Liebe geht durch den Wagen, der Ur-500er kann davon ein Lied singen. Als Abarth war er darüber hinaus sogar schnell: Tempo 130 machte den Fiat Typ 595 SS zum Kugelblitz.
Es ist schon eine ziemlich verwegene Idee, ausgerechnet einen Fiat 500 zu tunen, dieses italienische Existenzminimum auf Rädern, das asthmatische Verkehrshindernis römischer Ringautobahnen, den spartanischen Untersatz apulischer Kleinbauern, die heulende Notlösung neapolitanischer Großfamilien, das vierrädrige Rollermobil sizilianischer Gemeindeschwestern, also das primitivste Großserienvehikel seiner Zeit – aber es wurde allseits zärtlich geliebt. Das lag an der den Brutpflegeinstinkt auslösenden Form, also diesem knuddelig kleinkindhaften Gesicht. Was auch das Geheimnis ist, warum gerade Frauen so auf den neuen 500er abfahren, der ja gar nicht mehr so klein ist, aber immer noch seinen süßen Teddybärenblick trägt. Der Österreicher Karl "Carlo" Abarth nahm sich bereits 1957, kurz nach Erscheinen des 500ers, der 13,5-PS-Nuckelpinne an und entwickelte im Fiat-Auftrag den 500 Sport.
Der Motor ist nicht so dick, dass die Haube nicht schließen würde. Hier wird bloß gekühlt.
Schon dieser Zusatz besitzt eine gewisse Ironie, wobei der Zweizylinder nun 21,5 PS ausspuckte, was Fiat offenbar sehr genau gemessen hat. 105 lief das Wägelchen. Doch Abarth erkannte gleich, mit den 500 Kubik allein ist nicht viel zu machen, weshalb er den Bohrer ansetzte und die beiden parallelen Zylinder vergrößerte. Zunächst auf 594 Kubik (das sind immerhin rund 20 Prozent mehr), später sogar auf 690 Kubik. Er nannte die beiden Modelle dann 595 und 695. Die Leistung des 595 betrug zunächst 27 PS, was aber noch immer nicht der erwünschte Hammer war. Daher schob Abarth 1963 das Modell 595 SS (Super Sport) nach. Das hatte dank scharfer Nockenwelle, höherer Verdichtung (10,5:1), polierten Kanälen, gewölbtem Kolben, großer Ölwanne und Sportvergaser 32 PS. Damit ging nun schon was vorwärts – Spitze 130! Allerdings kostete der Super-Sportler mit 5760 Mark auch rund 30 Prozent mehr als ein normaler 500er. Der 695 hingegen besaß zwar nur 30 PS, dafür ein höheres Drehmoment, während der 695 SS schließlich auf 38 PS kam und 140 Sachen lief.
Das gut bestückte Armaturenbrett könnte auch aus einem Alfa stammen.
Der hubraumgrößere Motor zielte auf die Klasse bis 700 Kubik im Motorsport, doch es reichte nicht, um gegen die Vettern aus Österreich Land zu sehen. Steyr-Puch baute den 500er in Lizenz, setzte aber einen eigenen Zweizylinder-Boxer ein, der in der Version 650 TR serienmäßig 41 PS besaß, was aber längst nicht das Ende der Fahnenstange war. Sobieslaw Zasada wurde mit solch einem Autochen 1966 Rallye-Europameister! Der luftgekühlte Original-Twin des Fiat 500 gab so viel nicht her, weshalb die kleinen Abarth fast nur in Italien bei lokalen Rennen zu sehen waren. Viele von ihnen machten aber auch bloß Karriere als Café-Racer zum Strandpromenade-rauf-und-runter-Brüllen, denn die Zwerge besaßen dank des Abarth-Auspuffs, mit dem die Firma groß wurde, ein deutliches Organ. Die meisten 595/695 entstanden übrigens nicht im kleinen Werk am Corso Marche 34 (heute befindet sich hier der Abarth-Showroom). Carlo Abarth erfand das System, den kompletten Umbaukit in einer großen Holzkiste an ausgesuchte Abarth-Händler zu verschicken, die dann einen vom Kunden beigesteuerten 500er in einen Mini-Racer verwandelten.
