Der Mercedes 190 Evo II fährt nicht so brutal, wie er aussieht
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Nur 502 Mal gebaut und über 200.000 Euro teuer: Der Evo II ist die brutalste Ausbaustufe des Mercedes 190 E. Doch er fährt nicht so sportlich, wie er aussieht!
Bild: AUTO BILD
Der Mercedes 190 E 2.5-16 Evolution II – oder kurz 190 Evo II – ist eine Legende! Kein anderer 190er sieht brutaler aus, kein anderer ist teurer. Modelle mit weniger als 10.000 Kilometern kosten über 400.000 Euro, und Experten prophezeien dem Evo II weiteres Wertsteigerungspotenzial. AUTO BILD durfte die Nummer 99 von 502 gebauten Evo 2 fahren!Mercedes-Spezialist Mechatronik hat gleich mehrere 190 Evo II vorrätig, darunter ein Fahrzeug mit jungfräulichen 9307 Kilometern für 417.600 Euro. Ein unglaublicher Preis, schließlich reden wir hier immer noch über einen W 201, der mehr als 1,8 Millionen Mal gebaut wurde. Gepflegte Standardversionen gibt es bereits für ein paar Tausend Euro. Wieso ist der Evo II also so teuer?
Das macht den Evo II so besonders
Als echtes Homologationsmodell sieht der 190 Evo II tatsächlich aus wie der DTM-Rennwagen.
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Dafür gibt es mehrere Gründe! Erstens: Der Evo II ist alles andere als Standard. Das dürfte auch Laien beim Anblick des Bodykits samt XXL-Heckflügel klar werden. Zweitens: Vom 190 E 2.5-16 Evolution II wurden insgesamt nur 502 Stück gebaut, er ist also extrem selten. Drittens: Mit einem Preis von 115.259 D-Mark war er als Neuwagen rund drei Mal so teuer wie ein 190er von der Stange. Und viertens: Es ist eines der letzten Homologationsmodelle von Mercedes, abgesehen vom CLK GTR. (Der Nachfahre: Mercedes CLK DTM Coupé im Test)
Es gibt viele Gründe, die den (nur im Baujahr 1990 produzierten) Evo II zu einem ganz besonderen Fahrzeug im Mercedes-Portfolio machen – und die den enormen Wertzuwachs über die Jahre zumindest im Ansatz erklären. Optisch wirkt der Evo II tatsächlich wie vom anderen Stern. Die ausgestellten Radhäuser und die ausziehbare Frontlippe werden allerdings vom charakteristischen Heckflügel in den Schatten gestellt. Der Evo II sieht tatsächlich aus, als käme er direkt von der Rennstrecke.
Evo II sind keine Schnäppchen
Der Frontsplitter lässt sich manuell ausziehen. Doch Vorsicht: Es gibt keine Ersatzteile mehr!
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Da geht es heute nicht hin, die Landstraßen rund um Stuttgart tun es auch. Kurz vor der Abfahrt wird mir noch mit auf den Weg gegeben, dass ich das hydropneumatische Fahrwerk besser nicht auf die tiefste Stellung herablasse, um den Frontsplitter nicht zu gefährden. Evo II-spezifische Karosserieteile sind heutzutage nämlich kaum noch zu finden. Beruhigend. Bei dem Testwagen handelt es sich übrigens nicht um den über 400.000 Euro teuren Evo II mit nur 9000 Kilometern, sondern um einen weiteren Evo II aus der Sammlung von Mechatronik. Ein Modell mit rund 74.000 Kilometern, das allerdings picobello gepflegt und auch deutlich über 200.000 Euro wert ist.
Taxi-Flair im Innenraum des 190er
Taxi-Flair im Cockpit. Ein paar mehr spezifische Bauteile im Innenraum hätten dem Sondermodell gutgetan.
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Schon vor der Abfahrt gibt es eine kleine Enttäuschung. So brutal der Evo II von außen ist, so bieder ist er im Innenraum. Außer Zusatzinstrumenten für Öltemperatur und Batteriespannung herrscht Großserienflair im 190er. Statt schwer entflammbaren Schalensitzen gab es vor 30 Jahren elektrisch einstellbare Ledersessel. Geschüsseltes Lenkrad? Gibt es nicht. Leer geräumter Fond? Fehlanzeige. Hosenträgergurte? Nope! Stattdessen versprühen Lenkrad und Armaturen Taxi-Flair. Immerhin hat der Evo zwei coole Details: Neben dem Lichtschalter befindet sich der Knopf für das hydropneumatische Fahrwerk, das sich vor Hindernissen um bis zu 30 Millimeter anheben lässt oder für ein besonders sportliches Fahrverhalten um 15 Millimeter absenken lässt. Ebenfalls erwähnenswert ist der Gangwahlhebel. Nicht nur, da es sich um ein Dogleg-Getriebe mit erstem Gang unten links handelt, sondern auch weil alle Evo II durchnummeriert ausgeliefert wurden. Wir sind mit Nummer 99/500 unterwegs. (Exklusiv: Erster Test des Mechatronik Project 107)
* Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und zu den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen und gegebenenfalls zum Stromverbrauch neuer Pkw können dem "Leitfaden über den offiziellen Kraftstoffverbrauch" entnommen werden, der an allen Verkaufsstellen und bei der "Deutschen Automobil Treuhand GmbH" unentgeltlich erhältlich ist www.dat.de.
Dass der Evo II seit 2020 offiziell ein Oldtimer und H-Kennzeichen-berechtigt ist, ist bei der brutalen Optik kaum zu glauben. Aus diesem Grund lasse ich es auf der Probefahrt aber auch sachte angehen. Zwar braucht der 2,5-Liter-Vierzylinder (M 102) mit zwei Metall-Kats, laut Berichten aus dem Jahr 1990, ordentlich Drehzahl, um die maximale Leistung abzurufen – doch den Drehzahlbegrenzer (bei 7700 U/min) möchte ich dem Sammlerstück heute nicht zumuten.
2,5-Liter-Vierzylinder mit 235 PS
Die Probefahrt im Evo II war ein besonderes Erlebnis und zeigt, dass es nicht immer ums Schnellfahren gehen muss.
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Zumal der Evo II mit seinen 235 PS und 245 Nm maximalem Drehmoment, gemessen an heutigen Kompaktsportlern, nicht besonders schnell ist. Ganz anders: die original DTM-Wagen. Die holten mit Vierventiltechnik 370 PS aus dem 2,5-Liter-Vierzylinder, die Maximaldrehzahl lag bei 9500 U/min. Bei unter einer Tonne Leergewicht waren Geschwindigkeiten von bis zu 300 km/h möglich. Davon ist das straßentaugliche Homologationsmodell weit entfernt. Doch es geht auch nicht immer ums Schnellfahren. Die Probefahrt ist trotzdem ein besonderes Erlebnis. Die anderen Verkehrsteilnehmer schauen teilweise verdutzt, und ich kann mir gut vorstellen, was einige Unwissende denken: Was hat der Typ sich denn da für eine Frittentheke an seinen biederen Benz gebastelt?
Kenner, die einen echten Evo II auf den ersten Blick erkennen, starren bewunderungsvoll. Zu Recht! Denn der 190er ist neben dem CLK GTR das letzte echte Homologationsmodell von Mercedes. Mehr Rennstrecken-Optik geht nicht – und dass er nicht ganz so sportlich fährt, wie er aussieht, verzeihe ich dem 30 Jahre alten 190er locker.