Auto Union 1000
Sieht aus wie ein DKW 3=6, ist es auch fast: Der Auto Union 1000 ist die letzte Inkarnation des Wirtschaftswunder-DKW.
Bild: A. Perkovic
"Ist der schön!" Oha. Wenn die Zwillinge spontan im Chor sprechen, dann sind sie tief bewegt. Normalerweise freut sich Axel, wenn seine Kinder begeistert sind – aber diesmal ist er bestürzt über das Objekt ihrer Freude. Ein Auto Union? Sein teuflisch-gewitzter Plan schlägt gar furchtbar gegen ihn selbst zurück. Die Kinder auf die Techno-Classica mitzunehmen, das ist gewagt für Neunjährige, aber Axel hat die Sache mit viel Mühe vorbereitet, mit den Blagen abendelang Auto-Bilderbücher durchgeblättert, die schönsten Oldtimer-Videos auf YouTube geguckt, Kumpel Micha um eine Ausfahrt mit den Kindern in seinem Alfa Romeo Giulietta gebeten. Was tut man nicht alles, um der lieben Ehefrau die Zustimmung zu einem Oldtimer abzuringen. Wenn’s die Kinder wollen, kann Mama nicht länger mauern – so der Plan.

Auto Union 1000 SP Roadster: Die schöne Auto-Union

Auto Union 1000
Ein kaltes Herz hat, wer dies nicht freundlich findet. Der Auto Union 1000 ist kein zeitloses Auto, aber ein wundervoll harmonisches.
Bild: A. Perkovic
Er hat die Kleinen ihren eigenen Weg durch die Messe finden lassen, zuerst die BMW-Halle, dann VW, später die Markenclubs, vielleicht da und dort nur so ein bisschen gesteuert in Richtung Familiensportler: BMW 02er vielleicht? Gefällt euch der? Sieht aus wie ’ne Luftmatratze, aha... vielleicht hier der Ur-Quattro? So eckig, okay. Hier schaut mal, Alfetta GT, das schönste Auto der 70er! Guckt zu finster ...verstehe. Dann entdeckt Gustav einen Wartburg 311 und bekommt große Augen – Axel muss blitzartig eine Riesenportion Pommes ausloben, bevor auch Antonia das Auto bemerkt und ein Unglück passiert. Während die Zwillinge also mampfen, denkt Axel nach. Was war das eben? Auweia, den beiden gefällt womöglich genau das Falsche. Was jetzt?
Auto Union 1000
Der Auto Union 1000 wurde von 1958 bis 1963 gebaut. Es gab ihn als Limousine, Coupé, Kombi, Sportcoupé und Roadster.
Bild: A. Perkovic
Letzte Hoffnung: der Privatmarkt auf dem Innenhof! Von wegen. Mustang, Ford Capri, 6er-BMW – alles fad. Aber an einem DKW 3=6, nein, Moment: einem Auto Union 1000 S bleiben die zwei Nervensägen hängen und loben ihn im Chor. Es darf nicht wahr sein! 44 PS? Dreizylinder-Zweitakt? Und der Pommes-Joker ist schon weg! Was tun, um Himmels willen? Bevor Axel eingreifen kann, hat Gustav den Schriftzug auf der Haube entdeckt. "Auto Union? Was soll das denn für ’n Name sein?" Schwupps ist das iPhone draußen, und Gustav versenkt sich. Axel stöhnt – o nein, jetzt googelt der die Karre. Es war ein Fehler, den beiden ein altes Smartphone zu schenken. Antonia hopst derweil um das Auto herum und entdeckt voll Verzückung immer neue Details: "Guck mal, Papa, die lustigen Rücklichter. Oh, und wie schön der Kofferraum. Guck mal, von der Seite sieht es aus wie ein Kaninchen, das sein Futter will, süüüß ..."

