Seit den 60er-Jahren gestalten die Hersteller individuelle Auto-Mode. Hier die Geschichte der schönsten Sondermodelle – und ihrer Fahrer.

Arne Möller und sein GTI Pirelli

Manchmal verlaufen Karrieren nicht so gradlinig wie eine Quartermile. Die Geschichte von Arne Möllers Golf GTI Pirelli ist mehr Nürburgring-Nordschleife als Dragstrip. Sie startet 1992, pubertär aufgeheizt. Arne macht eine Ausbildung als Kfz-Schlosser, als Kind der Generation Golf wünscht er sich einen GTI. Gern als Sondermodell: "Schließlich ist da mehr drin für den gleichen Preis." Bei einem Händler in Bargteheide, Schleswig-Holstein, entdeckt er das Sondermodell Pirelli als Gebrauchtwagen – neun Jahre alt, im reinen Weiß der frühen 80er, für 6400 Mark. "Das Geld dafür habe ich mir von meinem Chef gepumpt." Netter Chef. Aber nicht so selbstlos, dass er ihm auch noch die Spritrechnungen zahlt. "Ich musste feststellen, dass Benzin und Steuern ziemlich teuer waren." Arne spielt den Ernährer für sein Baby, versucht, die acht bis neun Liter Super plus durch einen Nebenjob zu verdienen. Am Wochenende packt er Pakete in einem Antiquitätenhandel. Aber der 112 PS starke GTI saugt Arnes Kasse gnadenlos leer. Es folgt der Boxenstopp. Arne meldet den Pirelli ab, fährt stattdessen Fiat Panda und verhätschelt den VW in den folgenden Jahren als Sonntagsauto. Damit der Wagen sich nicht die Räder platt steht. Natürlich nur im Sommer, bei schönem Wetter.

Der weiße Golf, der Gummi gab

Die schönsten Sondermodelle
Erst 2004 lässt Arne den Pirelli wieder zu. Seitdem geht es vorwärts, der Zielgerade entgegen. An der Heckscheibe klebt ein Spruch, der zum 25-jährigen GTI-Pirelli-Jubiläum neue Bedeutung erhält: "Es ist wieder Zeit für den Golf". Das erlebt auch der Mann aus Rullstorf-Boltersen, als er sich zum ersten Oldtimertreffen nach Lüneburg traut. Mit seinen weiß lackierten Spiegeln und Radverbreiterungen, den weißen Stoßstangen gehört der GTI zur großen Youngtimer-Clique. Wie jung der Golf geblieben ist, zeigt auch ein Detail im Innenraum. Der Pirelli GTI hat tatsächlich eine Schaltanzeige, die den Gangwechsel fordert. "Meine Frau ist bei der ersten Fahrt beinahe ausgeflippt. Guck mal, hat sie gesagt, da kommt ein Zeiger raus." Das Prägnanteste am Pirelli-Golf sind aber die Alu-Räder mit eingestanztem "P". Arne hortet Ersatzräder auf seinem Dachboden, ebenso wie die Originalsitze im silbernen Streifenmuster. Fürs nächste große Rennen gegen die Zeit.

Ford Granada Chasseur

Klar, dass alles seinen Preis hat. Einfach so kommen keine 23 Autos zusammen, nicht im Alter von 29 Jahren. Florian Füllkrug hat 22 Granada und einen Ford Scorpio. "Dafür habe ich gekämpft, da sind Schweiß und Tränen geflossen", sagt der junge Mann aus Bielefeld. Florian arbeitet als Maler von sieben bis 16.30 Uhr, eine halbe Stunde später steht er frisch geduscht im Granada-Center, um Gebrauchtwagen zu verkaufen. Tag für Tag, Abend für Abend. Feierabend open end. Der Laden an der Krackser Straße gehört ihm. Und ihm gehört seine Leidenschaft. Dabei führt der Name Granada-Center in die Irre. Denn Florian verdient sein Geld mit TÜV-fertigen Billig-Autos, die meisten kosten weniger als 1000 Euro. Was davon hängen bleibt, steckt er in sein Granada Center, einer bunten "Best of"-Hitparade aus 23 Jahren Ford-Bauzeit (1972 bis 1985). Dazu gehören ein Mk III, Baujahr 84, mit 220 PS dank Cosworth-Motor. Am Heck klebt "ganz prollig" 2.3 GL. Szenekreise stehen auf diesen Etikettenschwindel, um ihn an der nächsten Ampel mit rauchenden Reifen auffliegen zu lassen.

