Die meisten aktuellen Fahrer eines BMW der Baureihe E28 saßen allenfalls hinten als Kind in diesem 5er. Vorn saß nämlich der Gar-nicht-mal-so-schlecht-Verdiener-Papa und gab gern mal mehr Gas als nötig. Einfach, weil es Spaß macht.
Bild: A. Perkovic
Schöne Sätze drechseln konnten die Kollegen aus den Presseabteilungen schon vor Jahrzehnten: "Die 5er-Reihe spricht den aktiven Fahrer an, der das Heute und das Morgen in fortschrittlicher, hochwertiger Technik und Qualität bei angemessener Größe und anspruchsvoller Ausstattung sieht. Sie beweist, dass hohe Fahrleistungen nicht im Widerspruch zur Wirtschaftlichkeit stehen müssen", so lautet der erste Absatz der Pressemappe zum 1986er Jahrgang des BMW 5er. Anlass hierfür war der neu ins Programm gekommene 524d, dem ein eher phlegmatischer, weil nicht turbogestählter Sechszylinder-Diesel mit 86 PS nicht wirklich nennenswert Beine machte. Ein 5er ohne jede dynamische Ambition, der die nach dem E12 zweite Generation nach unten ausweitete und sie zum Beispiel für Aufsteiger vom 3er erschwinglich machen sollte. Die Musik spielte natürlich anderswo. Und damit sind nicht Nena, Trio, Peter Schilling oder Markus gemeint, die die bürgerliche Mitte mit Gaga-Texten und schrillem Outfit plätteten. "Ich geb Gas, ich will Spaß", sang dieser Markus etwa 1982. Das passt zum 5er wie die Piloten-Sonnenbrille auf die Fahrer-Nase.
Der E28 trug noch eine klare Kante, mit dem Nachfolger E34 ging es dann rund.
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Denn BMW steht für Bayerische Motoren Werke. Und diesem Namen musste ein BMW traditionell alle Ehre machen, sollte er bei den Freunden der Marke ankommen und sie davon abhalten, ihr nächstes Auto bei Mercedes oder gar Audi zu kaufen. So richtig BMW war und ist der 5er nur mit sechs Zylindern. Das wusste auch Oberinspektor Stephan Derrick, einer der treuesten BMW-Fahrer der Fernsehgeschichte. Egal, ob er den legendären Satz "Harry, hol schon mal den Wagen" wirklich zu seinem von Fritz Wepper gespielten Assistenten Klein gesagt hat oder nicht: Gemeint war immer ein BMW. Erst der 5er der zwischen 1972 und 1981 gebauten Reihe E12, die Paul Bracq so filigran, fast verletzlich gezeichnet hatte. Dann der durch das wuchtige Heck stämmigere, vor allem mit dem tieferlegenden M-Technic-Sportfahrwerk muskulös auftretende E28, ehe das dynamische Ermittler-Duo in die 7er-Reihe aufsteigen durfte.
Damals gerne genommen: M-Technic-Heckspoiler und M-Logo.
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Automatik und C-Netz-Autotelefon waren Standard für Oberinspektor Derricks Dienstwagen. Mit denen rollte er zumeist in die feinen Münchener Villenviertel, betrachtete mit traurigen, wissenden Augen die Hausherrin im Rollstuhl und die Leiche auf der feinen Auslegeware im grässlich mit Nippes vollgestellten Salon, und stellte dann mit ruhiger Hand den Mörder. Erst sonntagabends, von 1978 bis zu Derricks spätem Ende 1998 freitagabends zur besten Sendezeit. 1998, da taumelten E28 aus den ersten Baujahren längst im Nirgendwo der Autogeschichte. Für die Mehrheit zu jung zum Liebhaben und zu alt, um artgerecht gehalten und gepflegt zu werden. Vergessen von den meisten, runtergeritten in sechster oder siebter Hand, weggerostet, aufgebraucht in den allermeisten Fällen. Ein Auto für den Kiesplatzhändler, der einen 520i damals für weniger als 3000 Mark anbot und Saisonware mit Rest-TÜV als Winterauto für weniger als die Hälfte vom Hof schob. Ja, damals hätte man sich einen gepflegten 5er kaufen, ihn hegen und pflegen sollen. Denn die gab es auch noch, gelegentlich sogar aus Ersthand, lackiert in wunderbaren Uni-Tönen wie Savannabeige und Pußtagrün, in Brasilbraun- oder Polaris-Metallic.
Viele Qualitäten des E28 finden sich aktuelle 5er wieder
Coole Sache so ein E28. Dieser trägt M-Schürze nebst Spoiler.