Deutsche Automobilhistorie: Die Geschichte der Auto Union

Auto Union 1000
Etwa eine halbe Million Exemplare verkauften sich in Ost und West. Völlig zu Recht, finden wir.
Bild: A. Perkovic
Axel knirscht mit den Zähnen. Jetzt reicht's, er wird sich nicht von seinen Blagen auf der Nase rumtanzen lassen. Eben will er sie packen und Richtung Ausgang zerren, da schreit Gustav: "Papa, Auto Union war mal eine Super-Marke! Mit Silberpfeilen! Und die Karosserie ist patentiert!" – "Das stimmt", sagt ein Herr, der ebenfalls das Auto betrachtet, "so was Schönes muss man sich doch patentieren lassen. Oder?" - "Jaaaa!", tönt es im Chor. Axel hat plötzlich Kopfschmerzen. Der Mann gießt Öl ins Feuer der Zwillings-Begeisterung, während er ihnen mit sanft sächsischem Akzent die Historie des Autos erzählt: Wie es als DKW F9 entwickelt wurde, wie es eigentlich 1940 in Produktion gehen sollte, aber nicht ging wegen des Krieges, wie es zehn Jahre später in Ost- und Westdeutschland dann doch gebaut wurde, wie sich die Hersteller über die Rechte an der Karosserie stritten, wie die Leute es lange schön fanden und immer wieder kauften.

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Auto Union 1000
Die dreiteilige Heckscheibe des Auto Union 1000 kam schon 1953 beim Vorläufermodell, dem DKW F91.
Bild: A. Perkovic
Das können die Zwillinge voll und ganz verstehen. Der Mann schüttelt Axel die Hand, stellt sich als Bernd aus Chemnitz vor, wo dieses Auto ja ursprünglich herkommt, und fragt, ob Axel keine Freude dran habe. Axel weiß, dass er verloren hat. Er stottert was von doch, doch, ääh, schickes Auto, hab’ mich irgendwie nie damit beschäftigt ... "Der Zweitaktmotor, daran liegt’s, oder?" Bernd legt den Finger in die Wunde. "Wir waren ja gefesselt an den Zweitakter, aber wissen Sie, wenn man sich so lange damit auseinandersetzt, dann lernt man auch die Vorzüge kennen. Läuft seidenweich, besonders der Dreizylinder hier, zieht auch gut, und mit dem modernen Öl stinkt nichts, und gibt es keine blaue Fahne. Überhaupt ist er toll, besonders der F93 hier, zehn Zentimeter breiter als der Ur-F9, 50 PS, gute Teileversorgung, starke Clubs, und wissen Sie, ein ordentliches Auto wie diesen Auto Union 1000, Zustand drei, kriegen Sie als Limousine für sechstausend Euro. Völlig unterbewertet, finde ich." Antonia steht vor Axel, die Augen leuchten. "Kaufen wir den, Papa?" Bernd lacht, wuschelt der Kleinen die Haare, beglückwünscht Axel, er habe seinen Kindern guten Geschmack mitgegeben, und empfiehlt sich. Gustav quiekt über seinem iPhone: "Das ist ein Coupé des Luxus, Papa! Keine B-Säule. Voll toll, oder?" Axel seufzt. "Ja", sagt er, "schönes Auto. Unterbewertet. Ich brauch’ ein Aspirin."

Technische Daten

Auto Union 1000 Coupé de Luxe: Motor: Dreizylinder-Zweitaktmotor mit Umkehrspülung, Thermosyphon-Wasserkühlung • ein Solex-Fallstromvergaser 40CIB • Bohrung x Hub 74 x 76 mm • Hubraum 981 cm³ • Verdichtung 7,25:1 • 32 kW (44 PS) bei 4500/min • max. Drehmoment 83 Nm bei 2250/min • Antrieb/Fahrwerk: Einscheiben-Trockenkupplung (optional Kupplungsautomat Saxomat) • Vierganggetriebe mit Freilauf • Vorderradantrieb •Kastenprofilrahmen mit separater Karosserie • vorn Einzelradaufhängung an Dreieckslenkern und einer Querblattfeder; hinten Rohrstarrachse an querliegender Blattfeder („DKW-Schwebeachse“) • Trommelbremsen • Reifen 5.60-15 • Maße: Radstand 2350 mm • L/B/H 4225/1695/1465 mm • Leergewicht 925 kg • Fahrleistungen/Verbrauch: Spitze 125 km/h, 0–100 km/h: 25 s • Verbrauch 8,6 l Gemisch 1:40/100 km • Neupreis (1958): 7125 Mark.