Auf der Jagd nach Luxus und Lifestyle

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Dazu gehört aber auch Florians Granada Chasseur, ein Kombi wie ein Zigarren-Klub. Mit braunem Zweifarben-Metalliclack, karierten Teilleder-Sitzen und einem Armaturenbrett nach Art einer Schrankwand. Zwei Chasseur-Sondermodelle schlachtete Florian, um den jetzigen ins Leben zurückzuholen. 2002 entdeckte der Granada-Liebhaber den Wagen in einer Kleinanzeige. Ein Rentner aus Aachen wollte sich von dem guten Stück trennen, "weil er keine Lust mehr auf Basteln hatte". 3000 Euro zahlte Florian für den Sechszylinder, heute schätzt er den Preis "auf 25.000 Euro". Was, nun ja, wohl mehr dem ideellen Wert entspricht. Oder doch der Seltenheit. Ford baute den Chasseur ausschließlich 1980. Die deutsche Übersetzung aus dem Französischen lautet: Jäger. Jagdflieger ist eine andere. Für den 114 PS starken Kombi ist das maßlos übertrieben. Auch, wenn auf der Kofferraumklappe klebt: "Ich hab’ den Tiger im Tank". Auch ohne Esso-Extra schnurrt der Sechszylinder nach Drehen des Zündschlüssels fast wie ein kleiner Ami. Wer es schafft, Bielefeld-Sennestadt in Westfalen auszublenden, fühlt sich in ein amerikanisches Roadmovie versetzt. Unter der metallicbraunen Haubenlandschaft verschwindet der Asphalt, innen herrscht jene erdfarbene Gemütlichkeit, die die "Generation Füllkrug" nur aus Omas guter Stube kennt. Sogar der Dachhimmel ist braun, das nachgerüstete Scorpio-Radio spielt Classic-Rock, die Polster sind weich wie die einer Schaumstoff-Wohnlandschaft. Ford wollte dem Granada einen Hauch von Luxus spendieren, mit braunen Ledertaschen im Kofferraum als Höhepunkt. So was hatte seinen Preis. Auch damals schon.

Norma C. Boschan und ihr Jeans-Käfer

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Alles an Norma C. Boschan hat Käfer-Bezug. Übertrieben? Es gibt Beweise: Ihr Vater fährt Käfer, Freund Klaus fährt Käfer, der Käfer ihrer Schwester befindet sich gerade in Babypause und hofft auf mehr Zuwendung danach. Ihr hautfarbenes T-Shirt zeigt einen Käfer, in ihren Freundschaftsring sind Käfer eingraviert. Norma liebt ihren Wagen ganz offensichtlich. Weshalb sie den Spruch der freundlichen Boutique-Verkäuferin nonchalant überhört, die der Schaufensterpuppe eine Designerhose über den Po streift: "Die Jeans ist teurer als das Auto." Über den Preis ihres Wagen schweigt die Kauffrau für Bürokommunikation. Nur so viel: "Es war ein Freundschaftspreis." Und ein Glücksfall dazu. Ihr Vater entdeckte den brillantgelben Jeans-Käfer in einer Annonce, mit Vorwahl aus dem nahen Köln. Hinter der Nummer verbarg sich eine alte Dame. Nach über 30 Jahren inserierte sie, um sich von ihrem Sonder-1200er zu trennen. Ihr verstorbener Mann hatte ihr das zu Lebzeiten ans Herz gelegt. "Wenn mir etwas passiert", sagte er seiner Frau, "dann fährst du meinen Mercedes und verkaufst den Käfer." Aber nicht um jeden Preis. Es klingelten die üblichen Vögel an der Tür, Oldtimer-Geier, die auf einen billigen Schnapper hofften, den Motor noch geschenkt zu teuer fanden.

