Der Ford Capri verzückte das Deutschland der Hippie-Zeit mit Muscle-Car-Design und mondänem Flair. Der Ur-Capri ist heute teuer – doch die zweite Serie gibt’s immer noch zum Freundschaftspreis.
Bild: C. Bittmann
Schnäppchen, so können wir ganz leger festhalten, sind Autos, die nach 40 Jahren weniger kosten als neu, denn das kommt selten vor. Die meisten sind teurer geworden, auch der Ford Capri I, den es als 2,3-Liter-V6 damals für sensationelle 8965 Mark gab. Heute kostet er in mittelprächtigem Zustand (Note 3) 6600 Euro. Ein Capri II hingegen ist in gleicher Verfassung nur 4200 Euro wert (circa 8300 Mark), neu waren es mal 12.770 Mark. Damit ist die zweite Auflage ein sehr günstiges Angebot. Aber warum fällt er im Vergleich zum Einser-Capri so ab? Der Ur-Capri war das prägende Auto, der fahrende Beweis dafür, dass etwas Aufregendes und doch Bezahlbares jenseits der langweiligen Limousinen existierte. Er war 1969 der Weckruf für alle, die sich nach der Wirtschaftswunder- Ernsthaftigkeit auf Spaß am Auto aus waren und endlich den coolen Hund raushängen wollten.
Damals hat ein Ford Capri II viel Wind gemacht, heute ist er als V6 ein Sonderangebot.
Bild: C. Bittmann
So wurde dieses Coupé ein frecher Untersatz für autoverliebte Jungs. Neben seiner scharfen Form war toll, dass sich jeder seinen Capri mit diversen Ausstattungslinien und Motoren maßschneidern konnte. Damit fing die umfassende werkseitige Individualisierung an, mit der Folge endloser Aufpreislisten. Der ausgelegte Köder dafür war das Grundmodell für 6995 Mark. Dann aber kamen der Opel Manta und weltpolitische Turbulenzen, und der Verkauf sackte ab. Ford brachte daher 1974 die zweite Auflage, und die war klar besser. Beim Vierzylinder mussten Käufer sich nicht mit dem rumpeligen V4 abplagen, denn der Neue bekam den geschmeidigen Pinto-Reihenmotor. Der Capri II besaß bessere Sitze, eine große Heckklappe und auf Wunsch gar einen Heckwischer. Aber er war eben nur der zweite Aufguss einer großen Idee, ein bisschen von Marketing-Ängstlichkeit weichgespült, ohne die kühne Falte an der Seite, die hinter dem Hinterrad unmotiviert in Richtung Fahrbahndecke abbiegt, auch ohne die sinnfreien, daher umso erhellenderen Lüftungsschlitzattrappen vor dem Hinterrad, die den Geist dieses Autos wortlos erklären. Insgesamt war sein Äußeres geglättet, die Gürtellinie mit leichter Biegung hinter der A-Säule abgesenkt, das machte das Design weiblicher, was männliche Zielgrüppler nicht begeisterte. Daher ist das große Hecktor zwar lobenswert, aber doch ein Eigentor, weil Coolness und Supermarktparkplatz nicht so gut miteinander harmonieren.
Die zweite Serie hat weniger Charakter als die erste, ist dafür aber alltagstauglicher.
