Waren Sie schon einmal in einer der großen französischen Kathedralen? Dann hat Sie bestimmt die Weite des Raums beeindruckt, das Spiel mit dem Licht, die Erhabenheit. Und womöglich kennen Sie auch Ägypten, die Kultur der Pharaonen – und die Peugeot 504, die im Land am Nil noch heute so häufig anzutreffen sind wie Baguette und Brioche in einer französischen Bäckerei. Und zwar so ziemlich in allen Aggregatzuständen, vorwiegend aber als Mumien, allerdings solchen im Stadium fortgeschrittenen Verfalls.
Peugeot 504 Familiale
Der Peugeot 504 Familiale wirkt viel größer, als er tatsächlich ist. Der Riesen-Radstand von 2,90 Metern zieht ihn optisch in die Länge.
Bild: A. Emmerling
Über diesen Vergleich kann Uwe Staufenberg (53) aus Weiler zum Stein unweit von Stuttgart nur laut lachen. Sein Peugeot 504 Familiale von 1980 – die korrekte Bezeichnung für dieses späte Modell ist Break Familial ohne "e" – wirkt nämlich ähnlich unberührt wie das Grab von Tutanchamun bei seiner Entdeckung. Knapp 70.000 Kilometer zeigt das Zählwerk im Tacho, und die Kunstleder-Sitzbezüge präsentieren sich so frisch wie die Meeresfrüchte auf dem Markt von Alexandria. "Für mich", sagt Staufenberg, "ist Ägypten ein geniales Land, und ein 504 ist ein Stück Ägypten für zu Hause." Er kennt das Land wie seine Westentasche, hat es kreuz und quer bereist, auch per Taxi. Und ein Taxi ist in Ägypten fast zwangsläufig ein Peugeot 504. "Was man dabei erlebt, vergisst man nie", sagt Uwe. Zum Beispiel einen schweren Unfall mit einem Lkw, den er nur mit viel Glück überstand. Wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht liest sich auch die Geschichte von Abdou. Nein, wir wechseln jetzt nicht das Thema, Abdou heißt Uwes 504 Familiale. "Und zwar nach dem besten Taxifahrer von Assuan", erklärt er stolz. Und der fuhr – dreimal dürfen Sie raten – natürlich einen 504 Kombi.

