Beim Festival of Speed 2014 in Goodwood treffen zehntausende Auto-Enthusiasten auf Rennsportfans, um schönes Blech anzufassen und in Aktion zu bewundern. Bericht aus Goodwood!
Die Rennstrecke beim Hill Climb in Goodwood ist über mehrere Brücken querbar.
Automotoren können alle Arten von Geräuschen machen: brummen und dröhnen und rattern, tackernd brabbeln oder dumpf grollen. Im südenglischen Goodwood, beim weltweit größten Spektakel rund ums Auto, ist dieses Wochenende (26. bis 29. Juni 2014) eine ganze Palette weiteren, selteneren Maschinenlärms zu hören. Dort brüllen Motoren, deren Krach sich zu einer Mischung aus Donner und infernalischem Kreischen steigert, bis die Ohren schmerzen. Willkommen auf dem Festival of Speed 2014 in Goodwood!
Rund um das Herrenhaus von Goodwood versammeln sich einmal im Jahr zur Zeit der Sonnenwende rund 200.000 Autoenthusiasten aus aller Welt zum Auto schauen, anfassen und anhören. Zur Autoshow der Superlative kommt im 21. Jahr des Events alles angefahren, was Klang und Namen hat: alte und brandneue Modelle, schnelle und weniger schnelle, faszinierende oder einfach nur Atem raubende. Kalt lässt einen keines der mehreren hundert Autos, die Goodwood so unvergleichlich machen, eine Kombination von Autorennen und Autoshow, ein Spektakel wie das legendäre Pferderennen Royal Ascot, nur mit Autos.
Hill Climb mit klassischen Rennern
Ein kurzer Audi Ur-Quattro im Rallye-Outfit, so wie er die Konkurrenz in den 80ern das Fürchten lehrte.
Autos und nochmal Autos, nein, automobile Ikonen aus Blech, wie sie sonst nur im Museum zu besichtigen sind, und nicht auf saftigem englischem Rasen, zum Glück macht das Wetter mit. Und auf der Rennpiste, denn das Spektakel von Goodwood heißt nicht ohne Grund Festival of Speed. Wo sonst treten vierrädrige Preziosen aus den vergangenen Jahrzehnten gegeneinander an, wie hier beim Hügelstürmen, dem legendären Hill Climb? Wo Motoren von Jaguar E-Type oder Audi Ur-Quattro bis zur Drehzahlgrenze getrieben werden, um auf der 1,86 Kilometer langen Strecke alles zu geben? Na gut, fast alles, denn es geht weniger um die Zeit, als um die Show. Und zumindest am ersten Tag des Festivals, nennen wir ihn fantastischen Freitag, landet keines der blechernen Wunderwerke in den meterhoch die Piste säumenden Strohballen. Später allerdings rutschen ein Alfa 4C und ein Nissan GT-R Nismo ins Heu..
Sooo riechen Autos
Auf der Rennstrecke von Goodwood geben legendäre Rennziegen richtig Gas.
Seit 1993 ziehen Rennwagen aller Art und Couleur in Goodwood ihre drei Tage währende Auto-Show ab. Das Festival begann als Treffpunkt von einigen Auto-Enthusiasten, wuchs dann von Jahr zu Jahr und ist mittlerweile ein Ereignis, das regelmäßig den Verkehr im Umfeld von 50 Kilometern um das Gelände zum Erliegen bringt, weil es 200.000 Besucher anlockt. Auch historische Renn-Boliden sind zu bestaunen, vom Ferrari 158 von 1964 bis zu verschiedenen Versionen des Porsche 917 aus den 60er und 70er Jahren, Formel-1-Renner aus den vergangenen vier Jahrzehnten. Man kann sie anschauen, im Stand und im Rennen, im Fahrerlager und auf der Piste. Und sie riechen, wie soll man die Mischung auf Reifengummi, frisch verbranntem Benzin, Öldämpfen und einer Spur von Leder am besten beschreiben?
