Nackte Daten können helfen, die Dinge besser zu greifen. 18 Jahre lang wurde der Mercedes SL R 107 gebaut, technisch nahezu unverändert. Im April 1971 erschien die dritte Auflage des "Super Leicht" (nach 300 SL, 190 SL und Pagode). Und als am 26. Juli 1989 das letzte von 237.287 Exemplaren vom Band lief, war es quasi schon als Neuwagen ein Youngtimer! Gebrauchtwagenkäufer haben (noch) die Wahl: Soll es ein Young- oder ein Oldtimer sein? Erst 2019 werden die jüngsten Exemplare ein H-Kennzeichen tragen können. Wenn sie denn in gutem Zustand sind.Grundsätzlich gilt: Ab Werk besitzt der R/C 107 massive innere Werte. Sicherheitsfahrgastzelle, verstärkter Scheibenrahmen mit eingeklebter Frontscheibe, Lenkgetriebe hinter der Vorderachse, beste Verarbeitung. Harter Alltagseinsatz blieb ihm oft erspart. Mängel wie Rost, Technikprobleme und verschlissene Interieurs sind laut TÜV meist die Folge unzureichender Wartung und Pflege. 

SL R kaufen: Für jeden Geschmack etwas dabei

Mercedes 350 SL
Grundsätzlich: problemlos. Was der TÜV beanstandet, ist meist die Folge mangelnder Wartung und Pflege.
Bild: J. Mönnich
Auswahl gibt es reichlich. Sechszylinder und V8-Motoren, Hubraum zwischen 2,8 und 5,6 Litern, dazu viel Zeitgeist in Farbe und Ausstattung. Welchen Roadster nehmen? Wobei: Ein echter Roadster ist der 107er eigentlich nicht. Er ist nicht laut, nicht hart, nicht reduziert, und mit gut eineinhalb Tonnen Lebendgewicht ist er schon gar nicht leicht. Aber er ist zeitlos, schnittig, dazu mit einer Grandezza, die in keinem Fall aufdringlich oder gar überheblich wirkt. Ein R oder C 107 ist präsent, aber nicht protzig. Haben wollen? AUTO BILD KLASSIK verrät, worauf Sie beim Kauf achten müssen.

Schwachstellen und Stärken des SL R 107

Mercedes 420 SL
Ölverlust ist eine der größten Schwachstellen des SL Roadsters.
Bild: J. Mönnich
Ein gut gewarteter und sorgsam vor Rost geschützter R 107 besteht noch heute im Alltag und eignet sich dank Hardtop sogar für den Einsatz bei schlechtem Wetter. Gut, es passen nur zwei Leute rein, und ordentliche Autos haben ihren Preis, aber mehr Nachteiliges lässt sich auch kaum berichten. Exakt 3448 Fahrzeuge vom Typ R/C 107 untersuchte der TÜV im Jahr 2017. Über die Hälfte (55,7 Prozent) bestand die HU ohne Mängel, 25,9 Prozent wiesen geringe, 18,3 Prozent erhebliche Mängel auf.
Die größten Schwachstellen laut TÜV: 
● Heckleuchten: Korrodierte Kabel, von eingedrungener Feuchtigkeit in Aquarien verwandelte Heckleuchten und durch Alterung ausgeblichene oder gerissene Heckleuchtengläser sind typische TÜV-Mängel der Baureihe 107.
 Lenkgelenke: Ausgeschlagene Lenkgelenke verzeichnete der TÜV 2017 bei 1,8 Prozent aller geprüften Mercedes R/C 107. Im Jahr 1976 war dieser Mangel bei 1,5 Prozent aller untersuchten 107er festgestellt worden.
● Ölverlust: Regelmäßig sind die Differenziale beim Mercedes R/C 107 nicht ganz dicht. Mit einer Quote von 28,7 Prozent war dies bei den 2017 geprüften Autos der mit Abstand häufigste TÜV-Mangel der Baureihe.
● Lenkungsspiel: Der klassische "Zwei-Finger-breit-Test": Die Rechte bewegt das Lenkrad, die Linke zeigt an, wie es um das Spiel im Lenkgetriebe bestellt ist. Ein typischer Mangel bei vielen klassischen Mercedes-Modellen.
Was Sie ebenfalls überprüfen sollten: Wie steht es um die Substanz der vorderen Kotflügel, der Lampentöpfe und Schweller? Ist die Heckschürze durch, verbergen sich löchrige Radläufe unter billigen Chromsicheln? Ist der Motor dicht, der Öldruck im Sollbereich, oder bläut es hinten merklich beim Gasgeben? Ist die Velours-Ausstattung intakt und komplett und das aufwendige Verdeck ohne Löcher? Sind Stoßstangen und Chrom in gutem Zustand, und liegen den extrabreiten, goldenen BBS-Kreuzspeichenrädern die originalen 15-Zoll-Gullydeckel bei?

Die Ersatzteileversorgung ist entspannt

Generell ist die Versorgung mit Ersatzteilen sehr gut, vor allem Ersatz für die Technik ist problemlos zu beschaffen. Vieles gibt es sogar noch direkt bei Mercedes. Aber auch beim SL der 70er- und 80er-Jahre gibt es natürlich Ausnahmen. Einige Farben gab es nur kurze Zeit, da kann gerade Ersatz für Innenraum- und Ausstattungsteile schwierig werden. Neue Bilux-Scheinwerfer zu bekommen: nahezu unmöglich. Auch wer einen Kühlergrill-Stern für einen frühen R 107 sucht, hat's selten leicht: Die originalen waren aus verchromtem Metall, die neueren sind aus Kunststoff. Davon abgesehen ist die Lage aber sehr entspannt. 