Jeans sind alle ihre Kleider

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Und es schellte Norma C. Boschan aus Duisburg. Norma gefiel der Käfer, der alten Dame gefiel Norma. Und so purzelte der ohnehin schon faire Preis ungefragt um noch mal 200 Euro. Der Gag dabei: Anfangs glaubte sie, der Käfer sei für ihre Mutter gedacht. Kurz darauf verwandelte sich der Wagen in ein Familien-Geschenk für Norma. Bis auf eine routinierte Motorüberholung und neuem Lack für einen Kotflügel brauchten die Boschans nichts machen zu lassen, so gut war der 1200er in Schuss. Ein paar aufgeklebte Farbkleckse entfernte Norma mit dem Föhn, ebenso wie die Urlaubssticker aus Zürich, Berchtesgaden, vom Lago Maggiore. Was fehlt, ist ein gut erhaltener Fahrersitz aus grünem Jeansstoff. Den tauschte die alte Dame, weil abgewetzt, gegen einen schwarz-weißen Mexikaner-Sessel aus. Fürs Foto lieh sich die 23-Jährige einen in der Farbe "Bluejeans" aus. Damals, 1974: Das war die Zeit der Schlaghosen, die deutschen Fußballer wurden Weltmeister, und der Käfer war als meistproduziertes Auto der Welt gerade ziemlich out. Mit dem Jeans-Sondermodell sollte das Käfer-Leben noch mal bereichert werden, schließlich feierte der Golf in dem Jahr Premiere. "Jeans zum Fahren" – das war der Slogan. Aufgebretzelt mit Sporträdern, Halogenscheinwerfern, Kopfstützen und einer Nebelschlussleuchte. "Sie sparen so also rund 400 Mark dabei. Oder, wenn es Ihnen lieber ist, den Preis für acht neue Jeans." Die Zeiten sind leider lange vorbei.

Tomko Wolf und sein Citroën GS Basalte

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In der Ablage unterhalb des Handschuhfachs liegt ein zerfleddertes Buch. "Mein Ideenbuch" steht darauf gedruckt. Darunter handschriftlich vermerkt: "oder auch nicht". Auf den vergilbten Seiten darin: "Basalte im Winterschlaf bei bestem Wetter". Oder einfach nur: "Lack poliert". So wie andere Menschen Tagebuch führen über sich, ihr Leben und ihre Lieben, notiert Tomko Wolf jedes Erlebnis mit seinem Citroën GS. Er schreibt nüchtern, an keiner Stelle emotional, als wolle er seine Gefühle kontrollieren. Aber dann sagt er Sätze wie diese: "Am 31. Oktober bekommt der Basalte ein H-Kennzeichen, 20 Jahre nach unserem Kennenlernen." "Kennenlernen" oder "platonische Beziehung" – Schlüsselwörter, die verraten, dass der GS für Tomko Wolf mehr ist als nur ein Auto. "Schließlich habe ich jedes Teil mehr als nur einmal in der Hand gehabt." Seine Citroën-Connection kommt aus früher Jugend. Auslöser war die menschlichste aller Schwächen: Bequemlichkeit. In der Schule stand ein Praktikum an, Tomko interessierte sich für eine Ausbildung als Kfz-Mechaniker. Er setzte sich in den Kopf, bei Volkswagen nach einem Platz zu fragen. Stieg aufs Fahrrad, radelte los Richtung VW-Händler. Auf der halben Strecke stoppte er bei Citroën, weil ihm ganz schön die Pumpe ging. Spontan stellte er sich vor. "So spare ich jeden Tag sechs Kilometer zur Arbeit." Cleverer Schüler Tomko. Er bekam erst den Praktikumsplatz, später eine Stelle als Azubi.

Die Liebe zum Basalte bricht nicht

1988 entdeckte er den Basalte bei einem Autohaus in Bad Oeynhausen, da arbeitete er in der Nachbearbeitung von Karmann in Osnabrück. Der GS stand ziemlich fertig da. "Er fuhr, das war’s dann auch." Die Sonder-Sitze waren mürbe wie Keksteig, die Karosserie so klapprig wie der Körper von Soul-Diva Amy Winehouse. Die Besserungskur begann mit Sandstrahlen und Schweißen, anschließend verzinkte der heute 43-Jährige den Wagen. Die orangefarbenen Seitenstreifen, die den Basalte so besonders machen, waren damit natürlich unbrauchbar. "Ich habe die Streifen durch ganz Deutschland gejagt." Für 550 Mark fand Tomko welche, neue Sitze im speziellen Hahnentrittmuster entdeckte er in Ulm. Jetzt, mit fast 30 Jahren, steht der Basalte da wie neu. Vor allem unverwechselbar, denn in ganz Deutschland gibt es weniger als eine Handvoll. Mehr sind von den 1500 Wagen der Sonderserie nicht übrig geblieben. In der Anzeige hieß es 1978: "Machen Sie eine Anprobe". Ja, so ein Basalte muss zu einem passen: Ganz in Schwarz und Jägermeister-Orange, mit getönten Scheiben und Stahlschiebedach. Innen geht es betont französisch zu. Plüschige Sitze wie im Moulin Rouge, bequeme Armlehne hinten – nur die Ohrenstöpsel in der Mittelkonsole passen nicht ganz. "Es pfeift so, wenn das Schiebedach auf ist", sagt Tomko Wolf. So steht’s noch nicht in seinem Ideenbuch.

