Die Revolution kommt von links. Gar nicht mal politisch betrachtet, eher bildlich. Was auf dem großen Foto anrollt, veränderte Deutschland nachhaltig. Sagen wir mal: wie die 68er und Uschi Obermaier. Ein paar Jahre später zwar, dafür den ganzen (Straßen-)Verkehr. Denn 1974 konnte ein neues Auto noch richtig was in Bewegung setzen. Eine Firma retten, Technik neu definieren, Deutschland dominieren. Um es kurz zu machen, der Golf schmiss fast 40 Jahre Käfer-Historie über den Haufen. Er zeigte Kanten, wo sein Vorgänger buckelte. Er packte den Motor (zunächst 70 PS) nach vorn statt nach hinten. Er kühlte seinen Vierzylinder mit Wasser statt mit Luft. Und: Er hatte endlich Platz für viel Gepäck.

1974 eine häßliche Kiste, heute eine Design-Ikone

VW Golf I
Der Golf I bringt 1974 die für VW bitter nötige Wende. Golf und Passat beenden die Heckmotor-Monokultur.
Ein Alleskönner, passend für jede Lebenslage. Logisch, dass so einer irgendwann zum Klassiker reift. Erst recht bei dieser konsequenten Linie: Italiens Meisterschneider Giorgio Giugiaro verpasste dem Fronttriebler den Goldenen Schnitt, ein Einschnitt, der wirkte wie ein Wechsel von der Neuzeit in die Moderne. Und trotzdem hagelte es Kritik. "Hässlich", schrieben die Journalisten nach der Präsentation, "zweckmäßig, aber kaum schön". Allein die "FAZ" attestierte dem Wagen "einen gewissen Charme". Mit seiner klappbaren Sitzbank und überragenden Fahreigenschaften bügelte er sein Quasimodo-Image aus. Sanftmütig rollt der Golf über die Straßen, komfortabel und unbestritten sicher. Dank Frontmotor und -antrieb bewahrt er Ruhe, wo der Käfer zickt wie ein störrisches Pony. Das beeindruckt bis heute. Im O-Ton von 1974 liest sich das in der BILD-Zeitung so: "Ein paar Kilometer hinter Freising fuhr ich mit 100 in eine Kurve hinein. Ich hatte mich verschätzt. Mit einem normalen Auto wäre ich ziemlich sicher im Straßengraben gelandet. Der Golf aber zog spurtreu wieder aus der Kurve." Wahnsinn, so sah Abenteuer Auto vor 35 Jahren aus ...

Kurioses Gerücht: Golf I aus billigem DDR-Blech

VW Golf I
Das eckige Design des Golf I setzt sich im Cockpit fort. Der Golf bietet endlich genügend Raum für Gepäck und Passagiere.
Als abenteuerlich erwies sich anfangs auch die Langzeit-Qualität. Neu stand der Golf da wie eine Eins, gebraucht nagte schnell der Rost. Am Stammtisch kursierten Gerüchte, VW hätte billiges DDR-Blech verbaut. Schöne Geschichte, bald war dieser fiese Wesenszug wirklich von gestern. Anders als der Golf. Der blieb selbst als Endverbrauchs-Möhre begehrt, obwohl er keine romantischen Gefühle wecken konnte. Deshalb dauerte es lange, bis er ein Auto zum Wegstellen und Liebhaben wurde. Wer so viel konnte, musste ran bis zuletzt. Selbst ein GTI war zum Verbrauch bestimmt. Der Golf als Oldtimer, das ist längst nicht mehr revolutionär: Er erzählt vom Fortschrittsglauben seiner Zeit, funktioniert prima und macht keinen arm. So soll(te) es sein.

Plus/Minus

Wer einen Golf I in makellosem Zustand findet, ist ein echter Glückspilz. Die meisten Exemplare des Wolfsburger Erfolgsmodells rosten schlimmer als alte Regenrohre. Und das an tragenden Teilen. Hinzu kommen Ölverlust und hoher Ölverbrauch durch verschlissene Ventilschaftabdichtungen, gern kaputte Abgasanlagen, Zylinderkopfdichtungen, Scheinwerfer und Thermoschalter. Nur die heilenden Hände enthusiastischer Youngtimer-Fans können den Fronttriebler noch vor der Verschrottungs-Prämie retten. Das lohnt sich. Denn wer seinen Einser pflegt, hat ein alltagstaugliches Sammlerstück in der Garage. Oder den Hingucker beim VW-Familientreffen am Wörthersee.

Ersatzteile

Es gibt alles – und alles billig. Ein Traumzustand für jeden Oldie-Fahrer. Dabei müssen Golf-I-Schrauber noch nicht mal nächtelang das Netz nach Ersatzteilen durchforsten, da reicht ein Klick auf die offizielle VW-Seite www.vw-classicparts.de. Schwierig wird es nur bei Deko-Elementen spezieller Sondermodelle. Räder für einen Golf I GTI Pirelli sind schwerer zu finden als Trüffeln, dafür garantiert so teuer. Exquisiter Geschmack kostet eben.

Marktlage

Bei fünf Millionen gebauten Golf I muss der Markt doch hergeben, was das Herz begehrt – denkt man. Einmal auf der Suche, stellt sich heraus, dass gut erhaltene Golf I rar sind. Faustregel: Je älter das Modell, desto teurer ist es. Kleine Rückleuchten (bis Juli 1980) und Chromstoßstangen (bis Juli 1978) steigern den Wert, besser ausgestattete GL-Modelle sind begehrter als Basis-Versionen. GTI der ersten Baureihe gehören zu den Königen der Szene – sind für Klassik-Knauser aber nicht bezahlbar.

Empfehlung

Zu den wichtigsten Tipps beim Golf-Kauf zählt ein Allgemeinplatz: Augen auf! Beim Typ 17 ist das besonders wichtig, denn hinter jedem Rostfleck steckt womöglich die Pest. Von nachträglich eingebauten Glasdächern ist abzuraten, allein schon, weil es den Originalzustand ruiniert. Wer nicht weiß, ob er mit einem Golf I als Youngtimer warm wird, fährt am besten nach Südafrika in Urlaub, mietet einen Citi (wie der Golf I dort heißt) und wird glücklich ...

Historie

VW Golf I
Der Golf folgt den Konstruktionsmerkmalen des Mini: Vorn quer eingebauter Vierzylinder mit Wasserkühlung und Frontantrieb
1974: Premiere des VW Golf mit 70-PS-Motor im Mai 1974, ab September 1974 Start des 50-PS-Basismodells, Preis ab 8000 Mark.
1975: erste Modellpflege, auf Wunsch Automatik (700 Mark).
1976: Premiere Golf GTI mit Einspritzung (110 PS) und des Golf Diesel (1,5-Liter-Diesel mit 50 PS).
1978: Modellpflege, zu erkennen an kräftigeren Stoßfängern aus Kunststoff.
1980: Vorstellung VW Golf Cabriolet, gebaut bei Karmann in Osnabrück, Limousine erhält ab Juli 1980 größere Heckleuchten und neues Cockpit.
1981: Vorstellung der sparsamen Formel E-Modelle.
1982: Golf mit Turbo-Diesel (70 PS) erscheint.
1983: Modellwechsel nach rund sechs Millionen Exemplaren.

Weitere Klassiker für Knauserer:

BMW 525e

Audi 100 LS

Porsche 924

Fiat 500 D

Citroën 2 CV 6

Mercedes 200 D W 110

$(LB548673:Opel Kadett B 1100)$

VW 1200 A

Von

Margret Hucko