Im Grunde seines Wesens war der Renault Dauphine keine Sportkanone. Dennoch haben die Franzosen mit dem Typ 1093 versucht, ganz vorn im Motorsport mitzumischen.
Der Name Dauphine ist doppelt passend. Das Wort bedeutet Thronfolgerin und gleichzeitig Delfin, und es heißt natürlich die Dauphine, denn die Anmutung des Wägelchens ist durch und durch weiblich, ungefähr wie beim Karmann-Ghia. Der blieb allerdings grammatisch ganz Mann, besaß aber vorwiegend Freundinnen. Tatsächlich wurde auch die Dauphine mit Unterstützung von Ghia entworfen, daher diese italienische Eleganz, die weltweit als französische Élégance durchging. Dabei war sie doch bloß ein braver Heckmotor-Kleinwagen von 1956, die Thronfolgerin von Königin 4 CV, die das Land nach dem Krieg motorisierte und im französischen Volksmund "motte de beurre" (Butterklumpen) getauft wurde, während die Deutschen "Cremeschnittchen" sagten, was eigentlich besser zur Dauphine gepasst hätte.
Die Anmutung des Renault Dauphine ist durch und durch weiblich, ungefähr wie beim Karmann-Ghia.
La petite Renault war offenbar so chic, dass sogar die Amerikaner eine heftige, wenn auch kurze Love Affair mit ihr begannen. Rund zehn Prozent der Gesamtproduktion von gut zwei Millionen verkaufte Renault tatsächlich in den USA. Wenn die Amis dieses bisschen Auto zwischen den flossenbewachsenen Impala, Imperial und Eldorado herumhoppeln sahen, werden sie von Europa vermutlich ungefähr das Bild gehabt haben, das wir heute von Moldawien empfinden. Aber darum geht es hier nicht, es geht um den Sport, und der ist bekanntlich eine ernste Sache. Mit 27 Serien-PS ließ sich wirklich nicht groß Staat machen, doch angetrieben vom 32-PS Motor des Sportmodells 1063 aus dem Butterklumpen 4 CV gab es schon bald eine Spéciale-Version der Dauphine, die gewann 1956 die Rallye Korsika, 1957 die Tulpenrallye und, jetzt aber Achtung, 1958 die Rallye Monte-Carlo – wobei es dabei generell noch nicht so sehr auf Geschwindigkeit ankam und die Kleinwagen mit Handicap-Wertungen im Vorteil waren.
Die Rallye Korsika auf Anhieb gewonnen
Gut belüftet ist der 49-PS-Heckmotor der Rallye-Dauphine: seitlich vor den Radhäusern rein, hinten wieder raus.
Nächste Stufe war die Dauphine Gordini mit 33 PS (später 36), doch das genügte der Sportabteilung noch immer nicht. Sie entwickelte eine ultimativ scharfe Version und taufte sie 1093, weil sie die dritte Variante der intern als 109 bezeichneten Dauphine war. Ursprünglich sollten nur 1000 Stück für die Homologation als Tourenwagen gebaut werden, es wurden dann aber doch 2140, von denen in Frankreich noch rund 100 erhalten sind. Die 1093 gewann auf Anhieb die Tour de Corse (Rallye Korsika), die damals zwar nicht zur Weltmeisterschaft gehörte, denn die gab es noch nicht, doch war diese Zuverlässigkeitsfahrt in Frankreich bereits gefürchtet und dick in den Zeitungen. 1404 Kilometer ging's kreuz und quer über dieses nur aus Kurven bestehende Inselstraßennetz bei Regen, Nacht und Nebel, das war heavy. Unter den ersten zehn lagen acht 1093er. Typ R 1093 blieb das wildeste Dauphine-Modell mit einer Spitze von gut 140 km/h. Die Sportabteilung kitzelte aus dem 845-Kubik-Motörchen erstaunliche 49 PS durch klassisches Tuning: Doppelvergaser, höhere Drehzahl dank doppelter Ventilfedern, polierte Ein- und Auslasskanäle, Sportauspuff, steilere Nockenwellen und eine viel höhere Verdichtung (9,2:1 statt 8:1).
