Er kann uns nicht täuschen, auch wenn er vornehme Chrom-Radkäppchen trägt und sich hochnäsig GL nennt. Unser Test-Golf ist mit allem erdenklichen Nichts ausgestattet, eine Sparversion, ein Mini-Golf, als Neuwagen in die DDR exportiert, wo demütige Brüder und Schwestern mit der Minimal-Ausstattung glücklich sein mussten. Wir sind froh, immerhin schon ein Lenkrad zu haben. Einziges Extra ist der rechte Außenspie­gel. Die Ablagen sind aus Pappe, inzwischen verbogen und ver­beult, das Getriebe hat vier Gän­ge, es gibt keinen Drehzahlmes­ser, nur das wie von einem Glas­bläser mundgeblasene, spitze Tacho-Abdeckplexiglas. Ansonsten grüßt Hartplastik in der Tradition von Plaste und Elaste aus Schkopau.
Der Mehrheits-Dreitürer
Scharfe Kanten, klare Linien: So schnörkellos durfte ein Volks-Wagen mal sein.
Bild: C. Bittmann
Trotz dieses Handicaps gegen­über dem vergleichsweise gut ausgestatteten DAF und dem zu­mindest etwas besseren und wohnlicheren Opel: Der Wolfs­burg-Wagen gewinnt unseren Vergleich. Das liegt mal wieder, auch wenn wir Sie jetzt langwei­len, an seiner Ausgewogenheit. Er hat die besten Fahrleistungen, das größte Raumangebot, das niedrigste Gewicht (787 kg, ein Up wiegt heute 929 kg), den kür­zesten Bremsweg. Er ist prak­tisch, kantig, gut aussehend, ein Jahrhundert-Entwurf eben, aber das wissen wir ja alle. Auch wenn sich viele Altauto-Enthusiasten bis tief in die 90er-Jahre nicht vorstellen konnten, dass dieser Pragmat mal ein bewahrenswer­tes Auto werden könnte. In allen anderen Kategorien schneidet er auch gut ab, selbst wenn seine subjektiv spürbare Zerbrechlichkeit die erstmaligen Ur-Golf-Benutzer verstört. Doch wundersamerweise mündet das Gefühl nicht in technische Katas­trophen.
Der Mehrheits-Dreitürer
Das lebendige 1,1-Liter-Motörchen will gedreht werden: Er rückt seine Nennleistung von 50 PS erst bei 6000 Umdrehungen heraus.
Bild: C. Bittmann
So ein Golf I ist trotz Ge­klapper, raspeligem Motorklang und einer Dünnhäutigkeit, als würden sich die Knochen von in­nen durchdrücken, überraschend robust. Gut, es gab den Rost der frühen Jahre. Das war desaströs und kostete den Konzern Millio­nen für Rückkäufe von den Kun­den und die anschließende Ver­nichtung der zersetzten Karos­sen. Ergonomie können sie aber in WOB. Wir sitzen prima, alles lässt sich tadellos bedienen, Platz ist vorhanden, die Rückenlehne hin­ten klappt, die Schaltung schal­tet, auch wenn sich der Hebel ein bisschen labberig anfühlt. Die von allen Servos verlassene Len­kung ist zwar präzise, aber nur mäßig direkt, zu spüren sind jederzeit auch die zerrenden 50 PS des 1100er-Motörchens, und auch ihm, dem Parade-Front­triebler, haben sie in der Lauf­lernschule das freudlose Unter­steuern beigebracht. Damit schwingt er nicht so gelenkig und willig um die Hütchen wie der Kadett, bleibt aber doch wendi­ger als der behäbige DAF.

Ende Legende: Aus für den Golf I

Der Mehrheits-Dreitürer
Gut, ein glattflächiger Laderaum ist das nicht. Dafür passt eine Menge hinein.
Bild: C. Bittmann
Fazit: Das Wichtigste ist bei einem Auto, das wissen wir alle, seine Ausstrahlung. Die Sympa­thie, die es erzeugt, seine Präsenz und Symbolik. Und da ist der Golf in unserem Trio unschlag­bar. Denn die Welt hat ihn gern, er ist ja so modern – und doch schon eine Antiquität. Damit siegt auch der Golf-Designer Giorgetto Giugiaro. Kaum auszudenken, wenn der Golf ein 08/15-Design bekommen hätte. Aber der Italiener schuf ein Meisterwerk für Hinz und Kunz. Dazu fährt es auch noch gut. Seine Mängel: der schwache Motor, die langweiligen Fahreigenschaften und das ständige Gefühl der Zerbrechlichkeit.