Was haben das tapfere Schneiderlein und der Renault 16 gemeinsam? Antwort: ihr Motto – sieben auf einen Streich. Beim Schneider sind es die Fliegen. Bekannt – und doch ein Märchen. Der Renault ist dagegen sieben Autos auf einen Streich. Nicht so bekannt, aber die Wahrheit. Sein Trick steckt in den Sitzen. Da können Lehnen flach gelegt werden oder nur schräg gestellt, da schwebt die Rücksitzlehne unter dem Autohimmel, oder die komplette Fondbank wandert in die Garage. Ergibt sieben verschiedene Stellungen: Normal (im Alltag), Départ en Vacances (im Urlaub), Transport d’Objects Encombrants (für große Gegenstände), Transport Exceptionnel (für Sperrgut), Mamman (mit Baby), Rallye (zum Entspannen) und natürlich Couchette (zum Kuscheln).
Renault 16
Très chic: abgesteppte Polster unter der Windschutzscheibe.
Ähnlich vielseitig sind heute nur noch Schweizer Taschenmesser oder iPhones. Und beide haben einen Nachteil: Mit ihnen kann man nicht fahren. Es erübrigt sich an dieser Stelle zu erwähnen, dass auch der Renault daunenweich über die Straßen rollt. Und doch fühlt es sich anders an als zum Beispiel in einem Peugeot 404, der als Schaukelpferd nur schwer zu übertreffen ist. Renaults Nummer 16 schwingt tatsächlich noch eleganter, taucht tiefer in die Federn ein, fühlt sich fast an, als würde er wie eine riesige Marionette an langen Fäden aufgehängt zum Ziel getragen. Dabei legt er sich in die Kurve, dass dem Zuschauer angst und bange wird. Völlig unbegründet. Dieser Franzose bleibt stets so lammfromm wie ein neugeborenes Merinoschaf.

Die rollende Gelassenheit: Renault R4

Renault 16
Die Idee der schrägen Heckklappe übernahmen später Passat und Co.
Bleibt nur eine Frage: Wie kann ein sanftes Auto so klappern? Gab es damals im Renault-Werk Sandouville bei Le Havre keine Qualitätskontrolle? Erst eine besondere Fahrwerkkonstruktion ermöglicht übrigens den himmlischen Komfort auf Erden: Hintereinander angebrachte Torsionsstäbe – statt üblicherweise nebeneinander – schaffen Raum für ellenlange Federstäbe und Stoßdämpfer. Ganz nebenbei ergibt sich durch diese Konstruktion eine Besonderheit: rechts und links unterschiedliche Radstände. Unter der Haube vorn wagte Renault eine weitere Neuerung: ein Vierzylinder komplett aus Aluminium. 55 PS sind aus heutiger Sicht nicht atemberaubend. Aber es reicht zum Genießen der sanften Tour und lässt dem Fahrer genug Zeit, die Gänge am Lenkradschalthebel zu sortieren. Das Maschinchen dreht munter hoch, klingt dabei wie eine verstopfte Blechdose – und verbraucht im Testmittel nur 8,9 Liter auf 100 Kilometer.

Fazit

von

Andreas Borchmann
Der Renault 16 war das wohl fortschrittlichste Auto seiner Zeit: flexibel, komfortabel und ultramodern konstruiert. Später übernahmen Passat und Co viele Ideen der schrägen Limousine aus Frankreich – zum Beispiel die Heckklappe. Schade nur, dass dieser Typ so nachlässig zusammengesetzt wurde. Denn Rostschutz war in den 60ern nur ein Wort.

Von

Andreas Borchmann