Oldtimer-Import aus den USA
Die grüne Hölle

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Ein Chevrolet Corvair Cabrio sollte es sein. Unbedingt. Fahrbereit und sogar mit Wertgutachten. Altmetall-Profi Jan-Henrik Muche (35) hat alles richtig gemacht. Fast alles. Und trotzdem eine Niete gezogen. Ein Mann sieht Rost. Und stößt auf Gips.
Wie lange mache ich jetzt mit Oldtimern rum? Bald 20 Jahre? Da sollte ich inzwischen die genaue Tiefe einer jeden Fallgrube auf diesem holprigen Geläuf kennen, Rostlöcher auf 100 Meter riechen und vor allem und immer keinem Verkäufer auch nur ein einziges Wort glauben. Sollte ich, habe ich aber nicht! So steht anstelle eines Chevrolet Corvair Convertible nun ein Fass ohne Boden in der Garage, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn wenn ich den Teppich hebe, kann ich ein paar Quadratmeter zementierten Untergrunds sehen. Tja. Und so ging die Story los: Ein klassisches Cabrio muss her, meinten mein Mädel und ich im Sommer 2005, mit vier Sitzplätzen und Raum für den Nachwuchs. Ratschläge gab es reichlich: Mercedes W124 empfahl AUTO BILD-Kollege Karl-August Almstadt. Zum Triumph Vitesse, frühem Elend aus England, riet der nächste. Zum allzu modernen Saab 900 Cabrio der Dritte. Ja, ja, nee, nee – was Luftgekühltes musste es schon sein, also Käfer oder Corvair, passend zum targa-orangefarbenen TT daheim. Immerhin hatte NSU von GM das Design geklaut, nun war die Zeit für das Original gekommen.
1962 der erste Großserienwagen mit Turboaufladung

Ein Traum in Grün mit goldener Innenausstattung
Eines davon sollte meines werden. Ein Jahr dauerte die Suche nach dem passenden Convertible, die in Deutschland erfolglos blieb. Da hatten sich ein paar Anfänger in den USA Schrott andrehen lassen und wollten ihn hier wieder loswerden. Da lachte ich noch – nicht mit mir. Erst im Sommer 2006 endete die Fahndung im Internet. Nach zahllosen Klicks bei Ebay und "stangfan69" in Ashland/Ohio, USA. "1963 Chevrolet Corvair Monza Convertible": ein Traum in Lorbeergrün mit goldener Innenausstattung, weißem Verdeck, mit Vierganggetriebe und "Super Turbo Air"-Motor mit 102 PS im Heck. Eine seltene Kombination und bis auf die zerrissene Armlehne auf der Fahrerseite schön erhalten. Mein Auto! Ich erzählte jedem davon, und jeder winkte ab. Warnte mich. Ungesehen bei den Amis kaufen, das kann nix werden. Da flattern ab 20 Sachen die Schnürsenkel lustig im Wind, weil unterm Lack das Blech so löchrig ist. Die Brüder spachteln sogar marode Ölwannen, so denn überhaupt ein Motor drin ist. Und das Verdeck besteht wahrscheinlich aus Klebeband. Aber alles schien zu passen.
Ein Gutachter muss her
John Heidemann, deutschstämmig, hieß der Mann meines Vertrauens. Täglich schrieben wir uns – wie alte Brieffreunde. John war ein älterer Herr mit Farm, Pferden und Flugzeug, der wegen Umsiedlung seine Sommerliebe samt Wertgutachten inserierte. Ein Gutachten von August 2005, erstellt von Mr. Jason E. Hephner aus Leetonia/Ohio, Mitglied von International Vehicle Appraisers Network, einer Vereinigung von Oldtimer-Fachleuten, unter anderem in der Corvair Society of America organisiert. Mr. Hephner ist ein national anerkannter Fachmann, von Gerichten und Versicherungen akzeptiert. Vielfaches Jury-Mitglied, selbst Oldtimer-Besitzer.
Das Fazit seines Gutachtens las sich wie folgt: "Das Auto ist in einem gepflegten Zustand und scheint einmal einer kosmetischen Restaurierung unterzogen worden zu sein. Das Auto fährt sehr gut. Das äußere Erscheinungsbild ist schön, der Innenraum zeigt Spuren des Alters. Ich konnte keine Schäden feststellen. Das Auto wirkt sehr solide und weist in keiner Weise irgendwelche größeren Rostprobleme auf. Nach eingehender Prüfung schätze ich den Wert des Wagens auf 7550 Dollar." Der Unterboden verdiene Lob, sei doch allenfalls oberflächlicher Rost festzustellen. Spätestens jetzt sah ich mich als formulargläubiger Deutscher auf der sicheren Seite, und allein blieb ich mit diesem Gefühl nicht. Halb Amerika zockte um das Auto mit, das Herz schlug mir bis zum Hals, als ich mein Gebot abgab. Ich siegte. Weit unter dem Limit, aber wir einigten uns. 4500 Dollar zahlte ich blind, aber voller Vertrauen.
Das Fazit seines Gutachtens las sich wie folgt: "Das Auto ist in einem gepflegten Zustand und scheint einmal einer kosmetischen Restaurierung unterzogen worden zu sein. Das Auto fährt sehr gut. Das äußere Erscheinungsbild ist schön, der Innenraum zeigt Spuren des Alters. Ich konnte keine Schäden feststellen. Das Auto wirkt sehr solide und weist in keiner Weise irgendwelche größeren Rostprobleme auf. Nach eingehender Prüfung schätze ich den Wert des Wagens auf 7550 Dollar." Der Unterboden verdiene Lob, sei doch allenfalls oberflächlicher Rost festzustellen. Spätestens jetzt sah ich mich als formulargläubiger Deutscher auf der sicheren Seite, und allein blieb ich mit diesem Gefühl nicht. Halb Amerika zockte um das Auto mit, das Herz schlug mir bis zum Hals, als ich mein Gebot abgab. Ich siegte. Weit unter dem Limit, aber wir einigten uns. 4500 Dollar zahlte ich blind, aber voller Vertrauen.
Bei der Ankunft war die Freude noch groß

