Mitte der 60er-Jahre kam eine Zeitenwende, bei der die Sachlichkeit immer ein Augenzwinkern zum Beifahrer hatte. Am besten zeigt das der Opel Rekord C: durchdachter als der Vorgänger, aber mit keckem Hüftschwung. Pontiac und kurz darauf Alfa Romeo hobelten die Niedlichkeit von Tempest und Giulia Spider ab und brachten radikale, soundstarke Autos für junge Rebellen. Skoda rebellierte mit einem Coupé gegen sozialis­tische Gleichmacherei. Und Lamborghini zeigte mit dem 400 GT 2+2 dem alten Enzo Ferrari, wo der nächs­te Hammer hing. Was für eine Zeit, alles kam neu!

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Wirtschaftswunder
Fiat Abarth 1000 TC
Abarth Simca 2000
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Das sind die Autos der 60er-Jahre

Alfa Spider ohne Schwulst

Klassiker von 1966
Alfa Romeo Spider "Duetto": Pure Eleganz - dieses Auto hat Pininfarina offen gezeichnet.
Der Alfa Spider galt schon immer als Auto für Ästheten. Menschen ohne Lust am Schönen saßen und sitzen nicht darin. Der Rundheck-Duetto ist Sportler und Ro­mantiker in einem, ein Auto mit Seele. Battista Pininfarina, der kurz nach der Präsentation starb, und Alfa haben es perfekt austariert. Sie packten den fantastischen, 109 PS star­ken 1600er-Vierzylinder mit seinen zwei oben liegenden Nockenwellen in ein neues Fahrzeug­format, das exakt zwischen sei­ner Vorgängerin Giulia und dem gro­ßen Spider 2000 von Touring lag. Auf der Straße über­zeugt das Ergebnis bis heu­te: Der Duetto ist handlich, lässt sich souverän und sicher, aber doch spielerisch durch Kurven trei­ben. Dabei hilft sein kurzer Radstand: 2,25 Me­ter – kaum mehr, als ein Fiat 600 be­saß. Dass die Räder hinten noch an einer (wenn auch aufwendig verfei­nerten) Starrachse hängen, steht dem Talent zum Kurvenkratzen nicht im Weg. Und schnell ist der Spider auch. Schlanke 990 Kilo wiegt ein Duetto ja nur. Damit hat der drehzahlgierige, leistungsbereite Motor leichtes Spiel. Wer Vollgas gibt, hat die 200-km/h-Marke bereits vor Augen. Noch heute beeindruckt, wie stimmig Alfa Romeo damals das famose Technikpaket in Arese zusammengezaubert hat. Sich über fünf Jahrzehnte Frische zu bewahren, ohne dabei berufsjugendlich zu wirken, ist nicht leicht. Doch der Duetto schafft es.

Deutsche Lässigkeit: Opel Rekord C

Klassiker von 1966
Opel Rekord C: Beim Hüftschwung haben sich die  Designer von US-Modellen inspirie­ren lassen.
Dem ebenfalls 1966 präsentierten Rekord C hat Opel einen Schlenker in die Seitenlinie gebügelt. Auch das ist eine gute Show; das Mittelklassemodell wirkt damit viel moderner und lässiger als sein Vorgänger. Mit ihrem Coke-Bottle-Design lassen Li­mousine, Caravan und besonders das elegante Coupé die Konkurrenz von VW und Ford, aber auch von Audi, BMW und Mercedes alt aussehen. Neu kam der CIH-Vierzylindermo­tor, der sich sportlicher anhört, als der ganze Rekord tatsächlich ist. Mit ge­drosseltem 1,5-Liter-Basismotor und 58 PS bringt er es gerade mal auf 133 km/h. Wer flott vorankommen will, muss mindestens die 75-PS-Variante 1700S wählen oder gleich den 1900er mit 90 PS, der 160 km/h Spitze schafft. Damit Rekord-Fahrer das mehr oder weniger große Temperament ihres Autos unter Kontrolle behalten, baute Opel ein Zweikreis­bremssystem ein; dazu Bremsscheiben vorne, mehr Spur vorne und hinten und eine neue, sogenannte Fünflenker-Hinterachse. So sind Deutschlands Autofahrer damals bereit, sich in den neuen Rekord zu verlieben:  1,3 Millionen Rekord C baut Opel bis 1972, erfolgreicher wird die Baureihe danach nie mehr sein. Dank Hüftschwung und den Qualitäten als komfortbetonter Reisewagen bleibt der Opel Rekord C unvergessen.

