Wir geben kleinlaut zu, dass es ein bisschen frustrierend ist, an diesem Wochenende auf der hügeligen Monterey-Halbinsel zu sein, die südlich von San Francisco in den Pazifik ragt. Zum Beispiel gab es in Carmel, dem schicken Nachbarort von Monterey, am Freitag abend den notorischen Stau Downtown, der mehrheitlich aus Lamborghini, Ferrari, Pagani-Zonda, Bentley, Rolls-Royce, Viper, Bugatti, Aston Martin etc. besteht. Gar nichts offiziell und organisiert, alles Privatleute, die bloß auf der Suche nach einem Parkplatz fürs Abendessen sind. In jedem Auto unter einem Cadillac oder einer Mercedes S-Klasse fühlt man sich irgendwie, nun ja, bäh.

Rekordpreis: Bieterschlacht um Ferrari 275 GTB/4

Trip nach Monterey Pebble Beach!
Schneller Schönling: Shelby Cobra Daytona Coupé von 1965
Die Monterey Car Week ist weltweit die größte Veranstaltung für Auto-Enthusiasten der nobleren Sorte. Viele kommen mit ihrem Privatjet, ihre Autos wurden zuvor von Lkws angeliefert, so dass die kuriose Situation entsteht, dass auf dem Airport von Monterey der Parkraum für Flieger knapp wird. Monterey ist alljährlich im August der wichtigste US-Treff, um zu zeigen, was man so in der Garage und damit auf dem Konto hat. Und das ist eine Menge. In den größten Automarkt der Welt strömten natürlich große Mengen der feinsten jemals gebauten Automobile, manche Autofirmen würden ohne das Geld Amerikas vermutlich gar nicht existieren, Porsche, Jaguar, Ferrari, Lamborghini sind erste Kandidaten dafür. Logisch also, dass das bedeutendste Auto-Fest der Welt in den USA gefeiert wird. Aber ausgerechnet Monterey? Nichts gegen dieses zauberhafte Städtchen mit dem noch netteren Carmel nebenan, aber das Wetter! Wenn man Glück hat, sind tagsüber ein paar Sonnenstunden zu vermelden, die aber stets bedroht sind von gewaltigen Nebelmassen, die regelmäßig vom kalten Pazifik übers Land ziehen. Also immer hübsch Pullover und Jacke dabei haben.
Trip nach Monterey Pebble Beach!
Alfa 1900C als SS im Ghia-Kostüm, ein Unikat!
Was also war und ist los hier, in dieser knappen Woche vom 13. bis 19. August? Am 13. (Dienstag) fand zum Aufwärmen in Sachen Schönste Autos der Welt bereits der “Concours on the Avenue”, ein Auto-Schönheitswettbewerb in Carmel statt. Am Mittwoch eine Rallye, na ja, nennen wir es Ausfahrt, für Oldtimer. Im Vorort Pacific Grove gab es eine Car Show. In Carmel bei der alten Missionskirche einen weiteren Schönheitswettbewerb und die erste der fünf großen Auto-Auktionen begann: Bonhams in der Quail Lodge, einem mondänen Golf-Resort. Donnerstag: Vier große Auktionen. Außerdem die Tour d’Elegance, eine längere Ausfahrt der Kandidaten der Hauptveranstaltung des Wochenendes, dem Concours d’Elegance am Pebble Beach, bei dem am Sonntag die tollsten Autos der Automobilgeschichte überhaupt bewertet werden – wir sind dabei. Manche sind allerdings zu kostbar, um sie dieser Rallye auszusetzen, aber erstaunlich viele machen doch mit. Schließlich beginnt ein Filmfestival, bei dem es sich nur um Autos dreht.
Freitag fanden vier Auktionen (Russo and Steele, RM, Mecum, Bonhams) sowie der Concorso Italiano statt, ein riesiges und ziemlich elitäres Treffen der italienischen Klassiker, vornehmlich Ferrari-Maserati-Lamborghini-Alfa-Lancia. Die deutschen Nobel-Klassiker sind nicht weniger prominent vertreten bei der Konkurrenzveranstaltung namens "Legends of the Autobahn".