Bild: C. Bittmann
Dennoch ist der Capri II ein prima Einstieg in die Welt der proletarischen Boheme. Auch unser Fotomodell wird vom 2,3-Liter-V6 angetrieben, eine dicke Motorisierung, wie sie Manta und Scirocco nicht bieten konnten. Allerdings war das Triebwerk ein Anachronismus. Eine um zwei Zylinder erweiterte Variante des groben V4 mit Stoßstangen und zentraler Nockenwelle, ein bisschen drehfaul und als Ultrakurzhuber schwach auf der Brust, dafür unerhört robust und geschmeidig laufend. Der simple Motor also spendet vorwiegend Freude, auch das knochige Getriebe gefällt, andererseits: Es ist halt ein Ford. In den Disziplinen Haptik (wie sich alles anfasst), Akustik (wie Schalter, Türen, Klappen klingen), Optik (Oberflächen im Innenraum) ist so ein Capri Discountware. Qualitätsgefühl und Materialanmutung zeigen, dass er kein aufwendig produziertes Auto ist. Dennoch macht es Laune, ihn zu fahren. Der 108-PS-V6 singt heiser und kehlig, der Fahrer sitzt schön flach, die dicke Beule auf der Motorhaube vermittelt ihm das Gefühl, ein Muscle-Car zu bändigen, und er reitet flink um die Ecken, auch wenn die Lenkung heute als Trimmgerät der Muckibude durchgehen würde. Heckklappe auf oder zu, der Europa-Ford wirkt optisch ein bisschen wie ein Mustang: lange Motorhaube, Stummelheck und geducktes Dach.
Im Capri GT gab’s zwei große und vier sehr kleine Uhren. Sein Armaturenbrett ist schlicht, rein schwarz und mäßig verarbeitet.
Bild: C. Bittmann
Ein Capri war mit seinen vier Sitzen Sportwagen und Familienauto in einem, man könnte von einem frühen Crossover sprechen. Mit der Heckklappe und den umklappbaren Sitzen eilte er gar seiner Zeit voraus und ist höchst reisetauglich. Das Ding war dabei anspruchslos, langlebig, pflegeleicht und auch chic. Es gab den Capri II mit dem englischen Essex-V6, also drei Litern und 138 PS. Aber unser Sammler hat sich weise den Köln-Motor gesucht, denn das Essex-Triebwerk ist für sein Gewicht (es sollte eigentlich auch als Diesel angeboten werden, was aber dann doch nicht passierte), seinen Durst und seine Unzuverlässigkeit gefürchtet. Es gab auch einen ziemlich drehmomentschwachen Zweiliter-Köln-V6, der 90 PS leistete, darunter zwei 1600er-Vierzylinder, einen mit 72, einen mit 88 PS. Den altbackenen 1300er mit rasanten 54 PS wollen wir hier nicht weiter würdigen, damit war der Capri schon zu Lebzeiten eine Karikatur seiner selbst. Der große Erfolg seines Vorgängers blieb dem Capri II verwehrt, was auch an den politischen und wirtschaftlichen Ereignissen jener Zeit lag: Jom-Kippur-Krieg im Nahen Osten, Ölkrise, autofreie Sonntage, explodierende Benzinpreise und steigende Arbeitslosigkeit. Die kleinen Leute, die Kernkundschaft von Ford, waren verunsichert. Gerade jetzt wollten sie kein Lustmobil. Wir dürfen das heute lockerer sehen.
Technische Daten
Die lange Haube war ein Design-Gag mit dem Nebeneffekt, auch große Motoren unterbringen zu können, in Südafrika sogar einen V8.
Bild: C. Bittmann
Ford Capri II 2300 GT Motor: V6, vorn längs • zentrale Nockenwelle, über Stoßstangen angetriebene hängende Ventile, ein Solex-Doppelfallstromvergaser • Hubraum 2294 ccm • Leistung 79 kW (108 PS) bei 5100/min • max. Drehmoment 174 Nm bei 3000/min • Antrieb/Fahrwerk: Viergang-Schaltgetriebe • Hinterradantrieb • Einzelradaufhängung vorn an MacPherson-Federbeinen, Querlenkern und Querstabilisator, hinten Starrachse an Längsblattfedern, Teleskopstoßdämpfer rundum • Scheibenbremsen vorn, Trommelbremsen hinten • Reifen 165 SR 13, selbsttragende Karosserie • Maße: Radstand 2563 mm, L/B/H 4376/1698/1323 mm • Leergewicht 1120 kg Fahrleistungen/Verbrauch: 0–100 km/h in 12,0 s • Spitze circa 180 km/h • Verbrauch 13,5 l/100 km • Neupreis: 12.770 Mark (1974).
