Sie planen ihre Tour jenseits von Fahrtenbuch und Stoppuhr: Wer bei der ADAC-Trentino Classic eine Prüfung verpasst, steht deshalb noch lange nicht auf dem Schlauch. Hier geht es um gemütliches Autowandern, bergauf bis 2650 Meter über Normalnull auch schon mal im Kriechgang, Blumenpflücken erlaubt. Die vollkommen entschleunigte Autorallye führte jüngst 102 Fahrzeuge aller Leistungsklassen vom 2. bis 6. September 2012 kreuz und quer durch die Dolomiten auf perfekt ausgeschilderter Tour.

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ADAC Trentino Classic 2012
Souveränität braucht keine Hochgeschwindigkeits-Rallye, um zu wirken: Mercedes Benz 290 Roadster (Bj.1935).
Das kulinarische Angebot entsprach der Exklusivität des Teilnehmerfelds: Die Fahrer von Bentley, Bugatti, Cord, Porsche, Rolls Royce, Ferrari, Jaguar und Daimler-Benz planten ihre Tour zumeist nach Tankstellenlage mit hoffentlich 98-oktanigem Angebot. Glatte zwei Euro der Liter, einschließlich Bedienung; mit dem Fünf-Euro-Gefummel am norditalienischen Tank-Automaten hielt sich hier keiner auf. Die Speisenkarte am Abend entsprach dem Ort: Castello Superior, der Vino war fast immer Grand Riserva, das frische Brot tupft gern die Trüffel-Sauce. Wer hier nicht zunimmt, hat die Höhenlagen rund um den Gardasee vermutlich zu Fuß erwandert.

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ADAC Trentino Classic 2012
Mit 23 PS tut sich eine Opel 1,2 Liter Cabrio-Limousine auch auf der entschleunigten Trentino Classic etwas schwer.
Dennoch: Auch der Trentino-Adel mit Poldi von Bayern, ADAC-Präsident Peter Meyer, Autostadt-Geschäftsführer Otto-Ferdinand Wachs und Dekra-Ehrenpräsident Gerhard Zeidler kämpfte mit den Tücken der automobilen Genusstour. Dampfblasenbildung, Bremsen-Fading und streikende Elektrik sind die Hauptübel der guten, alten Zeit, die spätestens am Abend mit moderner Kommunikationstechnik wieder ins Laufen gebracht wurde. Mercedes entsandte einen Sprinter samt klassischem Mechaniker von Stuttgart ins Trentino. Am Morgen danach blies der 300 SL Roadster mit neuer Lichtmaschine wieder an allen vorbei. Wenn nur die Alfa nicht so gern streiken und die Jaguar besser bremsen würden! Ein G 420 wählte den Notstop an einer Jahrhunderte alten Steinmauer. Und ein 1956er Porsche drehte Pirouetten auf der Öllache, die die nicht optimal gewartete Antik-Technik eines Kollegen zuvor hinterlassen hatte.

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ADAC Trentino Classic 2012
Tanke schön: Corvette und unser VW Bus T2 "Silberfisch".
Doch es blieb bei sachten Kaltverformungen, selbst auf dem so genannten Kaiserjägerweg, der so schmal ist, dass ein VW-Bulli kaum hindurch passt. Unser "Silberfisch" von 1976 hat Spiegel zum Einklappen, ist Dekra-geprüft, der Laderaum war gefüllt mit roten Schumi-Kappen, nach fünf Tagen waren die Häupter der Kinder zwischen Levico Terme und Riva del Garda rot. Ansonsten wurde geklotzt, aber nie gekleckert: Die Tropfmatte unterm Motor beim Parken zu vergessen, bedeutete Höchststrafe, also kräftig Abzugspunkte. Am Ende gab es für ziemlich jeden einen Pokal, auch Peter und Liesel Trier aus Schwetzingen hielten im Kadett A von 1964 die ADAC-Fahne hoch.
ADAC Trentino Classic 2012
Doch, auch die Deutschen konnten mal traumhaft elegante Coupés bauen. Beweis: das Borgward Isabella Coupé von 1958.
Andreas und Maria Bauer aus Altdorf, unterwegs in ihrem perfekt restaurierten Borgward Isabella Coupé, haderten höchstens über die Gangwahl während extremer Serpentinentouren: Der zweite dreht zu hoch, der dritte ist zu schlapp, und auch unser Bus mit dem 70-PS-Boxer im Heck patschte mit reichlich Fehlzündungen bergab im Schiebebetrieb. Am Ende aber hielten alle durch, sogar bis zur köstlichen Lasagne um 22 Uhr. Der weite Blick in illuminierte Trentino-Täler, die nahezu sichere Sonnengarantie, der Grand Riserva und der so herrlich autobegeisterte Italiener an sich, das waren die Zutaten fürs Autowandern mit nur einem Ziel: Genuss.

Von

Karl-August Almstadt