Keine Zierleiste auf der Fronthaube, kein Chrom im Scheibenrahmen, matte Griffe, Schalter und einfache Türpappen, selbst unterhalb der Heckscheibe ist der Blick frei auf schieres Blech darunter: VW-Standard der 50er. Der Sparkäfer des bunten Wirtschaftswunders trägt überwiegend dunkle Töne, vorzugsweise Grau. Schwer scheint er zu tragen an seiner traurigen Last als "Kraft durch Freude"-Wagen. Das war jener Volkswagen, den das Volk nie bekam. Auch das bisschen Modellpflege bis hierhin reicht nicht aus, die braunen Spuren gänzlich zu verwischen, das spindeldürre Dreispeichen-Lenkrad, die Gummimatten und meistens auch die Radkappen verstecken sich hinter mattem Schwarz.

Der Standard-Käfer spart an Ausstattung, nicht an Qualität

VW 1200 A
Nur nicht auffallen, bloß kein Gerede. Wohl deshalb haben wir ihn in der Ecke des Schulhofs schlicht übersehen, den grauen Standard-Käfer des Heimatkunde-Lehrers, der Mädchen und Jungs noch getrennt unterrichtete. Als wir Stifte und Stents Anfang der 70er halbwegs erwachsen sind, bekennt auch der einfachste aller Käfer Farbe. Für uns Kerle taugt er in Weiß oder Blau, die Mädels favorisieren Müllwerker-Orange und erteilen mit Peace-Aufklebern der Politik eine Abfuhr. Doch die Revolution frisst ihre Kinder und macht auf den Straßen alle gleich: 1973 bekommt auch der einfachste Volkswagen die voluminöse Kastenstoßstange. Es ist wie ein Schlag ins Gesicht der Exportnation, denn schließlich hat die große Mehrheit der treuen VW-Neuwagen-Kunden zu diesem Zeitpunkt fast 1000 D-Mark mehr für den klassischen Export ausgegeben und möchte das natürlich jedem zeigen.

Luxus im Sparkäfer: Zigarettenanzünder und Zweistufen-Gebläse 

VW 1200 A
So ein Export glänzt mit komplettem Chromgeschirr, hat weit mehr Dämmstoff als der olle Standard, ist innen viel feiner unterwegs und überhaupt: Export ist Standard im Deutschland der 70er, nur bekommt das keiner richtig mit. Export-Doppelstoßfänger zum Nachrüsten gibt’s an jeder Ecke, Radkappen-Chrom sowieso. Bis zum Ende der Produktion in Deutschland 1978 hat sich das Käferland bunt vereinigt, es gibt keinen Standard mehr, häufig präsentiert sich ausgerechnet das Sparmodell mit Zubehör-Schnickschnack aufgebrezelt wie ein Zirkuspferd. VW selbst hat ebenfalls alles unternommen, den Standard zu durchbrechen. Mal verliert der 1200er fast alles, sogar den Handschuhfachdeckel (1974), mal gibt es Sparkäfer gleich zweifach (1977), davon einmal sogar als "L" mit (ziemlich wirkungslosem) Zweistufen-Gebläse. Am Ende verlieren Standard wie Export wegen ihrer gemeinsamen Handicaps das vierjährige Golf-Turnier. Zum Abschlag im Werk Emden am 18. Januar 1978 indes trumpft einer wieder auf: Der letzte deutsche Käfer – mit Zigarettenanzünder und abblendbarem Innenspiegel – ist ein Luxus-Standard. Und als 1200 L bis 2003 der Export aus Mexiko.

Plus/Minus

Standard-Käfer, das bedeutet: Käfer fahren pur in aller Konsequenz. Nach dem Motto "Was nicht dran ist, kann auch nicht kaputtgehen" ist er gut für kurzweilige Touren durch die Heimat – Touren ohne Überraschungen. Aber auch Fahrten in aller Bescheidenheit. Der Heiz- und Lüftungskomfort: quasi nicht existent. Die Fahrleistungen sind – wie bei jedem Serien-Käfer – bescheiden, der Verbrauch ist mit 8,5 Litern im Mittel relativ hoch, die passive Sicherheit beschränkt sich auf hoffentlich gut funktionierende Bremsen. Von Exemplaren der uralten Art (Brezel/Ovali) ist wegen der wartungsintensiven Seilzugbremse abzuraten, da sie nahezu wöchentlich justiert werden muss.

Ersatzteile

Fast alles ist noch vorhanden, die Szene ist bestens organisiert. Knapp sind Stoffsitze und gutes Blech. Kotflügel aus Brasilien überstehen kaum einen Winter. Käferprofi Schmidt-Lorenz aus Hamburg rät: "Statt Nachbauten lieber Gebrauchtware kaufen." Mittlerweile knapp: das Spindellenkgetriebe vor Baujahr 61 (neu: 600 Euro); das Rollenlenkgetriebe aus Mexiko gibt es für 135 Euro. Dauer-Ärgernis auch beim Standard: miese Stoßfänger-Nachbauten.

Marktlage

Naturbelassene Standard-Käfer sind seltener als rostfreie Cabrios. Deutlich stärker nachgefragt als mausgraue 50er- und 60er-Jahre-Ware sind die farbigen Standard-Käfer der 70er. Sie kosten im Zustand 2–3 mittlerweile 4000 bis 5000 Euro, können in Einzelfällen auch darüber liegen. Noch sind in ausreichender Anzahl ehemalige Postkäfer aus den 70ern am Markt (mit Sechs-Volt-Elektrik), die meisten Sparkäfer stammen aus den Jahrgängen 1970–72. Extrem selten und sehr gesucht: Standard-Ovali mit Faltdach (bis August 1957).

Empfehlung

Ab Januar 1967 verpasste VW dem einfachen 1200er verchromte Stoßstangen, Radkappen und Zierleisten. Dieses bis 1974 stark nachgefragte Exemplar mit quicklebendigem 34-PS-Motor ist (noch) preiswert zu haben. Der kommende Käfer-Klassiker! 

Historie

VW 1200 A
1938 bis 1949: Produktion des VW 1200 als Standard-Modell.
1949: Produktion des Export-Modells ab 1. Juli, Typ 11 mit 25-PS-Motor von Ende 1945 bis Dezember 1953 als Standard ohne Chrom in Grau oder Schwarz.
1954 bis 1964: Produktion des Standard-Käfers mit 30-PS-Motor, unsynchronisiertem Getriebe und Seilzugbremsen.
1964: Fertigung des VW 1200 A mit 34 PS und synchronisiertem Vierganggetriebe.
1966 bis 1967: VW 1300 A.
1967 bis 1973: Fertigung des VW 1200 "Sparkäfer".
1973 bis 1978: Standard-Käfer mit Kasten-Stoßfängern.

Weitere Klassiker für Knauserer:

BMW 525e

Porsche 924

Mercedes 200 D

Fiat 500 D

$(LB548714:VW Golf I)$

$(LB548673:Opel Kadett B)$

Citroën 2 CV 6

Audi 100 LS

Von

Karl-August Almstadt