"Schweden ist ein wunderbares Land", erzählt Hilma Stellwag, "ziemlich genau wie bei Pippi Langstrumpf. Eine heile Welt mit lauter netten Menschen. Wenn ich in Rente gehe, ziehe ich dorthin. Wie unsere Tochter, die ist schon ausgewandert." Stellwag und ihr Mann arbeiten als gute Geister für alles im morbiden Schloss Ludwigsburg zwischen Greifswald und Lubmin, einst Sitz einer schwedischen Generalsfamilie, heute Heimat eines Kräuterschaugartens und einer musealen Elektrowerkstatt für Touristen. Die beiden marschierten uns neugierig entgegen, als wir den kantigen Zweisitzer auf den Parkplatz stellten. "Was ist denn das für einer?", fragte Hilma. Die Frage war nicht besonders originell, denn ungefähr jeder stellte sie.

Teil 1 der Reihe "Deutsche Strecken entdecken": die Barockstraße

Mit dem Saab Sonett auf der Schwedenstraße
Der mysteriöse Saab Sonett II V4, auch Saab 97 genannt, wurde zwischen 1967 und 1969 vorwiegend in den USA verkauft. In Deutschland laufen davon nur etwa zehn Stück von 1610 je gebauten. Der V4-Motor mit 65 PS, der so klingt, als hätte er ein paar Pflastersteine verschluckt, stammt aus dem Ford Taunus. Bei nur 680 Kilo Gewicht ist der Wagen mit der keilförmigen Kunststoffkarosserie dennoch eine kleine Rakete und ein echter Sportwagen. Er wurde in den USA erfolgreich bei Klubrennen eingesetzt, sieggewohnt, wie einst das Schwedenheer.

Teil 2: mit dem feuerroten Spielmobil auf der Spielzeugstraße

Mit dem Saab Sonett auf der Schwedenstraße
Während nostalgische Deutsche gern nach Namibia oder Sansibar reisen, um dort die Spuren wilhelminischer Kolonialmacht aufzuspüren, fahren nostalgische Schweden nach Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Deutschlands nordöstlicher Landstrich war stellenweise noch bis vor gut hundert Jahren ihrer, Schweden reichte gar bis Berlin und weiter. Noch heute bestehen herzliche Verbindungen zwischen beiden Ländern, was unter Kolonialpartnern nicht wirklich üblich ist. Die Nordmänner benahmen sich unter König Gustav II. Adolf im eroberten "Südschweden" weniger grausam als die Truppen des Habsburger Kaisers Ferdinand. Es werden daher gemeinsam Feste gefeiert (zum Beispiel "die Schweden kommen" in Wittstock, das "Schwedenfest" in Wismar, die "Wallenstein-Tage" in Stralsund, das "Siegesfest" in Großbeeren).

Auswandern nach Schweden

Gegenseitige Besuche sind üblich, und viele Deutsche wie die Stellwags wandern zur ehemaligen Herrschaft aus, weil dort die Job-Chancen größer sind. Irgendetwas scheinen unsere nördlichen Nachbarn richtiger zu machen. Abgesehen vom Auto. Die einst stolze schwedische Autoindustrie ist in US-Hände geraten, was ihr nicht guttut. Neuerdings beginnt bei Saab aber ein gewagtes nationales Experiment als Tochter des Zwergbetriebs Koenigsegg. Da kann man nur "tøi, tøi, tøi!" wünschen. Der V4-Motor rumpelt nach Usedom, genauer nach Peenemünde, einem im Zweiten Weltkrieg zu zweifelhaftem Ruhm gekommenen, düsteren Ort, in dem die V2-Raketen von Wernher von Braun gestartet wurden. In der Friedhofskapelle hängt als Losung an der Wand: "Du sollst nicht töten".

Die Nordlichter kamen im Dreißigjährigen Krieg

Mit dem Saab Sonett auf der Schwedenstraße
Gleich daneben steht ein Gedenkstein für Gustav II. Adolf, den Schweden, Gustaf diesmal mit "f", Inschrift: "Verzage nicht Du Häuflein klein". An der noch heute erkennbaren Schwedenschanze am Ostseeufer betrat 1630 das 20.000 Mann starke schwedische Heer unter seiner Leitung erstmals deutschen Boden – wir befinden uns also im Dreißigjährigen Krieg. Rasch besiegten sie die deutschen Truppen von Feldherr Wallenstein, eroberten weite Landstriche und hinterließen ein teilweise spektakuläres Erbe in Form von Schlössern, Gutshäusern, Denkmälern und nordischer Kultur.

Überall schwedisches Erbe

Mit dem Saab Sonett auf der Schwedenstraße
Stralsund zum Beispiel ist stark schwedisch gefärbt, sichtbar am Commandantenhus, den Bürgerhäusern der Altstadt, dem Scheelehaus, der Königlich Schwedischen Post und einem schwedischen Café. Ähnlich Wismar: Am Marktplatz steht das Gasthaus "Alter Schwede", es gibt die farbenfrohen Schwedenköpfe vor dem Baumhaus, außerdem das Kommandanten-, Proviant-, Zeug- und Brauhaus. Andere wichtige Städte sind Gadebusch, Fehrbellin, Greifswald, Prenzlau, Wolgast. Selbst das Otto-Lilienthal-Museum in Anklam besitzt einen schwedischen Bezug: Die adeligen Vorväter des Flugpioniers hießen Liliendal und stammten aus Schweden.

Tennisplätze auf ehemaligen Schlachtfeldern

Mit dem Saab Sonett auf der Schwedenstraße
Ein weiteres Schwedenerbe sind die Schlachtfelder. Eines liegt bei Wittstock, ein anderes bei Großbeeren, südlich von Berlin. Zur Erinnerung an den Kampf gegen die Franzosen wurde in der Ortsmitte ein Turm errichtet und auf dem Schlachtfeld selbst eine Steinpyramide. Allerdings befinden sich dort, wo vor 200 Jahren die Truppen mit Musketen, Bajonetten und Kanonen aufeinander losgegangen sind, inzwischen Tennisplätze und eine künstliche Wakeboard-Bahn. Die Zeiten ändern sich. Hier geht es zur Schwedenstraße auf Google-Maps.

Auf der Suche nach den Highlights

Ein Nachteil der Schwedenstraße sei noch anzumerken: Sie ist gar keine Straße. Die Erfinder des Projekts – die Schwedische Botschaft in Berlin und die Tourismusbehörden – haben sich bislang nicht die Mühe gemacht, die vielen Orte, an denen schwedische Geschichte sichtbar wird, zu verbinden. So kurvt man etwas planlos durch Nordostdeutschland und versucht mühsam die Highlights zu lokalisieren. Dennoch war unser Sonett so nett, uns über die schönsten Routen zu den Höhepunkten seiner kampflustigen Vorfahren zu befördern, ein bisschen rau zwar, aber sehr herzlich. Typisch schwedisch eben.
Weitere Tipps und Übernachtungsangebote zur Schwedenstraße finden Sie unter: www.schwedenstrasse.com.