Selbst Markenhändler und Gutachten schützen beim Klassikerkauf nicht immer vor bösen Überraschungen, wie der Fall von Michael Hundertmark beweist. Er will beim Kauf seiner Mercedes-Benz Pagode (W 113) auf Nummer sicher gehen und fährt zum Mercedes Classic Center Hannover. Classic Data dokumentiert im Gutachten für den 280 SL die Zustandsnote "1-".

Käufer zahlte 150.000 Euro für Blender-Pagode

Diese Pagode ist ein Blender!
Classic Data dokumentiert im Gutachten für den 280 SL die Zustandsnote "1-".
150.000 Euro lässt sich der 53-Jährige den 280 SL (Baujahr: 1968) kosten. Die Anzeige des Autohauses wirbt so: "Hier fiel die Entscheidung nach der kompletten Zerlegung zugunsten eines sehr umfangreichen Programms aus: Karosserie, Motor, alle Aggregate, Getriebe, Vorder- und Hinterachse, sämtliche Chromteile, Innenausstattung, Verdeck – alles wurde berücksichtigt." Ebenfalls wichtig für Hundertmark: Die Pagode verfügt – davon geht er zumindest aus – über Matching Numbers. Im Fahrzeug befänden sich demnach immer noch der Motor und das Getriebe, mit denen der 280 SL vom Band gelaufen war. Nach sechs Wochen bemerkt der neue Besitzer Rostbefall an den Stahlfelgen. Zudem gibt es Probleme mit zu hohem Standgas. HK-Engineering in Berlin schaut sich den Wagen an. Der Oldtimer-Spezialist findet heraus, dass der Motor nicht zur Fahrgestellnummer passt. Neben Unstimmigkeiten bei der Nockenwellenkennzahl entdecken die Fachleute zudem eine zusätzlich zwischen Motor und Getriebe montierte Ölwanne. Auch die Elektrik der Einspritzpumpe soll nicht korrekt arbeiten.

280 SL mit Zustandsnote 1- von "Classic Data"

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Hat den Gutachter nicht gestört: Die zusätzliche Wanne soll Öl auffangen – mit Hilfe von Damenbinden.
Bei einer ausführlichen Begutachtung im Mercedes Oldtimer Park in Walsrode wurde festgestellt dass das Fahrzeug nicht komplett zerlegt worden ist. Zudem wird Korrosion im Kofferraum und an mehreren Stellen im Bereich der Karosserie und der Aggregate festgestellt. Den Kofferraumboden hat das Classic Center mittlerweile ebenso wie das undichte Kaltstartventil und die Felgen instandgesetzt. Der Motor läuft Hundertmark zufolge allerdings noch nicht rund, die Rostproblematik bestehe weiter. Der Geschäftsmann und das Autohaus haben sich vor dem Landgericht Hannover getroffen, konnten sich aber auf keinen Vergleich einigen. Hundertmark klagt auf Erstattung des Kaufpreises und will den Mercedes zurückgeben. Der Wagen entspreche wegen der nicht erfolgten Komplettzerlegung nicht den Angaben des Verkäufers. Hundertmarks Anwalt sieht schon wegen der fehlenden Matching Numbers einen Grund, um den Kaufvertrag zurückabzuwickeln. Der Händler bestreitet, die Pagode mit Matching Numbers beworben zu haben. Die verbaute Nockenwelle sei laut Tabellenbuch korrekt, ebenso sei die Elektrik der Einspritzpumpe einwandfrei verbaut worden. Nun streitet sich Hundertmarkt mit dem Autohaus, das ihm die Pagoden-Grotte verkaufte, vor Gericht. Der zuständige Richter hat jetzt ein Sachverständigen-Gutachten in Auftrag gegeben.

Zweiter Fall: Mercedes 560 SL – 15.000 Euro an Reparaturen fällig

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Thomas Müller ersteigert den Mercedes 560 SL (Baujahr 1987) aus Florida für 7500 US-Dollar via Ebay
Thomas Müller ersteigert den Mercedes 560 SL (Baujahr 1987, R 107) aus Florida für 7500 Dollar via Ebay. Dazu kommen Kosten für Spedition und Zoll – insgesamt rund 10.000 Euro sind für den Traumwagen fällig. Dieser entpuppt sich bei der Lieferung allerdings als Alptraum: Überlackiertes Klebeband verdeckt Rostlöcher in den Kotflügeln, zudem massive Korrosion im Unterbodenbereich. Der V8-Motor, der im Internet noch wie geleckt aussah, erweist sich als völlig verdrecktes Triebwerk, das zudem nicht auf allen Töpfen läuft. Luftfilterkasten und andere Teile fehlen. Windschutzscheibe und Armaturenbrett sind gerissen, Holzverkleidungen beschädigt, die Sitze sind genau wie der Auspuff und das Verdeck hinüber. Etwa 15.000 Euro muss Müller in das Wrack reinstecken, um es in ein verkehrstaugliches und optisch halbwegs ansprechendes Fahrzeug zu verwandeln. Auch neue Bremsen werden fällig. Juristisch will er gegen den Verkäufer nicht vorgehen. Auf einem anderen Kontinent erfolgreich zu klagen, hält er für aussichtslos. Wir kontaktieren den Anbieter, der den Wagen angeblich privat verkauft hat. Seine Reaktion: Müller hätte nach Florida kommen und sich den 560 SL anschauen können. Für den Preis von 7500 Dollar bekomme man halt kein wirklich gutes Auto.

Dritter Fall: Fiat 500 entpuppt sich als Mängelriese

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9800 Euro hat der Uwe Tallig für den Fiat 500 mit 18.713 Kilometern hingeblättert (Note "2" laut Dekra).
Nach 160 Kilometern fängt für Uwe Tallig der Ärger an: Der Schalthebel des Fiat 500 von 1972 beginnt im vierten Gang heftig zu schlagen, der Motor läuft nicht rund. Doch 9800 Euro hat der Rentner aus Pattensen für den kleinen Italiener mit 18.713 Kilometern hingeblättert (Note "2" laut Dekra-Bewertung). In der Online-Anzeige war von "Neuwagenzustand" und "TOP restauriert incl. Motor Revision" die Rede. Doch die Werkstatt stellt fest: Das zerschlissene und nur mit Silikon abgedichtete Getriebe stammt von einem Fiat 126, der Motor von einem 600er. Die Kolben wurden falsch montiert, der Vergaser ist fehlerhaft, die Benzinpumpe arbeitet nicht korrekt. Nach und nach wird deutlich: Dieses Fahrzeug ist aufs Übelste zusammengeschraubt worden. Tallig verklagt den Verkäufer. Doch mehr als ein Vergleich und 2000 Euro sind nicht drin. Denn der 70-Jährige hatte es versäumt, dem Verkäufer die Chance zur Mängelbeseitigung zu geben. 17.200 Euro hat Tallig das Fiat-Abenteuer bisher gekostet. "Je weiter man gräbt, umso mehr wird man fündig!"

Bildergalerie

Diese Oldies sind Blender
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Diese Oldies sind Blender
Kamera
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Fazit

von

Jochen Wieloch
Viele Käufer sind zu gutgläubig, vertrauen blind auf Händler-Zusagen und Gutachten. Damit es kein böses Erwachen gibt: Zwingen Sie sich zu maximaler Rationalität. Holen Sie eine zusätzliche Expertise ein. Und kaufen Sie nur einen Oldie, den Sie selbst gesehen haben. So wird das Risiko kalkulierbar.

Von

Jochen Wieloch