Marktlage und Preise

280 SL in Zypressengrün mit Leder "Dattel", Laufleistung unter 200.000 Kilometern – die Kombination könnte sich, etwas Geduld vorausgesetzt, so oder so ähnlich sogar finden lassen. Der gut sortierte R-107-Markt lässt Träume wahr werden, zwischen 5000 und 50.000 Euro ist alles möglich. Weil zu den zahlreichen Autos, die in Deutschland und Europa verkauft wurden, immer noch Reimporte aus den USA und Japan hinzukommen (deren Wartungshistorie oft nur schwer nachzuvollziehen ist), hat der Käufer die Wahl. Billig wird ein guter SL in attraktiver Farbkombination deswegen aber noch lange nicht.
Auch wenn beinahe noch jedes Ersatzteil, ob gebraucht oder neu, für den R 107 zu haben ist, kostet eine Instandsetzung viel Geld. Deshalb ist Vorsicht geboten, wenn ein zu gutes Auto, selbst wenn es aus den USA oder Japan kommt, ein zu kleines Preisschild trägt – die Nachfrage ist seit 1971 groß, da werden auch strukturell mürbe Seelenverkäufer oberflächlich aufgehübscht. Die Beliebtheit des R 107 macht ihn anfällig für Rosstäuscher. 

Früher V8 oder ein "Junger" mit ABS und Kat?

Mercedes 420 SL
Die goldene Mitte: Der 300 SL R kristallisiert sich als Ideallösung heraus. 
Bild: J. Mönnich
Die Entscheidung für ein frühes oder spätes Modell ist Geschmackssache. Also: Der eigenen Neigung folgen, nicht reinreden lassen. Dank 18-jähriger Bauzeit hält die R-107-Baureihe für jeden das geeignete Auto parat. Frühe V8-Modelle spiegeln den Zeitgeist der Oberklasse am besten wider, ein handgeschalteter 280 SL fühlt sich sogar ein bisschen nach Sportroadster an, und die späten Typen haben schon ABS und G-Kat. Irgendwo dazwischen kristallisiert sich der 300 SL als Idealbesetzung heraus. Oder den Blick einfach mal schweifen lassen: W 124 Cabrio und der – noch günstige – Nachfolger R 129 könnten Alternativen sein.

18 Jahre SL R: die Historie

Mercedes 350 SL Mercedes 420 SL
Aus dem 350 SL wird im Laufe der Zeit der 420 SL, beide mit V8-Motor. Nach dem Facelift von 1985 trägt der SL-Frontspoiler.
Bild: J. Mönnich
23. April 1971: In Hockenheim präsentiert Mercedes-Benz den Nachfolger des Pagoden-SL (W 113). Der R 107 wird als erster SL mit V8-Motoren angeboten (350 SL, 200 PS, und 450 SL, 225 PS). Oktober 1972: Die Coupé-Version SLC (C 107) mit längerem Radstand (plus 36 cm) wird vorgestellt. 1974: Die Ölkrise ist da, der Sechszylinder kommt (280 SL/C, 185 PS). 1978: Der 450 SLC 5.0 (240 PS) wird mit Leichtmetallmotor und Alu-Karosserieteilen abgespeckt und mit Front- und Heckspoiler aerodynamisch optimiert. 1980: 380 (218 PS) und 500 SL/C (240 PS) ersetzen die kleineren V8-Maschinen. Oktober 1981: Der SLC wird vom neuen SEC (C 126) abgelöst. 1985: Das erste und einzige größere Facelift wird vorgenommen, der SL R bekommt einen Frontspoiler, 16-Loch-Alus, neuen Schalter und neue Motoren. 300 SL (188 PS) und 420 SL (218 PS) ersetzen 280 und 380 SL. Für die Märkte außerhalb Europas wird der 560 SL (242 PS) ins Programm genommen. 1986: Ab Werk wird ein Katalysator verbaut. Autos ohne Kat, sog. Rückrüstfahrzeuge (RÜF), bleiben bis 1989 im Programm. 26. Juli 1989: Nach 237.287 Autos endet die Fertigung der R-107-Baureihe.
Alt und Jung im Vergleich:

Bildergalerie

Mercedes SL R 107
Mercedes SL R 107
Mercedes SL R 107
Kamera
Kaufberatung Mercedes SL (R 107)

Fazit

von

AUTO BILD
Uwe Hermann, TÜV Hessen: Die Roadster und Coupés der Baureihe 107 wurden seit ihrer Entstehung von vielschichtigen Haltern benutzt, das zeigt auch die Vielfalt ihres technischen Zustands. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Kugelgelenke der Achsen und der Lenkung, der Korrosionszustand der Schweller, Scheibenrahmen und Radhäuser sowie die Dichtheit der Antriebsaggregate. Da der Exportanteil dieses Fahrzeugtyps sehr hoch war, kommen viele Autos wieder in die Heimat zurück und haben unzulässige Teile verbaut. Bis auf wenige Ausnahmen sind die meisten Ersatzteile noch heute bei Mercedes erhältlich. Nach mehr als 18 Jahren Bauzeit wird im nächsten Jahr auch der letztgebaute 107er H-Kennzeichen-fähig.