Der Mercedes Unimog, das Auto vom anderen Stern. Wo alle anderen scheitern – der Unimog kommt durch. Sein Gelände ist die ganze Welt, und doch ist er immer bodenständig geblieben, dieser mittlerweile gut 60 Jahre alte Allzwecktraktor. Ein Unimog, das ist komfortbefreiter Nutzwert in aller Konsequenz. Er ist der Auto gewordene Diener des Menschen. Lebensretter, Ackergerät, Lokomotive, man nenne eine Aufgabe, der Unimog hat die Lösung. Daher, wen wundert’s, hat er auch in Uniform Karriere gemacht. Diverse Heere der Welt vertrauen auf den Unverwüstlichen aus Gaggenau. Globetrotter natürlich auch: Durchs Okavango-Delta zwischen den Krokodilen durch – bitte sehr.

Unimog spielt gern im Schnee: U 411

Mercedes-Benz Unimog 411 U30
In der Kürze liegt die Würze: Mit Komfort hat der 3,63-Meter-411er nichts am Rad.
Die Anden rauf und runter, aber ohne Straße – kein Problem. Durch die Sahara strikt auf dem Wendekreis des Krebses – der Unimog wäre erste Wahl. Na ja, nicht gerade die frühen Agrar-Unimogs wie der kantigschmächtige 411er von 1959 auf unseren Bildern, denn die hatten maximal 34 PS und den Sitzkomfort eines Bollerwagens. In der Kabine herrscht das Sauna-Prinzip, weil der heiße Kühlerausgleichsbehälter dort steht, wo sich in richtigen Autos die Mittelkonsole befindet. Auch der Motor mit dem Charakter einer Rüttelplatte sucht die Nähe zum Menschen: Er sitzt zwischen dem rechten Knie des Fahrers und dem linken des Beifahrers und strahlt Hitze ab wie ein Gartengrill.

Unimog in Pkw-Format: Mercedes G-Modell

Mercedes-Benz Unimog 411 U30
Das Cockpit ist praktisch nackt. Unter der Abdeckung rechts glüht der Dieselmotor.
Das Armaturenbrett ist nacktes Blech, in das Schalter, Instrumente und Warnleuchten nach dem Gießkannenprinzip eingestreut wurden. Einem Fahrzeug solcher Komplexität würde man heute iDrive spendieren. So wachsen die Hebel wie die Tulpen rund um den Fahrer: der fürs Sechsganggetriebe, für Allrad, Rückwärtsgang (ja, ein extra Hebel), Differenzialsperren, Zapfwellen, Handgas sowie Hydrauliken vorn (Frontlader) und hinten (Kraftheber). Eine Handbremse, die eine Verwandte der Wasserpumpenzange sein muss, stakst auch noch aus dem ganzen Chaos. Die Fahreigenschaften verlangen nach Gewöhnung.

Ganz geschmeidig

Der Geradeauslauf entspricht dem einer läufigen Hündin im Park, und frühe Unimogs hatten eine Bremse, die für den Tritt eines usbekischen Ringers ausgelegt war. Warum er so geländegängig ist? Das liegt an seinem Ur-Konzept. Kurzer Radstand, kurze Überhänge, große Räder, viel Bodenfreiheit, starrer Durchtrieb zwischen vorn und hinten, Quersperren an den Achsen, eine enorme Verschränkung dank des massiven Zentralrohrs zur Hinterachse, das alle Schub- und Bremskräfte aufnimmt, sodass die Achsen frei pendeln können. Und er ist nicht bocksteif, sondern intelligent elastisch. Fährt der Unimog über grobe Brocken, dann schwabbelt er einschließlich Lenksäule wie ein Wackelpudding. Beängstigend, aber sicher! Bis in alle Ewigkeit.

Technische Daten

Mercedes Unimog 411 U30: Vierzylinder, Diesel-Reihenmotor • 1767 ccm • 30 PS bei 2550/min • unsynchronisiertes Sechsganggetriebe • zwei Rückwärtsgänge • zuschaltbarer Allradantrieb • Differenzialsperre vorn und hinten manuell • Länge/Breite/Höhe 3630/1630/2280 mm • Radstand 1720 mm • Leergewicht 2220 kg • zulässiges Gesamtgewicht 3200 kg • Steigfähigkeit 60 Prozent • Höchstgeschwindigkeit 50 km/h • Neupreis (1959) 12.500 Mark

Historie

Die Unimog-Geschichte begann 1946 in Schwäbisch-Gmünd bei Erhard & Söhne mit der Konstruktion eines genialen Universaltraktors: Spurbreite wie zwei Kartoffelreihen, vier gleich große Räder, Schraubenfedern, Allradantrieb. Die ersten 600 Exemplare wurden bei Boehringer in Göppingen gebaut – ein Betrieb, den Mercedes 1951 aufkaufte. Der U 401 (1953–1956) trug als erster den Stern, ein Klassiker wurde der 406 (1963–1988) mit Sechszylinder-Diesel.

Plus/Minus

Mercedes-Benz Unimog 411 U30
Das verwinkelt untergebrachte Vierzylinder-Aggregat leistet 30 PS.
Es gibt Liebhaber des Unimog und Leute, denen er egal ist. Dazwischen liegt Niemandsland. Zum gepflegten Herumgondeln sind die kleinen Unimog denkbar ungeeignet, insbesondere die Vierzylinder. Der 406er taugt mit seinen 65 PS eher für längere Strecken. Wer aber Haus und Hof besitzt und immer irgendetwas baut, für den sind schon die 411er perfekte Universal-Werkzeuge. Rollende Schweizer Messer mit der Kraft der zwei Zapfwellen, an die man externe Geräte anschließen kann – Kreissägen, Holzspalter, Schneefräsen. Hier gilt es nur, den Karosserie-Rost in Schach zu halten. Achtung bei den billigen S-Modellen (Ex-Bundeswehr): kolossaler Benzindurst!

Marktlage

Da kaum Unimogs entsorgt werden, sind viele verfügbar, aber auch die Nachfrage ist hoch. 411er und der 406er sind als Cabrio gesucht und kosten bis 15.000 bzw. 25.000 Euro (Note 2). Fürs Militär (mit 62.000 Stück meistgebautes Modell) arbeiteten die schluckfreudigen Benziner (25–45 Liter/100 km) der S-Modelle. Sie werden aus Bundeswehr-Beständen günstig (ab 1500 Euro) angeboten. Ab 1976 gibt es die SBU-Modelle (schwere Baureihe) mit eckigem Fahrerhaus. Sie sind größer, komfortabler, aber auch teurer. Rar sind die allerersten Unimog von Boehringer, einer kleinen Maschinenbaufirma, die später von Mercedes gekauft wurde. Sie kosten ab 50.000 Euro.

Ersatzteile

Von normalen Autos sind nach 50 Jahren so circa 99 Prozent in den ewigen Jagdgründen, vom Unimog rattern noch gut die Hälfte herum. Er ist einfach nicht kleinzukriegen. Die Unimog-Szene sorgt daher für ein gutes Angebot an Ersatzteilen, und der Mutterkonzern Daimler selbst liefert auch tapfer welche. Insbesondere für das S-Modell besteht gar keine Not, weil die Bundeswehr ihre gigantischen Teilelager auf den Markt geworfen hat.

Empfehlung

Als Reisemobil ein Modell der SBU-Baureihe, als Heimtrecker und für kurze Wege der klassische 411er oder der 406 mit Sechszylinder-Diesel bis 110 PS.