Raritäten auf der "Quail"

Trip nach Monterey Pebble Beach!
Auch beim "Quail" gesehen: Bugatti Type 57G "Panzer", dahinter ein Veyron gleicher Farbgebung.
In Pacific Grove gab's eine weitere Klassiker-Rallye, auf der Rennstrecke von Laguna Seca (15 km entfernt) die Trainingsläufe für die Oldtimer-Rennen und der wichtigste Event des Tages auf dem Golfplatz von Quail: “The Quail, A Motorsport Gathering” (natürlich mit Schönheitswettbewerb). Davon zahlreiche Bilder in unserer Galerie . Samstag fanden vier Auktionen, (jetzt neu dabei Gooding, dafür ist Bonhams schon fertig), Rennen in Laguna Seca mit der Feier zum 60. Geburtstag der Chevrolet Corvette, ein Ferrari-Treffen in Carmel und als humoriges Highlight der Woche, das Kontrastprogramm zu all den Schönen, Edlen und Teuren: Der Concours d’LeMons, ein Schönheitswettbewerb, bei dem es um die scheußlichsten Autos aller Zeiten geht. Auch die zeigen wir. Sonntag findet das Highlight statt: Der legendäre Concours d’Elegance auf dem Golfplatz von Pebble-Beach. Außerdem Rennen in Laguna Seca und noch eine Auktion. Wir sind dabei – und zeigen die Highlights der Reichen und Schönen (wegen den neun Stunden Zeitunterschied!) am Montag Vormittag.

Top-Events am Samstag: Ein Besuch des Concours d’LeMons

Trip nach Monterey und Pebble Beach!
Der Biscooter bekam den Piece-of-Shit-Award. Armes Notwägelchen.
Die Welt ist manchmal ein bisschen verrückt, heute lieferte sie ein gutes Beispiel dafür ab. Denn vor zwei Jahren gewann ein 1935er Voisin C25 Aérodyne den mit Abstand bedeutendsten Schönheitspreis für Automobile beim Pebble Beach Concours d’Elegance, heute bekam ein Voisin Biscooter den Preis für das hässlichste Auto aller Zeiten, den Piece of Shit-Award des Concours d’LeMons in Seaside, nur zehn Kilometer vom Pebble Beach entfernt. Man kann auch sagen, dass diese beiden Fahrzeuge die Spannbreite des exzentrischen französischen Konstrukteurs Gabriel Voisin darstellen. Der Aérodyne eine extravagant-flamboyante Luxuskarosse (die übrigens morgen bei Gooding & Company bei einer Auktion versteigert wird, Schätzpreis drei Millionen Dollar), der Biscooter dagegen ein ärmlich-erbämliches Notfahrzeug mit Mopedmotor, der an einen Krankenfahrstuhl erinnert. Aber wir wollen nicht ungerecht sein. Er erschien im Jahr 1949. Europa lag in Trümmern, niemand hat Geld für mondäne Repräsentationsautos. Der Biscooter war also völlig marktgerecht. Trotzdem wollten ihn die ästhetisch sensiblen Franzosen nicht kaufen. Erst als Voisin die Lizenz für die Konstruktion nach Spanien verkaufte, liefen die Geschäfte. 12.000 Stück gingen an die Iberer, und der alternde Voisin hatte seine Rente sicher.


Aber was ist denn bitte der Concours d'LeMons?

