Amerikaner mit viel Geld und Phantasie kommen auf die unmöglichsten Ideen. Wie der Casino-Mogul William F. "Bill" Harrah (1911-78), der sich 1969 diese Kombo aus Ferrari 365 GT 2+2 (1967-71) und einem Jeep Wagoneer (1963-91) ausdachte. Die Idee: Harrah wollte einen Luxus-Allradler, um von der Spielerstadt Reno hinauf in seine Berghütte zu kommen. Weil es nichts Passendes gab, ließ den Jerrari bauen. Ein Zwitter-Auto, das die schrägen Supersport-SUV-Mischungen unserer Tage, Aston Martin DBX und Lamborghini Urus, konzeptionell um ein halbes Jahrhundert vorwegnimmt.

Schwammige Servolenkung macht das Fahren zum Abenteuer

Das weltweit erste Supersport-SUV!
Zwei Welten: Ferrari-Holzlenkrad vor dem Wagoneer-Cockpit. Die Geländetechnik blieb erhalten.
Die Front des Jerrari stammt vom 1969er Ferrari 365 GT 2+2, dem ersten Ferrari mit Einzelradaufhängung auch hinten. Das Auto war verunfallt, die Front blieb aber heil. Ein Jeep Wagoneer von 1969 lieferte für den Jerrari Rahmen, Verteilergetriebe, Achsen, Trommelbremsen und die meisten Karosserieteile ab der A-Säule. Dem Betrachter erscheint das Zwitterwesen auf der Straße durchaus wie aus einem Guss und irgendwie Französisch, erinnert an große Citroën-Modelle jener Zeit wie etwa die Staatslimousine Présidentielle. Wie er sich fährt? Pulsierender Wohlklang aus vier Endrohren (die stammen vom Ferrari), eine träge, aber weich schaltende Dreistufenautomatik vom Jeep, Wendekreis wie ein Flugzeugträger, milde Trommelbremsen und die puddingartige Servolenkung vom Jeep. In der Hand liegt zwar ein hölzernes Ferrari-Lenkrad, aber drei Zentimeter links und rechts der Mittellage tut sich erst einmal nichts! Gleichzeitig muss der Fahrer ständig korrigieren, um ungefähr die Fahrspur zu treffen

Theoretisch waren 210 km/h Spitze möglich

Das weltweit erste Supersport-SUV!
Bollerofen: Heute sitzt statt des Ferrari-V12 wieder der Jeep-V8 unter der Haube.
Erst gut 8000 Meilen hat der Jerrari auf dem Tacho und fühlt sich entsprechend frisch an. Man spürt aber die amerikanisch-hemdsärmelige Machart: Trotz neuer Fensterdichtungen pfeift der Wind ab 70 km/h. Bis 1977 steckte ein Ferrari-V12 unter der Haube. 320 PS, aber Starrachsen und Trommelbremsen! Theoretisch soll der Jerrari damit bis zu 210 km/h schnell gewesen sein, ausprobieren wollte das bei der schwammigen Lenkung niemand. Daher erhielt der Jerrari 1977 einen Jeep-V8 mit Automatik. Der Kühllufteinlass ist allerdings zu klein für den V8-Bollerofen – den Stop-and-go-Verkehr unserer Tage mag das Auto daher gar nicht. 2008 ersteigert der deutsche US-Car-Fan Alex Löckmann das Unikat für 20.300 Dollar. Den Zwitter auf deutsche Straßen zu bekommen, erweist sich als schwierig. Fürs Datenblatt muss er vieles recherchieren, und das ist noch das Einfachste. Allein die Standschäden zu beseitigen, dauerte zwei Jahre. Und wie die Türen so schön rund wurden? Dafür ist jede Menge Spachtelmasse verantwortlich, fand der Besitzer heraus.