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Die Rendite wäre mittlerweile ordentlich und der genossene Fahrspaß immens. Der E28 ist nämlich, da haben die Presse-Jungs 1986 wirklich nicht gelogen, das Auto für den aktiven Fahrer. Wer den aktuellen 5er kennt, findet viele seiner Qualitäten im E28 wieder, der mit seiner leicht nach vorn geneigten Front das klassische Hai-Thema des frühen BMW-Designs spielt und ganz nebenbei mit seiner eckigen Karosserie und den zierlichen Dachpfosten ein Muster an Übersichtlichkeit ist. Das Armaturenbrett mit den zwei großen Rundinstrumenten ist klar bis zur Nüchternheit, dafür aber bestens ables- und bedienbar. Lenkung, Pedalerie und Schalthebel: Muster an nicht zu leichtgängiger Präzision. Sie bereiten bei jeder Betätigung Vergnügen – Funktionslust eben. Die Sitzposition, vor allem in den aufpreispflichtigen Recaros mit ausziehbarer Oberschenkelauflage, passt den meisten Fahrern perfekt und weckt den Wunsch, vollzutanken und im Sauseschritt wegzudüsen – mit oder ohne "Codo" des Neue Deutsche-Welle-Projekts DÖF (Deutsch-Österreichisches Feingefühl). Wenn jetzt die Mitfahrer von hinten mosern, im Mercedes hätten sie mehr Platz für ihre Beine, ist das eine altbekannte Wahrheit. Denn tatsächlich bot der Benz mehr Platz, mehr Federungskomfort und mehr Fahrsicherheit als der 5er, der bei Lupfern in Kurven gern mal den Hintern rausschmiss.
Warum also keinen Mercedes? Die Antwort ist heute die gleiche wie gestern: Weil der E28 so richtig BMW ist. Ein wenig auf Taille geschnitten. Knackig und rückmeldungsreich in Kurven, wo er bei Nässe die Jungs von den Männern scheidet. Beruhigend souverän auf der Geraden – und in vielen Fällen herzergreifend elegant motorisiert. Der Vierzylinder 518i und auch der Knauser-Diesel 524d sind damals wie heute Buchhalter-5er, die von den Reserven des Fahrwerks nur sparsam nippen. Der 520i? Seidenweich hochdrehend, aber durchzugsschwach. Kenner wählten damals den 525i, den 525e, der mit seinem bulligen Drehmoment-Motor beruhigend wie eine Kur wirkt – oder sie gaben sich die volle Dosis. Wenn schon kein M5, den die M GmbH nur auf Bestellung baute, dann eben im 528i oder 535i. Deren M30-Grauguss-Sechszylinder läuft sahnig im Drehzahlkeller, packt überall so federndkräftig wie ein bayerischer Naturbursche an und entwickelt jenseits der 4000er-Marke jenes feine Feuer, für das BMW-Fans ihren Sechszylinder lieben. Bei schneller Fahrt – und schnell ist mit 528i oder 535i auch für heutige Verhältnisse richtig schnell – fließen auf der Autobahn schon mal 20 Liter durch. Wie sang Markus 1982? "Und kost’ Benzin auch drei Mark zehn, scheißegal – es wird schon gehn". Mensch, Markus, warst ja ein Prophet damals, als ein 528i rund 33.000 Mark kostete. Gut zu wissen heute, dass er auch mit elf Litern Spaß macht.
Historie
Die Polster auf den straffen Recaros mit elektrischer Einstellung tragen Piniengrün.
Bild: A. Perkovic
Als der E28 Mitte 1981 in den Handel kommt, ist für seinen Vorgänger noch lange nicht Schluss: Der E12 wird bis 1985 in Südafrika weitergebaut. Der E28 hingegen macht schnell weltweit Karriere. Zum Verkaufsstart tritt er als 518 (90 PS), 520i (125 PS), 525i (150 PS) und 528i (184 PS) an. 1984 löst der Einspritzer 518i (105 PS) den 518 ab, zugleich kommen der 535i mit 218 PS und der 535i Kat mit 185 PS ins Programm. Die katalytische Abgasreinigung bietet BMW gegen Aufpreis ab 1986/87 auch für den 520i und den 525e an, der 1983 als drehmomentoptimierte Ökonomie-Version ins Programm kommt – mit 122 PS aus 2,7 Liter Hubraum. Ebenfalls 1983 debütiert der 524td: Der erste BMW-Diesel bringt es dank Turbolader auf 115 PS. 1986 bekommt er mit dem Saugdiesel 524d einen schwächeren (nur 86 PS), aber 4100 Mark billigeren Bruder an die Seite gestellt. Von gänzlich anderem Kaliber ist der M5 mit dem 286-PS-Motor des M1. Er wird von 1985 bis zum Ende des E28 im Oktober 1987 bei der M GmbH weitgehend in Handarbeit gebaut. Modellpflegemaßnahmen fließen kontinuierlich in die Fertigung ein, große Facelifts wie heute üblich gibt es nicht.
