Elf Liter Benzin verbraucht Michael Schuncks Langzeit-Beitrag zum Klimaschutz. Es ist sein graugrüner VW Brezel-Käfer, den er vor 58 Jahren als Neuwagen vom Händlerhof fuhr. Sein Alltagsauto, ein Laternenparker. Regelmäßig fährt er mit ihm zum Einkaufen. "Ich schmeiße doch kein funktionierendes Auto weg", sagt der 82-Jährige aus Ludwigshafen am Rhein. Schließlich müsste dann ein neues produziert werden. Ganz anders macht es Manfred Brügner (66) aus Wurmberg bei Pforzheim (Baden-Württemberg). Erst vor gut drei Jahren kaufte er sich einen nagelneuen Citroën C5. Mit Rußpartikelfilter und einem Normverbrauch von sechs Liter Diesel. "Das war eines der ersten Euro-4-Modelle überhaupt", führt er als eines der Kaufargumente an. Auf den ersten Blick sieht der Wurmberger wie der klare Klimaschutz-Sieger aus.

"Der Staat sollte statt des Abwrackens lieber Umrüstungen fördern"

Citroën C5
Aber das täuscht. Denn der C5 ist bereits sein sechster Neuwagen. Den ersten kaufte er vor 37 Jahren. Die Produktion verursache mit allen Lieferketten und der Rohstoffgewinnung in etwa "so viel Kohlendioxid, wie in 3,5 Tonnen Benzin enthalten sind", sagt der Produktdauer-Forscher Walter R. Stahel aus Genf. Also rund 10,4 Tonnen. Die müssen bei der Frage berücksichtigt werden, ob der Neukauf oder das Fahren mit einer vermeintlichen Dreckschleuder die ökologisch bessere Alternative ist. AUTO BILD hat das jetzt nachgerechnet. Lässt man dabei die Gebrauchten in Brügners Autofahrerleben außen vor, lautet das überraschende Ergebnis: Der wahre Saubermann fährt im Kat-losen Käfer von 1951. Mit einem CO2-Ausstoß von 285 Gramm je Kilometer gegenüber 299 beim Neuwagenkäufer. Und das, obwohl nicht ein einziges von Brügners sechs Fahrzeugen in der Praxis mehr verbraucht hat als der Schunck-Käfer.

Abwrackprämie ist ökologisch absurd

Für die Autohersteller ist die Ausweitung der Abwrackprämie ohne Frage ein lohnendes Verkaufsprogramm. Und sie rettet sicher den einen oder anderen Arbeitsplatz. "Doch ökologisch gesehen ist die Prämie kontraproduktiv", so Stahel. Ginge es nach ihm, würden für die 1,5 Milliarden Euro plus der gerade beschlossenen Aufstockung besser Altfahrzeuge mit moderner Einspritztechnologie, leichteren Bauteilen und Katalysatoren ausgestattet. Das schone viel mehr Ressourcen, verhindere den Ausstoß gefährlicher Abgase Kat-loser Autos und sichere zusätzliche Arbeitsplätze. Nicht an den Bändern der Hersteller – aber bei Zulieferern und in Werkstätten.

Reparatur statt Neukauf

Weil die menschliche Arbeit am Band nur 15 Prozent der Kosten ausmache, die in Werkstätten aber rund die Hälfte, lautet eine weitere von Stahels Empfehlungen: Das Auto immer reparieren lassen. Denn "für ein neues brauche ich eine Tonne Stahl, für einen neuen Zylinderkopf gerade mal 20 Kilogramm". Einleuchtend. Aber finanziell schmerzhaft, wie Brügner im vergangenen Winter zu spüren bekam, als der C5 einen 6000 Euro teuren Motorschaden erlitt. Weil es aber "ein gut ausgestattetes und bequemes Auto mit gut zugänglichem Kofferraum" ist, ließ ihn Brügner reparieren. Und handelte damit ganz im Sinne des Klimaschutzes. Wirtschaftlicher wäre womöglich ein Neuwagen gewesen. Zumindest in Zeiten des staatlich unterstützten Autokaufs.

Stahels Nachhilfe in Nachhaltigkeit

Ressourcen schonen und gleichzeitig Arbeitsplätze schaffen – das klingt unmöglich. Doch genau dieses Ziel verfolgt Walter R. Stahel seit den 70er-Jahren. Seit der Gründung seines Instituts für Produktdauer-Forschung in Genf im Jahr 1982 erklärt er Unternehmen aus aller Welt, dass Nachhaltigkeit nicht nur der Umwelt nützt, sondern auch wirtschaftliche Vorteile sichert. Mit Erfolg: Einen namhaften Druckerhersteller überzeugte er zum Beispiel davon, wesentliche Bauteile der vom Kunden zurückgegebenen Geräte wiederzuverwenden. Das spart Rohstoffe, schont die Umwelt und schafft neue Jobs in der Aufbereitung. Das Prinzip des Ressourcen schonenden Umgangs hat sich Stahel auch privat zu eigen gemacht: Er fährt seinen 1969 neu gekauften Toyota Corona noch heute.

Fazit

von

Roland Niederlich
Neuwagenkauf ist noch lange kein Klimaschutz. Erst nach über 300.000 Kilometern verbessern wir damit die CO2-Bilanz – falls der Neue nicht nur im Prospekt, sondern auch auf der Straße mindestens einen Liter weniger verbraucht als der Alte.

Von

Roland Niederlich