Trip nach Monterey und Pebble Beach!
Elektro-King: Fährt soweit das Kabel reicht...
Erstmal ein völlig falsch geschriebener Begriff. Es ist ein Verulkung von Le Mans, denn vom gleichen Organisator gibt es auch eine Rennserie, die 24 Hours of LeMons für Autos, die maximal 500 Dollar kosten dürfen (ein Riesenerfolg in den USA), gleichzeitig heißt Lemon natürlich Zitrone. Beim Schönheitswettbewerb geht es also um die Zitronen der Autogeschichte, er ist eine Karikatur der meist allzu wichtig genommenen Edelveranstaltungen wie Villa d’Este, Schloss Dyck oder vor allem Pebble Beach. Hier wird nicht Champagner geschlürft, hier wird Dosenbier getrunken, und es wird nicht etepetete geguckt, hier wird gejuxt und gefeixt, und hier ist es ausdrücklich erwünscht, die Autos anzugrabschen. Dennoch war der diesjährige LeMons-Wettbewerb ein bisschen enttäuschend, denn viele der Teilnehmer haben den Geist der Veranstaltung nicht richtig begriffen. Da waren zahlreiche eigenhändig aufs schlimmste verunstaltete Serienautos dabei, etwa ein Lincoln mit Pferdefell und einem Pferdekopf auf dem Dach oder einfach nur rostige, verwahrloste aber eigentlich wunderbare Autos wie ein Porsche 356 oder ein Rolls-Royce Silver Shadow.

Scheunenfunde? Können wir auch: hier.

Volltreffer waren hingegen ein Peel Trident oder der Elektro-King, ein skurriles Elektroauto der 60er, auch ein Citroën Méhari mag durchgehen, und natürlich ist für amerikanische Augen ein Citroën Döschewo ein fremdartiges Unding von Automobil. Wir Europäer sind aber so vertraut mit dem Ding, dass wir es schon wieder klasse finden.
Der Voisin Biscooter ist immerhin ein würdiger Sieger, er hätte auch den Preis für das am meisten rauchende Fahrzeug verdient, denn beim Starten des 125-Kubik Zweitakters hat er den ganzen Laguna Grande Park eingenebelt, der normalerweise im Griff der lokalen Entenpopulation ist, die den Rasen dem Geist der Veranstaltung angemessen flächendeckend vorab mit Kot dekoriert hat.

Besuch bei der Rolex Monterey Motorsports Reunion

Es ist die amerikanische Variante des Oldtimer Grand Prix auf dem Nürburgring, allerdings auf der wunderbar in die Hügel eingebetteten Rennstrecke von Laguna Seca. Diesmal wurden 60 Jahre Chevrolet Corvette und 50 Jahre Porsche 911 gefeiert, mit entsprechend starken Starterfeldern in den Corvette- und Porsche-Klassen, nicht zuletzt weil beide Werke auch ihre Schatzkammern öffneten und seltene Modelle ans Licht Kaliforniens holten. Porsche schrieb extra den Weissach-Cup für eine 911-Klasse aus und brachte selbst den 935 “Baby” von 1977 (nur 1400 Kubik Hubraum, trotzdem 370 PS dank Turbo, Jacky Ickx siegte damit in Hockenheim), den 935 “Moby Dick” (der stärkste aller 935-Rennwagen mit 3200 Kubik und 845 PS, Spitze knapp unter 400 km/h) und einen Martini RSR von 1971 mit. Auch BMW war stark vertreten mit diversen M1 und einem 3.0 CSL, gefahren von Ludwig Willisch, dem BMW-Chef in Nordamerika.
Der unbedarfte Zuschauer ist ja immer wieder überrascht, wie die Oldies bei diesen Veranstaltungen ans Limit getrieben werden, und was für beachtliches Talent manche Amateur-Driver besitzen. Man sieht und spürt, dass sie es wirklich können. Gerade in der berühmten Corkscrew-Kurve, die eine der schwierigsten und spektakulärsten Biegungen im Rennsport überhaupt ist. Und was ist noch das Gute am klassischen Rennsport? Er zeigt die Wurzeln der heutigen Formel 1, Langstrecken-WM und Tourenwagen-Rennen wie DTM oder WTCC auf, wie primitiv alles mal war und in welche technologischen Höhen wir uns aufgeschwungen haben. Also wie wir durch unermüdliches Nachdenken und Aufbauen auf dem Erreichten eine immer größere technische Komplexität und Raffinesse zu beherrschen lernten. Das Wunder des menschlichen Geistes, bei solchen Veranstaltungen spürt man es. Auch das Rennen in Laguna Seca finden Sie in der Galerie.