Rock'n'Roll auf Rädern: Pontiac GTO

Klassiker von 1966
Pontiac GTO: Das Design trifft ins Herz der Kunden. Nie wieder verkauft sich der GTO so gut wie 1966.
Der Pontiac GTO ist ein Meisterstück vom schillernden Car Guy John Z. DeLorean, der später mit dem DMC-12 spektakulär Schiffbruch erlitt. In den 60ern machte der GTO den Einwanderersohn zum Superstar der US-Au­tobranche. Dabei ist die Muscle-Car-Idee, den größten greifbaren Motor in das kleinste verfügbare Auto zu pa­cken und das Ganze zum Kampfpreis anzubieten, so herrlich simpel. Der Pontiac-Chefingenieur pflanzt einen fetten 6,4-Li­ter-V8 in den Rumpf des Mittelklasse-Modells Tempest. Das Kürzel klaut sich Pontiac frech bei Ferrari: GTO heißt Gran Tourismo Omologato. So unterstreichen die Amis den sportlichen Anspruch ihres Muskelautos. Für das Modelljahr ’66 erhält das Intermediate Muscle Car schließlich ein komplettes Re­design. Der Karosseriekörper im "Wide Track"-Look mit übereinander platzierten Doppelscheinwerfern bekommt einen läs­sigen Coke-Bottle-Hüftschwung und eine weit nach innen gezogene Heckscheibe. Obwohl Dodge im selben Jahr den Charger auf den Markt bringt, steigt der Absatz um 100 Prozent. 97.000-mal – nie wieder verkauft sich Pontiacs Muscle Car so gut wie 1966. Sein Mythos ist heute genauso intakt wie der seines geistigen Vaters, John Z. DeLorean.

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Zurück in die Zukunft - Teil 2
DeLorean DMC-12 – Zurück in die Zukunft
DeLorean DMC-12 – Zurück in die Zukunft
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DeLorean DMC-12 – Zurück in die Zukunft

Flower-Power-Pop-op-Skoda 1100 MBX

Klassiker von 1966
Skoda 1100 MBX: Panoramaschei­be und Z-Säule nehmen frühere Stilele­mente aus den USA auf.
Rahmenlose Scheiben ohne solide Dachsäule in der Mitte? Da schimmert im Ostblock das funktionslose Styling nach US-Muster durch. Schon das Basisauto für den MBX, der Skoda 1000 MB, zeigte seit 1964 wun­derbare Anlagen: Eleganz, Charakter, Leichtfüßigkeit. Eine schöngeistige Version dräng­te sich förmlich auf. Türen und Seitenwände mussten verlängert werden, und die vielen rahmenlosen Scheiben brauchten noch mehr Dichtungen. Der Mo­tor bekam einen zweiten Vergaser und leistete 45 statt 35 PS. "Sport" ließ sich beim MBX angesichts angeglichener Kräfteverhältnisse nicht mehr nachweisen. Aber schadet’s? Wohl schon. Der MBX hat dasselbe Platzangebot wie der Viertürer, ist also fast so nützlich. Allerdings ist er viel teurer. Nur spär­liche 2.517 Stück wurden gebaut, wäh­rend 440.000 Viertürer entstanden. Dass heute selbst die Viertürer sel­ten sind, liegt daran, dass MBX und MB nicht nur die meisten Teile, son­dern auch einen großen Mangel teil­ten: Beide gehörten zur Familie der "böhmisch-mährischen Schnellros­ter", wie man sie in der DDR nannte. Der Glanz des Coupés hat für den MBX inzwischen also eine weitere Nuance bekommen: Er ist sehr, sehr selten geworden.

Lamborghini 400 GT: Traumwagen vom Traktorbauer

Klassiker von 1966
Lamborghini 400 GT 2+2: Die Kuppelform des Aufbaus steht im Kontrast zur eckigen Grund­form.
Licht! Die Dachholme sind nach außen gebogen, die Scheiben gewölbt, das Dach hell bezogen. Ein einzelner Scheibenwischer verdeckt nicht mehr Glasfläche als unbedingt nötig. Das ist das Innere des Lamborghini 400 GT 2+2, der vor 50 Jahren auf den Markt kam. Ausgerechnet ein rustikaler Europäer übersetzt die amerikanische Leichtigkeit in ein Serienauto. Ex-Bertone-Zeichner Franco Scaglione entwarf die Karosserie. Auf Kas­tenheck und lange Motorhaube setzte er gewölbte Glasflächen und nähert sich den Glaskuppeln der amerikanischen Fantasieautos an. Giotto Bizzarrini, der für Ferrari Testa-Rossa-Rennwagen und den 250 GTO gebaut hatte, konstruierte den ewig schönen Motor. Der hat 3929 Kubikzentimeter Hubraum, zwölf Zylinder und sechs Weber-Doppelvergaser. Das Ding steckte später noch in Miura, Islero, Espada, Jarama und Coun­tach, also in fast allen Lamborghini bis in die 80er-Jahre. In diesem Auto hier leisteit es 330 PS, damals unschlagbar. Sein Klang ist edel und kräf­tig. Mit diesem Auto stieg Lamborghini zum ernsthaften Autohersteller auf. Heute ist das Auto eher historisches Dokument als Fahrzeug.  Im 400 GT 2+2 fährt man nicht, man schwebt wie im Raumschiff. Die Maßstäbe verschwimmen.

Von

Till Schauen
Henning Hinze