Königin der Löwen: Peugeot 504 Coupé

Peugeot 504 Familiale
Die Federung ist so samtweich wie die Kissen in einer altägyptischen Sänfte, die Lenkung so direkt wie ein Politiker, der ein Rettungspaket erklären muss.
Bild: A. Emmerling
Uwe forschte nach seinem Exemplar wie ein Ägyptologe nach einem verschollenen Pharaonengrab. Über sechs Jahre dauerte die Suche, bis er 2005 auf einer französischen Internetseite eine Anzeige entdeckte. "Was ich da las, konnte ich kaum glauben: Ein elfenbeinfarbener 1980er 504 Familiale mit 22.000 Original-Kilometern, Standort Paris. Da habe ich sofort angerufen, mich dann in den Nachtzug gesetzt und bin hingefahren." Für die Rückreise konnte Staufenberg auf die Bahn verzichten, er fuhr im Peugeot 504 heim ins Schwäbische. Kaufpreis? Wird nicht verraten. Anschließend grub er die Geschichte seines Autos aus. "Der 504 ist zwar Baujahr 1980, wurde aber erst 1987 zugelassen. Und zwar in London, wo der Besitzer – ein wohlhabender Araber – neben Paris und Genf einen Wohnsitz hatte", erklärt Uwe. Gefahren ist er mit seinem 504 nur, wenn er in London war. Und empfand das Kombi-Schiff dabei offenbar als so unhandlich wie einen Nildampfer, wovon zahlreiche kleine Beulen zeugen. 2004 gab der Araber den 504 ab, und zwar an den Bruder seiner Genfer Putzfrau, einen gebürtigen Marokkaner mit Wohnsitz Paris. "Der fuhr ihn nur ein halbes Jahr – bis ich ihn gekauft habe", sagt Uwe. Seine Vergangenheit macht Abdou so geheimnisvoll wie eine ägyptische Sphinx. Von der Seite betrachtet wirkt er wie ein umgefallener Obelisk – viel länger, als es 4,80 Meter Außenlänge suggerieren. Der 980-Liter-Kofferraum ist vollgepackt mit winzigen Zehn-Zoll-Reifchen. Denn im wahren Leben handelt Uwe Staufenberg seit 1984 weltweit mit Goggomobil-Ersatzteilen – und hält auch die Rechte am Namen "Goggomobil". Deshalb bleibt die dritte Sitzbank, die seinen Familiale zum familientauglichen Sieben- bis Achtsitzer macht, meistens nach vorn geklappt.
Peugeot 504 Familiale
Die Plastiklandschaft im Cockpit des Peugeot 504 ist trist wie eine Pariser Vorstadt.
Bild: A. Emmerling
Sitze und Federung sind so samtweich wie die Kissen in einer altägyptischen Sänfte, und die Lenkung ist so direkt wie ein Politiker, der ein Rettungspaket erklären muss. Dafür packt der 73 PS starke Vierzylinder-Benziner so kräftig zu wie ein antiker Pyramidenbauer – gefühlt liegt mindestens um die Hälfte mehr Leistung an. "Meine Freundin und ich fahren mit Abdou auch in den Urlaub, mit zeitgenössischem Wohnwagen im Schlepp", sagt Uwe. Selbst dann bekommt der 504 im Hochsommer keine Hitzewallungen, denn bei ihm handelt es sich um eine spezielle Afrika-Ausführung. Sein Ölbad-Luftfilter, verstärkte Federn vorn und ein starrer Lüfter, der immer mitläuft, beweisen das. Und der Tankeinfüllstutzen, dessen Durchmesser so groß ist, dass das Reservoir ohne Zapfpistole direkt aus dem Benzinfass befüllt werden kann. So viel Ägypten-Gefühl im schwäbischen Straßenalltag muss sein. So viel französisches Flair ebenso. Denn wenn Sie wirklich noch nicht in einer der großen Kathedralen unseres Nachbarlands waren, kaufen Sie sich einfach einen Peugeot 504 Kombi. Die Weite des Raums, der Lichteinfall durch die großen Fenster und die Erhabenheit werden Sie beeindrucken. Bonne chance!

Technische Daten

Peugeot 504 Familiale
Der 73 PS starke Vierzylinder-Benziner packt kräftig zu – gefühlt liegt mindestens um die Hälfte mehr Leistung an.
Bild: A. Emmerling
Peugeot 504 Familiale Motor: Reihenvierzylinder-Vergasermotor vom Typ XM7 (Familiale mit dieser Motorversion in Deutschland nicht angeboten), vorn längs • seitliche Nockenwelle, über Duplexkette angetrieben, zwei Ventile pro Zylinder, V-förmig hängend, Stoßstangen und Kipphebel, Solex 34 BISCA-3-Vergaser • Hubraum 1796 ccm • Leistung 54 kW (73 PS) bei 5000/min • max. Drehmoment 137 Nm bei 2500/min • Antrieb/Fahrwerk: Viergang-Schaltgetriebe • Hinterradantrieb • Einzelradaufhängung, vorn Schraubenfedern, Dreieckslenker, Drehstab-Stabilisator, hinten starr, Traverse mit Dreieckslenkern, paarweise Schraubenfedern, Stabilisator, Schubrohr, Drehstab • Reifen 185 SR 14 • Maße: Radstand 2900 mm • L/B/H 4800/1690/1550 mm • Leergewicht 1330 kg • Fahrleistungen/ Verbrauch: 0–100 km/h in circa 17 s • Spitze circa 145 km/h • Verbrauch circa 13,5 l Normal/100 km.