Technische Daten
BMW 528i Automatik:Motor: Reihensechszylinder, vorn längs • eine oben liegende Nockenwelle, angetrieben über Steuerkette • zwei Ventile pro Zylinder • elektronische Benzineinspritzung (Bosch LE-Jetronic) • Bohrung x Hub 86 x 80 mm • Hubraum 2788 ccm • Verdichtung 9,3:1 • 135 kW (184 PS) bei 5800/min • 240 Nm bei 4200/min • Antrieb/ Fahrwerk: Vierstufenautomatik (Aufpreis 1981: 895 Mark, Serie: Fünfgang- Schaltgetriebe) • Hinterradantrieb • Einzelradaufhängung, vorn Doppelgelenk-McPherson-Federbeine, Stabilisator; hinten Schräglenker, Federbeine, Stabilisator • Scheibenbremsen vorne/hinten • Reifen 195/70 VR 14 • Maße: Radstand 2625 mm • L/B/H 4620/1700/1421 mm • Leergewicht 1435 kg • Fahrleistungen/Verbrauch: 0–100 km/h 10,8 s • Spitze 208 km/h • Verbrauch 10,3 l S/100 km • Neupreis: 33.345 Mark (1981), 46.200 Mark (1986).
Plus/Minus
Reihensechszylinder wie der gusseiserne M30, das Eisenschwein, gehören zu BMW.
Bild: A. Perkovic
Der E28 bietet alles, was BMW traditionell auszeichnet. Der Begriff der gepflegten Sportlichkeit trifft es recht gut, wenngleich bei den kleineren Motoren, speziell beim 524d, mehr das Gepflegte als die Sportlichkeit im Mittelpunkt steht. Fahrwerkseitig ist der 5er ein für sein Kaliber leichtfüßiges, absolut familientaugliches Fahrerauto, das unterwegs viel Freude macht. Positiv: Vom Verkaufsstart an war ABS erhältlich. Weniger erfreulich: 525i und 528i waren bis zum Produktionsende nicht mit Kat erhältlich. Da schlägt die Steuer bis zum H-Kennzeichen fast so kräftig zu wie bei den Dieselmodellen. Der E28 ist nicht besonders gut gegen Rost geschützt. Kritische Stellen sind Radläufe, Haubenunterkanten, Federbeindome, Türen, Schweller und der Tankbereich.
Ersatzteile
Seinen Klassikern lässt BMW (noch) nicht die Aufmerksamkeit zuteil werden wie Mercedes. Bei Interieurteilen etwa ist das Teileangebot bei oft abstrus hohen Preisen dünn. Man braucht halt Kontakte. Weniger problematisch ist es, die Technik in Schuss zu halten. Das allermeiste ist beim BMW-Händler erhältlich. Einige Beispiele für den 528i: Satz Stoßdämpfer: vorn 432, hinten 295 Euro. Bremsscheiben und -beläge vorn: 267 Euro. Ölpumpe: 350 Euro. Vorschalldämpfer: 190 Euro. Nachschalldämpfer: 235 Euro. Wasserpumpe: 156 Euro. Viele schrecken vor dem Kauf eines E28 mit den Michelin TRX-Rädern zurück. Doch die Versorgung ist sicher: Michelin legt immer mal wieder kleine Serien auf.
Marktlage
Von den 683.924 produzierten E28 haben nicht viele überlebt. Das Angebot ist sehr übersichtlich, unverbastelte und gut gepflegte Autos sind die Ausnahme. Wer sich für den E28 erwärmt, sollte bald zuschlagen. Die Preise für einen 2er-528i etwa haben sich von 2007 bis heute nahezu verdoppelt.
Empfehlung
Durch die abschreckend hohe Steuer haben die Diesel-Modelle Deutschland in den letzten Jahren mehrheitlich verlassen. Wer einen 524td ergattert (am besten mit Automatik) und bis zum H-Zeichen die Zähne zusammenbeißt, kann sich über einen gelassenen Gleiter freuen. Ansonsten sind Benziner die erste Wahl – und hier am besten der 525e. Sehr schön ausgestattet sind die Edition-Modelle (ab Modelljahr 1987). Sie gab es als 520i, 520i Kat, 525e, 525e Kat und als 524td. Ist das Auto gut: zugreifen!