Werden Automarken durch ihre Teilnahme am Motorsport interessanter und attraktiver für ihre Käufer? Zwei Redakteure diskutieren.
"Ohne Rennerfolge wären einige Marken wohl schon längst Geschichte"
Ja, bitte: Gerald Schadendorf sieht Sport als Basis für wirtschaftlichen Erfolg.
Ein klares Ja. Motorsport macht sexy – jedenfalls die Marken, die dort erfolgreich sind und gleichzeitig ansonsten an Reiz vermissen lassen! Beispiele gibt es viele: Wer sprach von Audi, als die Marke aus DKW-Ruinen auferstand? Sie bauten zwar Autos mit hohem Erfolgspotenzial, über- nahmen aber nahtlos das kleinkarierte Hutträger-Image der alten Klientel. Auch war Audi maßgeblich an der technischen Rettung der Konzernmutter beteiligt, aber auch das war nicht zwingend der Motor für eine große Karriere der Marke selbst. Dann aber entwickelte Audi in Eigenregie einen Allradantrieb und zudem klangvolle Fünfzylinder, fuhr mit dem quattro Pokale ein, zwang so Wackeldackel und Klorolle von der Hutablage und schuf die Basis für den Erfolg als Premiummarke. Man darf sich auch die Frage stellen, ob Lancia nicht noch viel früher von der Bildfläche verschwunden wäre, hätten nicht Fulvia Coupé, Stratos, Beta Montecarlo und Delta S4 bzw. HF Integrale zeitweilig Siegerpodeste abonniert. Und mindestens eine Marke entstand maßgeblich sogar nur aufgrund der Teilnahme an Rennsportveranstaltungen: Carlo Abarth verbuchte zeitweise wahrscheinlich mehr Sporterfolge als gebaute Autos. Fiat baute seinerzeit meistens die Basisfahrzeuge der Abarth-Renner; noch heute nutzt die Marke den seinerzeit eingefahrenen Ruhm für ihre sportlicheren Modelle. Was alle diese Firmen neben den sportlichen Erfolgen gemeinsam haben: Bevor die jeweils einsetzten, waren sie ausgelaugt und erfolglos, ohne eigenes Profil oder mit verblichenem technischen Ruhm. Das unterscheidet sie von VW Anfang der 90er. Der Golf-Konzern war damals zwar knapp an Geld, aber nicht an Verkäufen.
"Rennsiege machen aus einer Mühle keinen Rennwagen"
Frank B. Meyer findet: Sport verbessert das Image, aber selten das Auto.
Ich sehe noch meinen Großvater am Steuer seines Audi 80. Er trug Hut und Hosenträger, das Auto trug innen Beigebraun und außen Inarisilber – und den Aufkleber: "Audi, Rallyeweltmeister 1982". So war’s im Sticker-Zeitalter: Am Fiat Regata der Friseurin prangte das Logo der Rallye Monte Carlo, am Mitsubishi Galant des Cordhosenträgers der "Ralliart"-Schriftzug, am Lancia Delta 1.3 des Fahranfängers der Lorbeerkranz "87, 88–89, 90–91, 92: World Rally Champion". Das beweist drei Dinge. Erstens: Mein Kollege Gerald Schadendorf hat recht, Motorsport lädt eine Automarke emotional auf. Die Fahrer der Autos schmücken sich mit sportlichen Erfolgen. Zweitens: Rennwagen machen Serienautos sexy – aber nur Homologationsmodelle wie den BMW M3. Den Käufern der meisten Autos hilft Motorsport nur, ihre Kaufentscheidung nachträglich zu rechtfertigen. Tatsächlich sind die Basisversionen der größten Rallye-Stars oft die ödesten Schlurren. Fahren Sie mal einen normalen Escort 75, Rover Metro oder Xsara – ich wecke Sie nachher und frage, wie es war. Spätestens seit der Gruppe B haben die Autos auch technisch kaum noch was miteinander zu tun. Was nützt es dem Lancia-Fahrer auf dem Pannenstreifen, dass der Delta S4 die Rallye Argentinien durchgehalten hat. Von der DTM der 2000er-Jahre und ihren Fake-Silhouetten fange ich gar nicht an. Drittens: Kein Rennsieg der Welt macht den Fahrer eines Serienautos sexy. Michèle Mouton strahlt nicht auf Lieschen Müller ab und Walter Röhrl nicht auf meinen Großvater. Von Rennfahrern lernen, also vorausschauend und gefühlvoll fahren, Scheitel- und Bremspunkte treffen, ohne zu rasen – das macht sexy. Aber dabei hilft kein Aufkleber. Soweit die Meinung der beiden AUTO BILD KLASSIK-Kollegen. Was meinen Sie? Stimmen Sie ab!