Historie

Kombis haben bei Peugeot eine lange Tradition. Schon 1894 präsentiert die Marke im Zeichen des Löwen mit dem Typ 10 ihr erstes Automobil mit dem Beinamen "Break" (ein Begriff aus dem Kutschenbau für einen Wagentyp zum Einfahren junger Pferde). Es hat Platz für fünf Personen, ist allerdings noch kein Kombi nach heutiger Definition. Bereits in der Baureihe 201 (1929–37) bietet Peugeot dann eine auf Praxisnutzen getrimmte Commerciale-Variante an, beim 301 (1932–36) auch eine Familiale-Version – damit ist eine Tradition begründet, die bis zum 505 (1979–92) andauern wird. Der 504 in famosem Pininfarina-Design wird 1968 präsentiert. Die Kombivariante folgt 1971 – wahlweise als Break, Commerciale oder Familiale (ab 1979 Break Familial ohne „e“) – und bleibt bis 1983 im Programm. Der Lastesel 504 Pick-up feiert 1979 Premiere. In Deutschland bleibt der 504 bis Ende 1982 auf dem Markt, in Frankreich bis Ende 1983. In Südamerika und Nigeria läuft er weiter vom Band. In China entsteht bis 1997 ein Lizenznachbau des Pick-up. In Nigeria ist erst 2005 Schluss – nach über 3,6 Millionen Exemplaren.

Plus/Minus

Peugeot 504 Familiale
Mit einem guten 504 Familiale lässt sich reisen wie Gott in Frankreich, urgemütlich und mit einem Komfort wie auf Louis-XVI-Fauteuils.
Bild: A. Emmerling
Oh, là, là, mit einem guten 504 Familiale lässt sich reisen wie Gott in Frankreich, urgemütlich und mit einem Komfort wie auf Louis-XVI-Fauteuils. Platz ist (fast) so viel wie in einem Loire-Schloss: 640 Kilo Zuladung und knapp 1000 Liter Volumen im Heck bei Normalbestuhlung (435 Liter als Sieben- bis Achtsitzer mit hochgeklappter dritter Sitzreihe) – da bleibt selbst bei viel Bagage noch ausreichend Platz. Also, Béret auf und ab über den Rhein. Aber bitte mit Muße: 96 PS leisten die stärksten Benziner-Versionen, der kräftigste Diesel nagelt mit zahmen 70 PS über die Chausseen. Die Selbstzünder sind so unverwüstlich wie Jean-Paul Belmondo, während die Benziner schon mal mit Hitzewallungen kämpfen (Ausnahme: Afrika-Versionen). Größtes Problem: Rost, auch an tragenden Teilen wie der hinteren Aufhängungstraverse. Motor-Ölverlust und verschlissene Differenziale sind weitere typische Gebrechen. Und: Häufig sind die Innenausstattungen arg zerfleddert.

Ersatzteile

Etwa 60 Prozent der Technik-Komponenten sind bei 504-Spezialisten verfügbar. Einen Überblick über Teilelieferanten in Deutschland gibt die 504-Datenbank unter www.michaelsemmler.de ("Links & Adressen"). Bei Blech, Innenausstattung und Elektrik sieht es hingegen düsterer aus: (Guter) Ersatz ist rar und oft teuer. Kombispezifische 504-Teile wie hintere Türen oder Heckklappen sind praktisch nur gebraucht zu bekommen – Kostenpunkt: ab 500 Euro für sehr gute Ware.

Marktlage

504 Kombis (Break, Commerciale, Familiale) sind selten. Auf Franzosen spezialisierte Händler spüren Top-Exemplare, die den Afrika-Exporteuren einst entwischten, gezielt in den südlichen Départements unseres Nachbarlandes auf – und verlangen über 10.000 Euro für sie. Mit Glück wird man für unter 8000 Euro fündig.

Empfehlung

Vive la chance – versuchen Sie Ihr Glück! Ein Familiale ist der Sonnenkönig unter den 504 Kombis. Unser Tipp: Legen Sie sich nicht auf den Familiale fest, sondern schlagen Sie auch zu, sollte ein guter Break (klassischer fünfsitziger Kombi) oder Commerciale (Fünfsitzer mit mehr Nutzlast, spartanischere Ausstattung, Beifahrersitz ausbaubar) Ihren Weg kreuzen.