Dem Fahrwerk wurden härtere Federn untergeschraubt, die Spannung im Kabelbaum stieg auf zwölf Volt, die Trommelbremsen bekamen vorn eine Verrippung zur besseren Kühlung und der Fahrer einen Drehzahlmesser – sowie den Tacho bis 180, sicher ist sicher. Problematisch blieb die Hinterhand, eine simple Pendelachse ohne Führung an Längslenkern. Im Grenzbereich auf welliger Piste verlangte sie eine kundige Hand und rasche Reflexe, damit das Heck nicht plötzlich die Nase vorn hatte. So trat die schnelle Dauphine ab 1962 in zahllosen Rennen und Rallyes an, und ihre Pilotennamen lesen sich wie das Who's Who des französischen Motorsports: Jean-Pierre Nicolas, Gérard Larrousse, Guy Chasseuil, Claude Ballot-Léna, Dany Snobeck, Jo Schlesser, Jean-François Piot, Henri Pescarolo. Sie alle fingen mit dem kleinen Delfin an. Sein Erkennungsmerkmal waren die von den US-Exportversionen bekannten größeren Scheinwerfer mit 180 mm Durchmesser (statt 160) und der blaue Doppelstreifen vom Bug zum Heck, mutig übers Dach, schließlich die Farben: Weiß, später Hellgrau. 6300 Mark kostete der Werksrenner.
Damen siegen
Trotz großer Breitenwirkung des Modells, so erfolgreich wie geplant war die R 1093 im Motorsport nicht. Daher kam schon 1964 die Gordini-Version des Thronfolgers der Dauphine. Der hatte nichts Delfinöses mehr in der Form, sah eher wie mit der Axt zugehauen aus und hieß nüchtern R 8. Doch erregte er wieder richtig Aufsehen im Sport. Die Zeit war gekommen, da genügten 49 PS einfach nicht mehr. Den Kabelsalat und die Zusatzinstrumente rechts einschließlich Tripmaster sollte man sich hier wegdenken, echt sind aber der Drehzahlmesser links und der Tacho im zeitgenössischen Stil. Dito der Außenspiegel – und so (unten) saß der Herr Rallyefahrer damals, als er zum Beispiel die Tour de Corse gewann. Der R 8 Gordini (R 1134) besaß daher zunächst 77 PS, dann 88. Das reichte, um wieder oben aufs Treppchen zu klettern, zum Beispiel dreimal hintereinander bei der Tour de Corse, der Lieblingsveranstaltung aller Renault. 14- mal war das Werk hier erfolgreich, davon viermal mittels einer Dauphine, dieses femininen Kleinwagens, und einmal, 1956, saßen dabei sogar Damen am Steuer.
Historie
Nachgerüstet mit Tripmaster und Zusatzinstrumenten: verfrickeltes Cockpit einer Dauphine R 1093.
Der in die Jahre gekommene kleine Renault 4 CV brauchte einen Nachfolger, verkaufte sich jedoch noch so gut, dass er auch nach Erscheinen des Modells Dauphine 1956 fünf Jahre weitergebaut wurde. Es machte sich zudem die Erkenntnis breit, dass Frontmotor und -antrieb die Zukunft gehört, weshalb als eigentlicher Erbe des 4 CV der R 4 gilt (ab 1961), der die Antriebseinheit des 4 CV kurzerhand andersherum im Bug eingebaut bekam. Die ebenfalls auf dem 4 CV basierende Dauphine blieb im Grunde nur ein Zwischenmodell, das allerdings über zwei Millionen Mal verkauft wurde und besonders im Export Erfolg hatte, auch als Botschafterin des guten französischen Geschmacks. Für den Wettbewerb wurde zunächst der Sportmotor des 4 CV mit 32 PS verwendet, danach kam die erste Gordini-Version mit bis zu 36 PS, schließlich 1961 der Typ 1093 mit 49 PS. Schon 1964 ließ Renault aber vom neuen Haustuner Amédée Gordini den Dauphine-Nachfolger R 8 renntauglich machen. Der wurde ein durchschlagender Erfolg und ist heute, wie die Dauphine 1093, ein rares und gesuchtes Fahrzeug.