Das gleiche Prinzip gibt es beim heutigen Fiat 500 Abarth wieder. Es nennt sich aktuell Abarth Performance Kit Esseesse (phonetisch auf Italienisch SS), weil heute keiner mehr aus verständlichen Gründen SS am Auto sehen möchte. Auch damals in den 60ern gab es schon diese Sensibilität, denn die Buchstaben wurden am Auto meist Esseesse ausgeschrieben. Erstaunlich auch, dass die verchromte Typenbezeichnung und der Name Fiat Abarth einzeln an der Karosserie festgeschraubt wurden – am Heck sowie vorn auf der Kofferraumhaube. Das war bestimmt ein Kilo an Schrauben für den Zierrat allein. Weitere Details sind eine erwachsene Armatureneinheit mit Drehzahlmesser, Öldruck- und Öltemperaturanzeige statt des einsamen Serien-Tachos, ein schickes Holzlenkrad, Sportfelgen mit dreieckigen Löchern und natürlich der obligatorische Abarth-Doppelauspuff.
Überfallartiges Ausbrechen
Dagegen blieben die Bremsen völlig serienmäßig. Das sorgte für schlechte Presse, lag doch die Höchstgeschwindigkeit um 50 Prozent höher als beim Basis-500er. Daher gab es für den 695 SS später gegen Aufpreis auch Scheibenbremsen. Es ist heute noch eine Freude, dem kleinen 595 SS die Sporen zu geben. Mit diesem bisschen Auto hat das 32-PS-Triebwerk keine Mühe, locker flitzt der 500er um die Ecken. Das große Holzlenkrad ist schön anzusehen, die zugehörige Lenkung direkt, wenn auch ein bisschen nervös. Der Geradeauslauf war damals halt nicht so wie heute, und ganz weit hinten im Grenzbereich lauerte wegen der primitiven 45-Grad-Schräglenkerachse mit positivem Sturz und erheblichen Spurweitenänderungen das überfallartige Ausbrechen. Am erstaunlichsten jedoch ist die Winzigkeit des ganzen Fahrzeugs, schon deshalb haben ihn alle so lieb. Vom Fahrersitz aus lässt sich problemlos jede Ecke des Innenraums streicheln.
Historie
Abarth-iger Motorraum mit Eigengewächsen: Ventildeckel, Luftfilter, Ölwanne und Auspuff.
Carlo (eigentlich Karl) Abarth war ein Wiener Mechaniker und Motorradrennfahrer, der sich 1930 am Knie so verletzte, dass er nur noch Seitenwagenrennen fahren konnte. Er erfand das sich mit dem Motorrad neigende Beiwagenrad und baute ansonsten erstklassige Auspuffanlagen. Nach dem Krieg heuerte er bei der italienischen Rennwagenmarke Cisitalia an, wo er Renndirektor wurde und nach der Pleite der Firma die Rennwagen übernahm. Sein Geld verdiente er fortan mit dem Bau von Sportauspuffen, das er dazu benutzte, wiederum Rennwagen zu bauen, was eine ziemliche Analogie zu Enzo Ferrari ist, nur ganz unten bei den Kleinwagen. Die hat er mit Tuning-Kits aufgepeppt und sie zu Rennen geschickt, bis Fiat ihn unter Vertrag nahm und für jeden Sieg mit einem Fiat-Modell eine Prämie zahlte. Fiat-Abarth-Fahrzeuge gewannen fortan 7300-mal! Nebenbei frisierte er die Serienmodelle von Fiat, angefangen beim 500er, der sich von 1957 bis 1967 in diversen Versionen bestens verkaufte. Abarth baute auch reinrassige Rennwagen, verkaufte seine Firma aber 1971 an Fiat. Er starb 1979.
