Mercedes-Benz 300 SL
Der Alles-Überflügler

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Er ist ein Symbol der Aufbau-Ära: Jeder kennt den 300 SL. Wie erregend sich der Flügeltürer noch heute anfühlt, wissen nur wenige. Denn wer ihn fahren will, braucht immer noch Geld. Viel Geld.
Ach, diese abgenutzten Worte. Mythos, Ikone. Fakt ist: Selbst Auto-Ignoranten erkennen diesen Urtyp aller Super-Sportwagen. Insider gähnen, weil sie sich am Flügeltürer satt gesehen haben. Nur Geld, keine Leidenschaft sei nötig für diesen Mille-Miglia-GTI, diesen Schickeria-Schönling. Sie tun ihm Unrecht, sie verstehen ihn nicht. Und sie verkennen, was er einmal für die Deutschen bedeutete. Wer im März 1952 dabei sein darf, als der 300 SL seinen ersten Auftritt absolviert, staunt über eine seifenglatte Flunder, die Flanken ohne Türen trägt und flacher als ein Porsche ist. Fünf Jahre vorher war noch Chaos, Hunger, Schwarzmarkt. Und jetzt: Hildegard Knef als völlig nackte "Sünderin" im Kino – und ein Mercedes, der auf exotische Weise erotisch ist.
Enkel des Flügeltürers: Mercedes 300 SL der Baureihe 107

Die Flügeltüren sind kein Styling-Gag
29.000 Mark kostet sie in Deutschland, teuer wie ein Haus und schneller als nahezu alles, was sonst so fährt: 230 km/h. Über 50 Jahre später wirkt ein 300 SL schnell, aber nicht leichtfüßig. Er ist kein Tänzer, sondern Stürmer. Ist keine Ferrari-Querflöte, sondern schmetternde Benz-Posaune. Die SSK-Gene schlagen durch, auch wenn der wie ein Saurier aus der Vorzeit neben ihm wirkt. Wer mit einem Flügeltürer schnell sein will, muss die tückische Hinterhand in schnellen Kurven beherrschen lernen und ihm den Platz auf der Straße reservieren, den seine Trommelbremsen fordern. Und immer wieder diese kühnen Klappen: Voller Verheißung schwingen sie weit in den Himmel. Sie sind kein Spiel, sondern kompromisslose Konstruktion, weil der hohe Rohrrahmen ordinäre Türen vereitelte. Unbewusst landeten die Schwaben damit einen gigantischen PR-Coup, der bis heute nachhallt. Niemand kann diese Türen vergessen. Sehr clever.
Technische Daten
Mercedes-Benz 300 SL
Sechs Zylinder in Reihe • kettengetriebene Nockenwelle • Kraftstoff-Direkteinspritzung • Hubraum 2996 ccm • 215 PS bei 5800/min • max. Drehmoment 275 Nm bei 4600/min • Vierganggetriebe • Hinterradantrieb • Länge/Breite/Höhe 4520/1790/1300 mm • vorn Einzelradaufhängung mit Sturzverstellung, geschmiedete Querlenker in Gewindebüchsen • hinten Zweigelenk-Pendelachse • Leergewicht 1295 kg • Spitze 230 km/h • Beschleunigung 0–100 km/h in 9,3 s • Verbrauch 16,7 l Super/100 km • Neupreis (1956): 29.000 D-Mark
Sechs Zylinder in Reihe • kettengetriebene Nockenwelle • Kraftstoff-Direkteinspritzung • Hubraum 2996 ccm • 215 PS bei 5800/min • max. Drehmoment 275 Nm bei 4600/min • Vierganggetriebe • Hinterradantrieb • Länge/Breite/Höhe 4520/1790/1300 mm • vorn Einzelradaufhängung mit Sturzverstellung, geschmiedete Querlenker in Gewindebüchsen • hinten Zweigelenk-Pendelachse • Leergewicht 1295 kg • Spitze 230 km/h • Beschleunigung 0–100 km/h in 9,3 s • Verbrauch 16,7 l Super/100 km • Neupreis (1956): 29.000 D-Mark
Plus/Minus

Marktlage
Immer wieder wurde das Preisgefüge des 300 SL als eine Art Stimmungsindex des Klassikermarktes herangezogen. Es stimmt, dass die Notierungen seit jeher zu den ambitioniertesten zählten: 300-SL-Preise zogen mit jedem Oldtimer-Boom stark an, brachen allerdings auch wieder ein. Es ist wie mit Aktien: Auf lange Sicht investiert, lohnt sich der Kauf. Wer Mitte der 80er-Jahre einstieg, bekam für umgerechnet 50.000 Euro ein gutes Exemplar. Heute ist es das Zehnfache wert.
Ersatzteile
Nur 1400 Exemplare des 300 SL hat Mercedes-Benz einst gebaut. Und trotz der geringen Stückzahl gibt es nahezu alle Teile, die es braucht, um einen Flügeltürer auf der Straße zu halten. Was fehlt, wurde nachgefertigt, oft in guter, manchmal sogar exzellenter Qualität. Mercedes liefert die Teile über jede Niederlassung und jeden Händler aus, was aber oft nicht hilft: Die Auswahl einer erfahrenen Werkstatt ist existenziell. Und die gibt es nicht überall.
Empfehlung
Die meisten 300 SL sind längst restauriert. Das klingt gut, doch die Qualität schwankt. Besonders Reimporte aus den USA sollten vor dem Kauf von einem Profi bis ins Detail geprüft werden. Es gibt adrette Exemplare, in deren Tiefe Rohrrahmen lauern, die mit Wasserleitungsrohr geflickt wurden. Ist die Arbeit dagegen handwerklich überzeugend, hat man den Flügeltürern oft die Seele aus dem Blech geschweißt. Dann wirken sie aseptisch und leblos.
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