VW Derby (1981): Oldtimer, Fahrbericht
Dieser 40 Jahre alte VW Derby ist praktisch ein Neuwagen
Fahrbericht VW Derby (1981)
—
Mit dreistelligem Kilometerstand wird ein VW Derby in einer Garage vergessen. Heute fährt ein 40 Jahre alter Neuwagen heraus, mit 865 km auf dem Tacho. Nostalgie-Tour mit einem Mauerblümchen-Klassiker!
Stolz und voller Vorfreude öffnet Erwin Aschbacher sein Garagentor. Der Oldtimersammler hatte AUTO BILD KLASSIK per Mail von einem tollen Fund berichtet. Und weil seine Heimat, das idyllische Bergdorf Ahornach in den Dolomiten, auch ein fantastischer Ort ist, ließen wir uns nicht lange bitten und sind angerückt. Was mag sich hinter der Tür verstecken?
Erste Umrisse werden sichtbar, dann steht das volle Sonnenlicht des Herbstmorgens auf dem Heck eines VW Derby. So müssen sich damals die Kandidaten bei der Spielshow "Geh aufs Ganze" gefühlt haben, wenn hinter dem Tor nur der Zonk wartete. Ein Derby? Werden die schlimmsten Autos aller Zeiten aufgezählt, ist der Rucksack-Polo nie weit. Stand ein Jetta damals im Ruf, ein Spießerauto zu sein, war der Derby eines für die armen Spießer. Eine Mini-Limousine.

Sieht nicht nur aus wie neu: Mit gerade mal 865 Kilometern auf dem Tacho geht der VW Derby locker als Neuwagen durch.
Der Kilometerstand ist nicht mal vierstellig
Wir wollen nicht unhöflich sein, schleichen etwas unmotiviert um den kleinen Wolfsburger herum. Okay, der Zustand sieht ganz gut aus. Ziemlich gut sogar. Im Kofferraum hat wohl noch nie etwas gelegen, auf der roten Rückbank noch niemand gesessen. Der Tacho zeigt jungfräuliche 865 Kilometer. "Einmal rum?", frage ich Erwin. Der grinst und entgegnet nur: "Alles original." Nicht mal vierstellig. Fast ein Neuwagen und in einem Zustand, besser als nach jeder Restauration. Besser als "gut gepflegt" ist halt immer noch "nicht benutzt".

Fahrvergnügen in den Bergen: Der Erstbesitzer kaufte den Derby 1981, verstarb im Jahr darauf.
Zum Fahren kam der Erstbesitzer kaum
Die alten schwarzen Kennzeichen verraten, dass es eine italienische Erstauslieferung ist. Eine spannende Idee, im Mutterland des guten Designs einen Derby zu kaufen. Und vor allem: Wer kauft so eine Kiste, um sie einfach wegzustellen wie einen seltenen Ferrari? Erwin weiß, dass er Giuseppe hieß. Im Herbst 1981 kaufte er ihn, und im Jahr darauf starb er. Zum Fahren ist er bis dahin kaum gekommen. Seine Witwe bevorzugte ihren Fiat 850 und ließ den VW einfach in der Garage stehen.
Im Innenraum gibt es keine Gebrauchsspuren
Bis Erwin kam und ihn rettete. Der Opel- und Lotus-Fan aus dem Bergdorf Ahornach wurde sofort schwach, zeigt begeistert die unausgeblichenen roten Sitzbezüge, den nahezu neuen Motorraum und die vielen unverbrauchten Details. Beim Blick auf den knorpeligen, langen Schaltmast und die Kontrolllämpchenbatterie werden sofort Kindheitserinnerungen wach.

Tadellos: Die roten Polster sind weder abgewetzt noch ansatzweise ausgeblichen, auch der Innenraum ist noch taufrisch.
Erwin zieht den Choke und startet den 1,1-Liter mit 50 PS. Mit schnorchelndem Klang erwacht das Motörchen zum Leben, um sofort unverdrossen den Berg hinaufzuklettern. Mit den 700 Kilogramm Gewicht hat er keine Probleme.

Nach der kleinen Ausfahrt geht der VW-Oldie wieder zurück in die Garage – mit zehn Kilometern mehr auf der Uhr.
Auch in Zukunft wird der VW wenig fahren
Einmal mehr stellt man sich in diesem Klassiker die Frage, warum neue Autos bloß so groß, klobig und vor allem unübersichtlich sein müssen. Im Derby mit seinen tiefen Fenstern und schmalen Pfosten würde nie jemand nach einer Rückfahrkamera oder einem Parkassistenten fragen. Erwin hatte recht, so ein Auto muss erhalten werden. Auch wenn man natürlich nie viel damit fahren möchte. Das sieht auch Erwin so und macht nach 10 Kilometern das einzige Logische. Er parkt seinen kleinen VW mit Kilometerstand 875 wieder in der Garage. Es ist das Schicksal dieses Derby.
Service-Links