Technische Daten
Fiat Abarth 595 SS: Reihenzweizylinder, luftgekühlt, längs im Heck • zwei Ventile pro Zylinder, Solex-Vergaser • Hubraum 594 ccm • Leistung 24 kW (32 PS) bei 5000/min • max. Drehmoment 44 Nm bei 3500/min • Viergang-Schaltgetriebe • Hinterradantrieb • Einzelradaufhängung vorn an Querlenkern mit Querblattfeder, hinten Einzelradaufhängung an Schräglenkern und Schraubenfedern • Reifen vorn 125 x 12, hinten 135 x 12 • Radstand 1840 mm • Länge/Breite/Höhe 2970/1320/1300 mm • Leergewicht 470 kg • 0–100 km/h keine Angabe • Spitze 130 km/h • Verbrauch 6,0 l/100 km • Neupreis 1964: 5760 Mark.
Plus/Minus
Hier wurde jeder Buchstabe, jede Ziffer mit je zwei Schrauben befestigt.
Es ist natürlich großartig, so einen Gute-Laune-Erzeuger zu fahren, der alle Menschen fröhlich stimmt und bei den Sympathiepunkten jeden Ferrari ausbeschleunigt. Zudem sind die Unterhaltskosten minimal, dafür der Wert hoch. Der Basis-Fünfhunderter ist ja schon raketengleich im Preis gestiegen, von null auf 7000 Euro in wenigen Jahren, die Abarth-Modelle sind jedoch viel gesuchter. Ein 595 SS im Topzustand kann bis zu 45.000 Euro bringen, sagt Leo Aumüller, Deutschlands Abarth-Guru, denn es gibt praktisch keine zu kaufen. Andererseits versuchen immer wieder Bastler, aus einem 08/15-Fünfhunderter einen Möchtegern-Abarth zu zaubern. Natürlich ohne das beim Verkauf zu beichten, was sich aber anhand der Fahrgestellnummern und manchem Detail erkennen lässt. Dazu sollte am besten ein Fachmann zurate gezogen werden. Ansonsten macht der Zwerg Spaß beim Fahren, solange es Kurzstrecken sind. Er ist robust und anspruchslos – und in der Stadt der Parklückenprinz.
Ersatzteile
Da sieht es gar nicht mal so schlecht aus, denn Fiat-500-Teile sind problemlos zu beschaffen und günstig, und bei allem, was von Abarth stammt, hat die bayerische Firma Aumüller, die seinerzeit viele Bestände von einstigen Händlern aufgekauft hat, bestimmt das Passende am Lager. Sonstige Teile liefert zum Beispiel Axel Gerstl in Biburg bei München.
Marktlage
Carlo Abarth war nicht nur ein großer Techniker, sondern auch ein großer Marketing-Mann.
Echte, ganz echte Fiat Abarth 595 oder 695, ob nun SS oder auch nicht, sind praktisch nicht am Markt. Die wenigen Überlebenden sind alle in festen Händen und kommen nur alle Jubeljahre mal in den Umlauf. Daher sind die Preise exorbitant hoch, etwa ab 30.000 Euro bei einem mäßigen Zustand. Aber meist sind die kleinen Abarth gut in Schuss, denn sie lassen sich mit relativ geringem Aufwand restaurieren. Darüber hinaus gibt es eine ganze Menge Fälschungen und Replicas. Wem das nichts ausmacht, wird leichter und viel billiger fündig, so ab 5000 Euro.
Empfehlung
Ein echter Abarth sollte es schon sein, wobei es egal ist, ob er aus einem Kit entstand oder im Werk selbst aufgebaut wurde. Die Kits schickte Abarth seinerzeit in Holzkisten an ausgewählte Händler, und dort wurden die Wagen dann umgerüstet. Im Echtheits-Zweifelsfall Experten wie Leo Aumüller zurate ziehen.