Technische Daten
Renault Dauphine R 1093: Reihenvierzylinder, längs im Heck • seitliche Nockenwelle, über Novotex-Zahnräder angetrieben, Stoßstangen und Kipphebel • zwei Ventile pro Zylinder • Doppelvergaser • Hubraum 845 ccm • Leistung 36 kW (49 PS) bei 5600/min • max. Drehmoment 66 Nm bei 4500/min • Viergang-Schaltgetriebe • Hinterradantrieb • Einzelradaufhängung vorn an Querlenkern mit Schraubenfedern, hinten Pendelachse mit Schraubenfedern • Reifen 145 x 380 • Radstand 2270 mm • Länge/Breite/Höhe 3945/1520/1441 mm • Leergewicht 655 kg • 0–100 km/h ca. 8 s • Spitze 140 km/h • Verbrauch 6,4 l/100 km • Neupreis 1962: 6300 Mark.
Plus/Minus
Klassisches Tuning am braven Vierzylinder förderte 49 PS zutage, genug für 140 km/h.
Sie sieht gut aus, die Dauphine, macht mit dem kernig-kehlig klingenden und wirklich gut gehenden 49-PS-Motor Spaß zu fahren. Sie ist eine absolute Rarität mit garantierter Wertsteigerung, am Ende gab es sie sogar mit Scheibenbremsen statt der verrippten Trommeln und einem mattschwarzen Armaturenbrett statt des cremigen, das samt Lenkrad in der Windschutzscheibe spiegelte. Die Nachteile sind wie immer bei Autos dieser Baujahre der unsägliche Rost als Wertevernichter Nummer 1. Empfindlich sind Kotflügel, Schweller, der Kofferraumboden (hat ein Ablaufloch mit Stöpsel), Vorderachsträger, Bodenbleche, Heckabschlussblech und selbst die A- und C-Säulen. Manche Ersatzteile sind schwer zu bekommen, echte 1093-Spezialisten gibt es nicht.
Ersatzteile
Viele technische Bauteile sind noch später in anderen Renault-Modellen verwendet worden, da gibt es keine Engpässe. Schwierig sind Bleche (ein Kotflügel kostet rund 500 Euro), Inneneinrichtungen und die speziellen 1093-Teile, etwa die 180-mm-Scheinwerfer, die verrippten Bremstrommeln, Zylinderköpfe, Ventilfedern, Vergaser, dann auch manche Zwölf-Volt-Teile, denn die Standard-Dauphine begnügte sich mit sechs Volt. Der Dauphine-Club Schweiz hat größere Bestände an Teilen im Angebot.
Marktlage
Dauphine bedeutet Thronfolgerin, aber auch Delfin, das passte zur Form.
Welche Marktlage? In Deutschland ist das Auto praktisch ausgestorben, in Frankreich haben aber rund 100 Stück überlebt, von denen einige wie neu sind, einige aber auch Schrotthaufen. Manche normalen Dauphine oder auch Gordini-Versionen wurden auf 1093 umgebastelt, auch wenn das nicht so leicht ist, daher sehr sorgfältig prüfen. Eine gute Informationsquelle ist Jean-François Riou. Doch gehandelt werden die 1093 nicht: Sie sind in festen Händen, und wer unbedingt eine haben will, muss viel Geld in die Hand nehmen. Unter 20.000 Euro sollte es nicht gehen, aber es gibt derzeit keinen Marktpreis.
Empfehlung
Die zweite Serie mit Scheibenbremsen und schwarzem Armaturenbrett wäre der bessere Kauf, aber man kann ja froh sein, überhaupt eine 1093 zu finden. Die Alternative heißt Dauphine Gordini, deutlich schwächer und lahmer, aber ganz und gar nicht ohne Charme. Hier liegt der Preis bei etwa 8000 Euro für Zustand 2.