Kompressor-Legenden von Mercedes
Vor allem aber sind sie zu hören. Da bestaunt der Besucher die Vorkriegsautos der "Blown away"-Ära, die unvergleichlichen, klassischen Kompressor-Mercedes, wie den blutroten Mercedes 36/220S von 1928, gestaltet von Ferdinand Porsche, aus dem Vorbesitz von Sir Peter Ustinov. Ein unbezahlbares Auto, schon dank seines ehemaligen Besitzers eine automobile Legende, wäre es nicht für sich eine technische Spitzenleistung. Nebenan ein schwarzer 380 K von 1933 mit einer Karosserie von Erdmann&Rossi. Gleich daneben Super-Sportwagen aus den 60ern, wie der flunderflache weiße Lamborghini Miura oder der silberne Ferrari 250 LM mit rot-weiß-blauen Streifen auf der Haube.
Ein Ferrari 156 von 1961, der wegen der charakteristischen Öffnungen im Bug der Spitzname "Hainase" trägt.
Da dröhnt, sprotzt und brüllt es gleich nebenan vom Asphalt – das kann nur einer der Boliden sein, die tatsächlich nur zehn Meter entfernt die Motoren hoch drehen, um an den Start für den Hill Climb rollen. Hier ein Ferrari Formel-1-Renner aus den 70ern, als die Autos noch frei atmen und ihren unbändigen Benzindurst noch ungezügelt stillen konnten. Um ihren Fahrer ohne elektronischen Schnickschnack nach vorne zu katapultieren – und manchmal auch ins Jenseits. Solche Autos fahren im Goodwood im Kreis. Oder stehen auf der Wiese, vom Kaliber selten bis super-selten und aus prominentem Vorbesitz. Zu dieser Sorte gehört sicher auch der dunkelblaue Maserati 5000 GT Alemano von 1959, der früher einmal dem Hollywood-Schauspieler Stewart Granger gehörte, dem "Old Surehand" in Karl-May-Filmen. Ein anderes der 34 gebauten Fahrzeuge gehörte dem Schah von Persien.
Ein Ferrari für 13 Millionen Euro
Dieser Renn-Ferrari 375-Plus von 1954 erbrachte bei der Bonhams-Auktion 13,45 Millionen Euro.
Natürlich lassen es sich die Hersteller nicht nehmen, die neuesten Modelle aufzufahren. Den Klassik-Fan aber interessiert vor allem das alte Blech. Dieser Begriff passt so gerade zum allerersten Mazda MX-5, den der japanische Hersteller zum 25-jährigen Jubiläum mit einem eigenen Stand feiert. Für viele ein Youngtimer, auch schon ein Klassiker? Eindeutig in den Olymp der legendären Autos aufgestiegen ist der blau-weiße Lotus Elan auf dem gleichen Stand, ein Auto, das die Ingenieure des MX-5 inspirierte, wie es freimütig im Datenblatt steht. Wie auch der MG Midget, gleich nebenan. Auch Autokäufer werden fündig: Wer sich eine automobile Legende zulegen will, wird beim Auktionshaus Bonhams bedient, bei dem am Freitag Autos und Auto-Memorabilia im Wert von 28,2 Millionen Euro den Besitzer wechseln. Ein Bietergefecht liefern sich mehrere Autoliebhaber, die unbedingt einen zweisitzigen Ferrari 375-Plus von 1954 in ihre Garage stellen wollten, ein Auto mit Renngeschichte von Mille Miglia, Targa Florio und Carrera Panamericana. Der Hammer fällt schließlich bei 13,45 Millionen Euro!
Wenn die Rennfahrer-Legende Sir Stirling Moss mit einem altmodischen Rennhelm auf dem Kopf in einem klassischen Sportwagen ein Interview gibt, wenn historische Renner aus der Hochzeit der Formel 1 ihre Motoren aufbrüllen lassen und mittags Flieger der Royal Air Force den Himmel über abertausenden Besuchern blau-weiß-rot einfärben, dann kann das nur Goodwood sein. Doch die drei tollen Tage Autospektakel sind nun vorbei. Für Autofans heißt es jetzt: Ein Jahr warten – bis zum Festival of Speed 2015!