Wenn die Kälte dich erst mal gepackt hat, dann lässt sie dich nicht mehr los. Vielleicht empfindest du sie erst gar nicht, weil du dich auf die ersten Sonnenstrahlen konzentrierst, die morgens durch den Bodennebel dringen. Oder auf den Tau, der auf den Autos liegt. Auf diesen bezaubernden, märchenhaften Augenblick also, in dem der Tag erwacht. Das taube Gefühl aber, das bemerkst du erst später an deinen Füßen, viel zu spät. Du frierst. Und du weißt, dass du den ganzen Tag lang frieren wirst. Du gehst ein paar Schritte durchs nasse Gras, quer über den Campingplatz . Und bleibst abrupt stehen. Du siehst ein Paar vor einem knallroten Goggomobil Coupé und einem Winzlings-Wohnwagen beim Frühstück sitzen. Der Mann trägt ein T-Shirt. Etwas weiter steht ein junger Kerl an einem Ford Taunus. Er hat einen dünnen Pullover an. Und dahinten, an einem Opel Admiral, ein älterer Herr. Er trägt nur einen Trainingsanzug. Du registrierst: Fast niemand auf diesem Platz hat eine Jacke an, trotz der furchtbaren Zitter-Kälte.

Fünf Jahre nach der richtigen Anhängerkupplung gesucht

Constructam Coral Ford Taunus 17M
Zurückgeholt: Der Taunus war 38 Jahre lang im Besitz einer schwedischen Familie.
Es sind ganz besondere Menschen, die Camper hier in 32805 Horn-Bad Meinberg, und es sind vor allem ganz schön abgehärtete Menschen. Sie verzichten sowohl auf dicke Jacken als auch auf die Annehmlichkeiten moderner Technik. Im Gegenteil, die Camper in dem kleinen Nest bei Detmold machen Urlaub im Gestern. Und sie lieben es. Es sind die Mitglieder des Classic Caravan Forums im Internet, die sich hier getroffen haben. Ihr Hobby: Sie campen mit alten Autos – und in historischen Wohnwagen und Wohnmobilen. Frank Helminski beispielsweise, der Mann mit dem grauen T-Shirt und dem roten Goggo. Er ist über den Kleinwagen zu dem exotischen Hobby gekommen: "Erst kam der Goggo, dann der Wohnwagen. Ich habe allein fünf Jahre nach der passenden Anhängekupplung gesucht", so der 50-Jährige. Mit seinem 15-PS-Coupéchen von 1966 ziehen Helminski und Lebensgefährtin Monika Hillebrand (45) einen Dethleffs Camper, Baujahr 66. Das klappt deshalb, weil der Anhänger leer nur 250 Kilo wiegt. Aber mal ehrlich: Zu zweit in so einem 2,56 Meter kurzen und 1,68 Meter schmalen Mini-Wohnwagen – ist das nicht unbequem? "Gar nicht", sagt Helminski, "die Liegefläche geht über die volle Breite und über zwei Meter Länge. Das ist größer als mein Bett zu Hause."

"Nie im Leben würde ich mir ein fabrikneues Wohnmobil kaufen"

Constructam Condor VW Bus Typ 2 T1
Nicht alles war rosig: Ein halbes Jahr restaurierte Familie Tadge den Constructam- Wohnwagen.
Klassik-Camper sind Exoten, keine Frage, aber es sind erstaunlich viele Exoten. Das Classic Caravan Forum hat 646 Nutzer, der Deutsche Camping-Oldie-Club (COC) zählt 350 Mitglieder, der konkurrierende Oldie-Camping-Club Deutschland (OCCD) hat 30 Familien plus 100 registrierte Besucher der Klub-Internetseite. Zurück zum Campingplatz. Ganz hinten in der Ecke steht ein Schäfer-Orion-II-Wohnmobil auf Hanomag-Henschel-Basis von 1978 mit einem passenden Schäfer Suleica 500 Rally 70 von 1974. Erster Eindruck: Das Ding sieht aus, wie man sich in den 70ern die Zukunft vorgestellt hat, ein Raumschiff auf Rädern. Vorn im Wohnmobil übernachten Klaus Kammann (57) und Claudia Wolkinger (49), hinten im Anhänger Hund Bruno (11).
"Es muss das Zigeunerblut in mir sein", begründet der Unternehmer aus Rheinberg (NRW) sein Hobby, "ich bin auch schon mit einem Sambabus durch Nordafrika gefahren." Kammann sagt, er sei einfach ein leidenschaftlicher Sammler von alten Sachen: "Nie im Leben würde ich mir ein fabrikneues Wohnmobil kaufen." Manche Klassik-Camper haben ganz praktische Gründe: "Ich war mit einem Sohn bei Regen zelten, das mache ich nie wieder. Ich wollte einen Wohnwagen, aber moderne Modelle sind so langweilig", sagt Thomas Bruckmann aus Bremen, der einen Ford Taunus 17M P5 von 1967 und einen Constructam Coral von 1969 besitzt. Platznachbar Stefan Tadge (40) und seine Familie haben mit ihrem VW Bulli T1 sogar eine Wertanlage auf Rädern: Vor 15 Jahren hat der Maschinenschlosser den Bus von 1965 an der Straße entdeckt und für 3500 Mark gekauft, jetzt ist er rund 17.000 Euro wert. Seit Sohn Jannis (9) da ist, brauchen die Tadges mehr Platz – und ziehen deshalb einen Constructam Condor von 1972 mit.
Und dann gibt es noch Typen, die nicht einfach nur klassisch campen, sondern fürs Klassik-Camping leben. Wie Gisela (64) und Walter (68) Adam aus Eschwege. "Wir machen seit 55 Jahren Camping", sagt Walter Adam. Er hat einen Opel Admiral 2800 S von 1970, aber der Wohnwagen stiehlt dem Opel glatt die Schau. Es ist ein Dethleffs Globetrotter mit Hubdach, Baujahr 1960 – der einzige noch existierende Wagen im Originalzustand. Adam: "Da ist nicht eine einzige falsche Schraube drin." Langsam wird es wieder dunkel auf dem Campingplatz. Der Fotograf und ich, wir springen ins Auto, stellen die Heizung auf Maximum. Die Oldie-Camper sitzen derweil im Kreis zusammen. Eine Jacke trägt immer noch keiner von ihnen.

Von

Alex Cohrs