Katastrophe, ja. Katastrophe ist das richtige Wort

Aber alles so kunstvoll kaschiert, dass eine richtige Reparatur wohl nur halb so lang gedauert hätte. Das wird teuer. Kosten laut Karosseriebauer: um die 10.000 Euro. O-Ton: "Ist ja nichts übrig." Was blieb, waren ein Wertgutachten und viele Fragen an die Fachleute von I-Van. Eine Spachtel-Krücke mit ausgeschlagener Vorderachse und fehlendem Unterboden mit Note 2 im Gutachten? Vier Wochen brauchte es unter Androhung von Anwälten für dürre Worte: "Es tut mit leid, dass Sie mir Ihrem Auto nicht zufrieden sind. Bei meiner Inaugenscheinnahme waren die reparierten Stellen nicht zu sehen. Unter den gegebenen Umständen war ein anderes Gutachten nicht zu erstellen. Danke, Jason Hephner", schrieb der Gutachter.
US-Bewertungen bleiben "oberflächlich und visuell"

Er hätte auch sagen können: "Ja, wir arbeiten schlampig, aber das machen wir schon immer so. Und bis der Schweller abfiel, sah der Wagen doch gut aus." Verkäufer John Heidemann blieb ähnlich konsterniert zurück: "Ich habe das Gutachten extra für den Verkauf anfertigen lassen. Das Auto hat problemlos eine historische Zulassung erhalten. Sorry, no refund." Die Reaktion von Anwälten: "Zu viel Aufwand für zu wenig Chancen, das Geld zurückzubekommen." Was am Ende bleibt? Ein guter Freund, der in zugiger Scheune mit importierten Blechen meinen Unterboden neu erfindet. Eine Warnung vor I-Van-Gutachten und ähnlichen Dilettanten-Organisationen aus dem Land der Pimp-my-Ride-Gehhilfen. Und 52 US-Cent, gefunden beim Rausreißen der Innenausstattung. Die investiere ich in meinen nächsten Oldie. Aus Deutschland. Mit Gutachten.
Technische Daten 63er Chevrolet Corvair Monza Convertible
Sechszylinder-Boxer im Heck • Hubraum 2372 ccm • 75 kW (102 PS) bei 4400/min • max. Drehmoment 185 Nm bei 3000/min • Vierganggetriebe • Hinterradantrieb • selbsttragende Karosserie• vorn Einzelradaufhängung mit oberem Dreieckquerlenker, unterem einfachen Querlenker, Schubstrebe und Schraubenfeder; hinten Einzelradaufhängung mit Schraubenfedern und Längslenkern • vorn und hinten hydraulische Teleskopstoßdämpfer • L/B/H 4670/1700/1310 mm • Leergewicht 1185 kg • Spitze 150 km/h • 0-100 km/h in 18,1 s • 15,0 l S/100 km • Tankinhalt 53 l • Preis 4500 US-Dollar
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