Extravagant oder gar revolutionär wollte und durfte das C 123-Coupé von Mercedes nicht sein. Dafür aber gediegen und von dezenter Eleganz. So gefiel es einst der arrivierten Kundschaft. 35 Jahre später geht der 230 CE nochmal auf die Teststrecke.
Nein, ein Knaller war er nicht, der kurzgeschnittene 123er Mercedes. Von weitem sieht er aus wie die Limousine, damals eine Massenerscheinung auf unseren Straßen. Aus der Nähe auch. Beide sind optisch durchaus geglückt, aber auch sehr unaufgeregt. Zu deutsch: etwas langweilig. Dass die Zahl der bei Limousine und Coupé identischen Blechteile groß ist, macht's nicht besser, entzückte aber damals die hauseigenen Betriebswirte. Gespart ist schließlich verdient. A propos gespart: Obwohl der 230 CE mit 33.335 Mark (Neupreis 1980) gewiss kein Schnäppchen war, entpuppt er sich im heutigen Klassik-Vergleichstest als billigster Kandidat: Der als Konkurrent antretende Lancia Gamma 2500 kostete einst 34.304 Mark, der ebenfalls getestete Volvo 262 C sogar 38.200 Mark. Kein Wunder, dass beide seltene Exoten blieben. Dagegen war das Mercedes-Coupé vom Start weg für zwei Jahre ausgebucht. Fast 50.000 Vierzylinder wurden verkauft, insgesamt 100.000 Coupés. Die gesamte 262 C- und Gamma-Coupé-Produktion zusammen erreichte der Benz in einem seiner acht Jahre Bauzeit.
Tadellose Bremsen, einwandfreies Kurventalent, gute Federung: Der 230 CE ist fast langweilig in seiner Perfektion.
Mercedes thronte damals auf dem Olymp. Da mussten die Stuttgarter keine Risiken eingehen. Das macht sich bis heute bezahlt: Die braven Vierzylinder halten ewig, selbst Rost ist kein großes Thema. Und der Glamoureffekt? Nun ja. Er wirkt gegen die Konkurrenten ein bisschen gewöhnlich, obwohl er alle Coupé-Tugenden mitbringt: fehlende B-Säule, verkürzter Radstand, schneidige Rechteckscheinwerfer – eigentlich alles wie aus dem Bilderbuch. Im gemütlichen, mit Echtholz-Applikationen geschmückten Innenraum saßen daher auch nie die großen Trendsetter und sonstigen coolen Hunde, sondern eher Leute mit Festgeldkonto seit 50 Jahren. Die Coupés der 123er-Reihe boten ihnen ein bisschen provinzielle Mondänität. Cool wurde das 123er Coupé erst im höheren Alter, als seine Besitzer jünger wurden!
Der Mercedes ist zwar der Schwächste des Trios, der 230er passt dennoch besser in unseren Klub als der feine 2,8-Liter Sechszylinder mit 177, später gar 185 PS oder der US-Diesel. Denn der großvolumige Vierzylinder läuft noch immer stramme 180, 6 km/h mehr als der Volvo mit seiner Möbelhaus-Architektur. Und er verhält sich sauber im Kurvigen. Mit nur leichter Seitenneigung sind hohe Geschwindigkeiten möglich, im Grenzbereich untersteuert er lammfromm, dabei federt er ehrlich und freundlich. Auf der Geraden bleibt er unbeirrt, obwohl seine Lenkung ein bisschen indirekter ausgelegt wurde als bei der Limousine. Trotzdem gibt sie am besten Rückmeldung, die Bremsen sind am besten dosierbar, die Armaturen in ihrer technoiden Nüchternheit am besten ablesbar, die Sitze bieten den besten Halt, und überhaupt gilt für die Bedienung: am besten. Die Verarbeitung ist mercedig, die Materialien reiner Daimler. Es ist die Ausgewogenheit, Balance und Stimmigkeit, die diesen Mercedes zum Sieger im Vergleichstest machen. Er schafft auf den Wegen zwischen Stuttgart, Göteborg und Turin Vertrauen, und das ist vermutlich das wichtigste Kriterium in jeder Beziehung – der zum Arzt, zum Bankberater und auch zum Automobil.