Robert Schirmer und sein VW T2 Silberfisch

Allein schon das Kennzeichen gibt Auskunft über Robert Schirmers dauerhaften Gemütszustand: BS-E. Entwarnung, kein Rinderwahn. Sondern die harmlose(re) Bulli-Seuche. Denn der Mann aus Braunschweig ist verrückt nach VW Bussen. "Ich hab’ mal durchgezählt, der Silberfisch ist mein 16. Bus. 13 waren T3, irgendwann musste es einfach das Vorgängermodell T2 sein." Den fischte der Siemens-Sachbearbeiter aus dem Internet, der Anbieter plante, seine Sammlung zu verkleinern. Nach einer Probefahrt fuhr Schirmer den silbernen VW auf eigener Achse nach Hause. Das war vor acht Jahren, heute ist der Bus immer noch nicht ganz fertig. Das Schiebedach klemmt, die Zierleisten fallen ab, aber "so, wie wir den aus der Scheune gezogen haben, hätte man ihn nicht vorführen können".

Bei diesem Bulli ist alles im Lack

Heute kann man. Vor gut 30 Jahren, gegen Ende der T2-Serie, ließ es VW richtig krachen. Über die Sitze spannt sich blaues Velours, die Heckscheibe heizt im Winter, Gepäckreling und Uhr gehören mit zur Serie. Vor allem: Ein Bus in vornehmem Silbermetallic – das gab es bis dahin nicht im Transporter-Wesen. Dazu passte der starke Zweiliter-Boxermotor mit 70 PS – viel Kraft für einen Nutz-Quader. Ganz sicher können sie sich bei VW nicht gewesen sein, die alten Werbetexte zeigen es. Steif klingen sie, himmelweit weg von Hippie-Kultur und Wasserpfeifen-Romantik: "Der Pkw unter den Transportern ist Altmeister und Jungborn zugleich". Von Silberfisch stand da nichts, natürlich nicht. Den Spitznamen verdiente sich der T2 unter Liebhabern, die nichts Anrüchiges dabei fanden. So wie Robert Schirmer, der ihn kurz "Fisch" nennt. Kilometer rechnet der 37-Jährige in "Smiles per hour". Auch und gerade wegen der vielen Marotten. Die teilt der T2 mit „Bulli“, dem Bus aus dem Zeichentrickfilm "Cars", der als Modellauto, von der Sonne ausgebleicht, Insassen vom Armaturenbrett zuzwinkert. Gerade macht der Anlasser Kummer. Mal springt der Fisch an, mal nicht. Egal. Schieben wir halt. Am liebsten natürlich die seitliche Schiebetür. "Spätesten wenn das Schloss klackt, entspanne ich", sagt Robert Schirmer – ein Geräusch wie Campingurlaub. Den er seinem Bulli nie zumuten würde. "Sobald es regnet , nehme ich den Stadtbus."

Peter Weiher ist der Mann, der die Sondermodelle erfand

Nach Jahren des Aufschwungs stagnierte 1967 das Wachstum der jungen Bundesrepublik zum ersten Mal. Ford Köln reagierte darauf mit einem Sondermodell, dem ersten in Deutschland. Erfunden hat es Peter Weiher. Der 71-Jährige leitete von 1964 bis 1967 die Marketingplanung in Köln. Weiher, der ein neunmonatiges Trainingsprogramm bei Ford in Detroit absolviert hatte, guckte sich die bis dahin in Deutschland unbekannte Verkaufsförderung in Amerika ab. "Dort machten Warenhäuser nach Weihnachten den sogenannten White Sale." Weiße Ware wie Bettwäsche und Handtücher sollten in der konsumarmen Zeit das Geschäft ankurbeln. Genau richtig, um in Deutschland 1967 aus der Flaute zu fahren. Der "White Sale" wurde zur "Weißen Serie" – 5000 weiße Ford 17M/20M mit besonderer Ausstattung zum besonderen Preis. Zu den Extras zählten unter anderem vier Gänge, Einzelsitze, Bremskraftverstärker und Steinschlagleisten zum Preis von 7500 statt 7880 Mark. Weiher: "Ich war absolut dagegen, Autos nur über den Preis zu verkaufen. Ein Sondermodell muss einen Mehrwert bieten." So kam der Spruch 1968 zur Einführung der Mehrwertsteuer auch noch in die Werbung.

Von

Margret Hucko