Historie
Der Mustang war das Vorbild. Ford-USA Chef Lee Iacocca wollte nach gleichem Strickmuster auch Europa beglücken, natürlich kleiner und bescheidener als in Amerika. Ford in England bekam den Auftrag, und dort entstand auf Basis des Cortina dieses Coupé mit den neuen Proportionen, vorn lang, hinten kurz. Der Autoname Capri war den Briten schon geläufig: Anfang der 60er wurde der elegante, aber erfolglose Consul Capri gebaut. Als der wahre Capri 1969 auf den Markt kam, schlug er ein wie eine Bombe; doch der Run ebbte auch rasch wieder ab, denn Opel traf den Nerv der Zeit mit dem Manta noch besser. Dazu kam die Ölkrise 1973, weshalb Ford nach einem Facelift des Capri I (1972) zwei Jahre später auf mehr Nutzwert setzte und den Capri II in den Markt schickte. Der war praktischer und glatter und führte zu einem kurzen Schub. Als auch er in die Knie ging, kam der Capri II ’78, auch Capri III genannt, der im Grunde nur ein geschickt gemachtes Facelift des Zweiers war. Von vorn sah er mit den Doppelscheinwerfern aggressiver aus. 1984 war auch seine Zeit vorbei. In England wurde der Capri noch bis 1986 gebaut.
Plus/Minus
Der große Erfolg seines Vorgängers blieb dem Capri II verwehrt, was auch an den politischen und wirtschaftlichen Ereignissen jener Zeit lag.
Bild: C. Bittmann
Zu den Vorzügen gehören neben dem günstigen Preis die attraktive Form, der sonore V6-Motor, die allgemeine Robustheit, die akzeptable Ersatzteilsituation (obwohl das Ford-Teilelager ja mal abgebrannt war), die Alltagstauglichkeit mit großer Heckklappe, viel Platz im Innern und überhaupt der unproblematische Charakter. Der Capri II stellt niemanden vor Rätsel und lässt sich einfach bedienen. Nachteilig sind die fehlende Liebe zum Detail, die bei allen Ford dieser Epoche auffällt, und seine erhebliche Rostempfindlichkeit. Es gibt praktisch keine ungeschweißten Zweier, manche sind aber auch bloß kunstfertig gespachtelt. Daher sollte man beim Kauf genau hinschauen (Radläufe und -häuser, Endspitzen, Stehbleche vorn, Kofferraumboden, Längsträger, Federbeindome, Abschlussblech, Haubenkante vorn), besser auch mal kratzen oder den Magneten einsetzen.
Ersatzteile
Die Technik – also Motor, Getriebe, Achsen, Radaufhängungen – ist kein Problem. Schwieriger aufzutreiben sind spezielle Karosserieteile wie Zierleisten und Innenausstattungen. Beim großen Feuer 1977 in Köln-Merkenich wurden sämtliche Ersatzteile des Hauses vernichtet. Das Gute beim Capri II ist aber, dass er bis ein Jahr nach dem Brand gebaut wurde, nicht nur in Deutschland, sondern auch in England, wo es ein eigenes Teilelager gab, sodass man auch dort fündig werden kann. Außer bei speziellen Teilen, die es im UK nicht gab.
Marktlage
Wenn Männer zu sehr lieben: Viele Besitzer haben im Überschwang ihrer Gefühle den Capri so verbastelt, dass nun jede Rettung zu spät kommt. Daher gibt es gar nicht so viele originale, wie man nach 86.000 gebauten vermuten würde. Dennoch sind sie wenig nachgefragt. Tipp: auf ein cleanes Exemplar warten.
Empfehlung
Wir empfehlen unbedingt einen V6, denn der hat den Groove im Sound, hält ewig und verbraucht bei maßvoller Fahrweise gar nicht so absurd viel. Die Vierzylinder sind ziemlich müde Krieger, der 1.3er mit 54 PS war schon für damalige Begriffe eine Zumutung. Rostallergiker sollten auch den Capri III in Erwägung ziehen, denn dessen Blech ist besser gegen den Verfall geschützt.