NSU Ro 80
Synthese von Technik und Ästhetik: Der Ro 80 galt als Sprung in die Moderne
Mit dem Slogan "Vorsprung durch Technik" warb Audi NSU 1971 für den Ro 80. Doch das Auto mit Vorsprung fraß seine Motoren: Einer bösen Legende nach begrüßten sich Ro-80-Fahrer mit ausgestreckte Fingern und zeigten damit dem Leidensgenossen, wie viele Wankelmotoren unter der flachen Haube ihres Wagens schon ausgetauscht wurden. Ein Handzeichen zwischen Hilflosigkeit und Humor. Heute erkennt man den Ro 80 eher als Ikone des Autobaus und als legendären Klassiker. Voir nunmehr 50 Jahren feiert der Ro 80 Weltpremiere auf der IAA 1967.

Im Design der Zeit voraus

NSU Ro 80
Heck der letzten Jahre: 1975 wird Rückseite mit einer Gummileiste an der Stoßstange aufgewertet.
Der Name des Kult-Keils hat einen nüchternen Ursprung: Ro steht für Rotationskolbenmotor, 80 ist die laufende Nummer aller NSU-Entwicklungen. Vor 50 Jahren war der Wagen für viele ein Traumauto. Im Jahr des Erscheinens wird er gleich zum "Auto des Jahres" gekürt wegen seiner revolutionären Motorentechnik und seiner extravagante Form. Fachleute sagen 1967: das mutigste Auto der Welt. Die Presse schreibt: "Völlig neue Form, völlig neuer Antrieb, völlig neues Fahrgefühl." Ein Urteil, das man erst wieder im 21. Jahrhundert über moderne E-Autos fällt. Der kleine und leichte Wankelmotor ermöglichte es Designer Claus Luthe, eine flache Front zu konstruieren, der Luftwiderstand erreicht den erstaunlichen cw-Wert von 0,355. Vorderradantrieb, vier Scheibenbremsen, Einzelradaufhängung rundum, Servolenkung und "Selektiv"-Halbautomatik sind im Paket. Das Design ist dem Rest der Auto-Welt um Lichtjahre voraus. Noch nach über 40 Jahren wirkt der Ro 80 frisch im Verkehr, er fällt nicht größer auf.

Zahlungskräftige Kundschaft

NSU Ro 80
Tief unten, von Luftfilter und Nebenaggregaten verborgen, sitzt der Wankelmotor.
Genial und dramatisch war die weiterentwickelte Wankel-Technologie. Damit greift NSU oben an. Architekten, Ärzte, Ingenieure, die Freigeister und Avantgardisten der Bundesrepublik, zahlen dafür 14.150 Mark. Ein stattlicher Preis, der bis zu 50 Prozent über dem liegt, was ein Mittelklassemodell in dieser Zeit kostet: Opel Rekord 9535 Mark, BMW 2000 Tilux 12.750 Mark, Mercedes 230 S 14.000 Mark. Entsprechend hoch sind Erwartungen und Ansprüche der Kundschaft. Doch von Anfang an liegt ein Fluch auf dem Modell. Engpässe in der Materialbeschaffung und Einzelteilfertigung behindern die Serienproduktion. Was vom Band rollt, weist anfangs leichte Mängel bei der Ausstattung auf; auch die Verarbeitung muss nachgebessert werden: Die Karosserie neigt zum Dröhnen, Türen schließen schwer..

Mit dem Ro 80 stirbt NSU

50 Jahre NSU Ro 80
Innovativ: Servolenkung, dazu Drei-Fahrstufen-Selektivautomatik.
Doch den größten Makel trägt das Herz des Ro 80, in dem Kolben kreiseln. Das Prinzip beruht auf Erfinder Felix Wankel, der Motor leistet 115 PS bei 5500 Touren. Die Technik ist genial wie anfällig. das innovative Triebwerk ist beim Serienstart nicht ausgereift. Zündaussetzer, ein enorm hoher Ölverbrauch; dazu sind die Dichtleisten nicht in Ordnung. In hoher Zahl müssen Motoren ausgetauscht und im Werk überprüft werden. Und der Benzinverbrauch sorgt für Entsetzen. Je nach Fahrweise zwischen zehn und 17 Litern, vereinzelt berichten Besitzer von 24 bis 28 Litern. NSU-Tests ergeben im Stadtverkehr 18,2 Liter – überdurchschnittlich hoch. Schadhafte Motoren und der Verbrauch sind verheerend für das Image des Ro 80. Die Produktions- und Verkaufszahlen bleiben bescheiden und sacken nach 1970 nochmals deutlich ab. 1977 laufen nur noch 382 Ro 80 zum Preis von mittlerweile 23.620 Mark vom Band, nach insgesamt 37.402 Einheiten ist dann endgültig Schluss. Heute hat sich der Blick auf den Ro 80 geändert, er gilt als genialer, aber kapriziöser Klassiker.