Historie

Der DKW F9 ist die letzte Vorkriegs-Entwicklungsstufe der erfolgreichen DKW-Fronttriebler aus Zwickau. Die Auto Union wollte den F9 als starkes Angebot gegen den Volkswagen positionieren – und in vielerlei Hinsicht war der DKW das bessere Auto. Er bekam für diese Aufgabe einen Dreizylindermotor, natürlich als Zweitakter, bei dieser Technologie war DKW Weltspitze. Serienstart war für 1940 geplant. Das verzögerte sich bis 1950, dann gab es ihn als IFA F9 aus Zwickau (später Eise nach) und DKW Meisterklasse aus Düsseldorf, dieser musste sich zunächst mit einem Zweizylinder begnügen. 1953 kam die DKW Sonderklasse mit Dreizylinder, 1955 wuchs die Karosserie um zehn Zentimeter in die Breite und erhielt den wunderbaren Namen Großer DKW 3=6. 1958 kam der Auto Union 1000 als letzte Ausbaustufe des F9, mit Einlitermotor und zuletzt 50 PS. Die Stückzahlen waren während der 50er recht ordentlich, reichten aber nie auch nur annähernd in die Volkswagen-Liga. Der DKW überlebte seinen IFA-Cousin um sieben Jahre, die letzten Exemplare verließen 1963 das Düsseldorfer Werk – dann ging die Auto Union zu Volkswagen.

Plus/Minus

Zumindest in einer Hinsicht gewann der DKW das Duell gegen seinen Erzkonkurrenten VW Käfer: Seine wundervolle, dezent üppige Karosserie, die so unschuldig-kokett ihr Röckchen schwingen lassen kann, verkörpert wie keine andere das gleichzeitige Vorwärts-und-zurück-Streben der Adenauer-Republik. Das Wörtchen "barock" umschwebt diesen DKW, was aber höchstens bei den späteren Baujahren stimmt, die allerlei modischen Zierrat bekamen und an Länge und Breite zulegten. Vorbehalte gegen den Zweitaktmotor sind so unausrottbar wie unbegründet. Das separate Fahrgestell macht das Auto zu einem dankbaren Restaurierungsobjekt, wobei die komplexen Wölbungen der Karosserie fortgeschrittene Blechner-Fertigkeiten verlangen. Eine sehr rührige Clubszene sorgt heute schon dafür, dass der Große DKW noch die nächsten 70 Jahre weiterleben
kann.

Ersatzteile

DKW-Fahrer nennen stolz die berühmten sieben bewegten Teile im Motor: Wo nichts ist, kann nichts kaputtgehen. Für die Verschleißteile gibt es problemlos Ersatz, Kolben werden nachgefertigt, Kurbelwellen regeneriert, Motorblöcke zum Aufarbeiten sind reichlich vorhanden. Sogar Blechteile sind erhältlich, und der einst gefürchtete Saxomat ist auch kein Hindernis mehr. Wie immer sind die Markenclubs die besten Quellen für Teile und Informationen, die Clubzeitung des Auto-Union-Veteranen-Clubs zum Beispiel hat in jeder Ausgabe viele Inserate.

Marktlage

Ordentlich. Viele Autos haben in gutem Originalzustand überlebt, andere wurden aufwendig restauriert. Wer ernsthaft sucht, knüpft am besten bei den DKW-Clubs Kontakte. Empfehlung: das jährliche internationale Treffen des Auto-Union-Veteranen-Clubs – dort versammeln sich um die 300 Autos, einige sind immer zu verkaufen. Einen Auto Union 1000 im Zustand 3 bekommt man für rund 8600 Euro.

Empfehlung

DKW F91 Sonderklasse, am besten aus der ersten Serie bis Sommer 1954 – dieser DKW ist den Chemnitzer Prototypen am nächsten. Die Alternative: ein IFA F9, frühe Baujahre wurden sogar im Zwickauer Audi-Werk gebaut, wie ursprünglich vorgesehen. Möglicherweise muss man Modifikationen aus dem DDR-Alltag rückgängig machen. Für Fans des Üppigen: Auto Union 1000 S als viertürige Limousine. Der hat wirklich alles – ist aber sehr selten.

Von

Till Schauen