwas Besonderes sind – da bin ich mir sicher.

Axel Catton: "Billige Verkäufer-Tricks fand ich schon immer stillos"

Axel Cotton
Axel Catton mag schlichte Urmodelle.
Bild: Sven Krieger/AUTO BILD
Ausnahmen mag es geben, aber Sondermodelle waren in der Regel Marketinginstrumente. Sie sollten den Absatz ankurbeln, sonst nichts. Da steckte der Hersteller dann Extras für vorgeblich Tausende Euro rein, ohne den Verkaufspreis des Autos um die volle Summe zu erhöhen. Schlimmstenfalls gab es noch ein ins Blech gesägtes "herausnehmbares Panoramadach"– das kostete nicht viel und sorgte für andere Optik. Eine schlechtere meist. Damit auch jeder die "Besonderheit" erkannte, wurde das Ausstattungspaket zwangsverbunden mit fragwürdig gestalteten Aufkleberdesigns, die schon nach wenigen Jahren alt aussahen und an Sponsoren erinnerten, die den meisten Leuten schon von Anfang an nichts sagten. Manche Hersteller haben sich von dieser billigen Verkaufsförderung immer stilsicher ferngehalten, andere haben sich dagegen besonders dabei hervorgetan. In den späten 80ern gab es zum Beispiel bei VW eine Inflation von Sondermodellen. Praktisch im Halbjahresrhythmus kam der Golf 2 mit irgendeinem neuen Bonuspaket auf den Markt. In den 90ern setzte sich dann Peugeot an die Spitze der Bewegung, zum Beispiel mit dem 106 Sergio Tacchini. Weiß noch irgendjemand, wer das war? Der 205 Look war dagegen ein Auto, in dem noch weniger drinsteckte als sonst, und das für noch weniger Geld. Ganz klasse. Überhaupt gab es beim 205 am Ende so viele "Sondermodelle", dass die Urversion ohne irgendwelche Aufkleber heute das eigentlich Besondere ist. Ich fand diesen Verkäufertrick früher so billig wie heute. Der einzige Sammler-Effekt, den Sondermodelle bei mir auslösen, ist der, gezielt nach einem unvermurksten Urmodell zu suchen.

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Henning Hinze
Axel Catton