Was war eigentlich los, damals, Mitte der 70er? Massenpsychose, Gehirnwäsche, Außerirdische mit Geheim­strahlen? Alles, was zuvor jahrzehnte­lang gut und richtig war, galt plötzlich als großer Käse. Die bis dahin erfolgreichen Autos besa­ßen Hinterradantrieb und angehängten Kofferraum, wie in China heute. Nach diesem Muster gab’s alle Opel und alle Ford ab 1970, so war ganz Amerika, zum größten Teil Japan, so war Volvo, DAF, halb Britannien, und daran ver­zweifelte Volkswagens Käfer: Dessen kleiner Kofferraum, kriminelle Fahreigenschaften, kauziges Aussehen und kümmerliche Heizung führten VW fast in die Pleite. Und was tat Wolfsburg? Volles Risiko durch freches Ignorieren des klassischen Erfolgs-Layouts.
Golf I
Der Fronttriebler aus Wolfsburg zeigt im hohen Alter nochmal, was Kurvenlage heißt ...
Bild: C. Bittmann
Der Golf trat auf, Rächer der verlorenen Ehre des Frontantriebs und Henker des ange­hängten Kofferraums. Und der Kadett, das Maß der Dinge mit seinem geliebt-gelobten Gepäckanbau, seinen tadellosen Fahreigen­schaften, seiner Zuverlässigkeit, er war auf dem Höhepunkt der Schlaghosen-Epoche urplötzlich ein Gestriger. Opel reagierte, sägte 1975 dem Kadett C als Sofortmaßnahme den Koffer­raum ab und nannte ihn City. Damit hatte er zumindest beim Aussehen gleichgezogen, es blieb aber noch immer das alte technische Konzept. Auch DAF verkaufte seine braven Stufen-Limousinen mit schiefem Ab­gang, ein Zwitter zwischen Fastback und Kombiheck, und sie besaßen natür­lich ebenfalls Hinterradantrieb plus das geniale DAF-Getriebe, das einen viel sinnstiftenderen Umsturz hätte auslösen müssen als der gekappte Kofferraum. Beweist die Form-Revolution des ers­ten Golf, dass Kofferräume überschätzt werden?

Autos der 70er: die Deutschen

Opel Kadett City
... aber steckt ihn der Heckantriebs-Kadett City nicht in die Tasche?
Bild: C. Bittmann
Irrtum. Wir wollen nicht den Wohlstandsfaktor übersehen. Vorausgegangen war ja die massenhafte Moto­risierung. Jetzt, in den 70ern, wurde die Hinterbank nur noch selten für ausgewachsene Leute gebraucht, sie diente immer mehr auch zur Aufnahme von Ladung. So teilten sich nun Menschen und Dinge zeitlich versetzt den Raum im hinteren Teil des Autos, diesem neuen geistigen Bruder des Schweizer Mes­sers. Und daran ist ja nun nichts falsch, wie die Zeit seit den 70ern gezeigt hat. Aber jetzt zur Praxis: Wir haben VW Golf I, Opel Kadett City und DAF 66 auf ihre alten Tage noch mal auf den Test-Parcours geschickt. Hier die Einzeltests:
DAF 66
Und wie geht, nein: fährt unser Exot, der variomatische DAF? Fragen über Fragen – die der Vergleichstest beantwortet.
Bild: C. Bittmann
Zugegeben, autoarchäologische Untersuchungen der Schrägheck-Frühzeit sind heute diffizil, die rollenden Altertümer kommen ja nicht im Neuzustand. Dennoch ergab unser Vergleich einen Sieger: den Golf. Was denn, den Golf? Denen fällt auch nichts mehr ein, werden Sie sagen, aber was sollen wir denn tun? Die Fakten, die Fakten, die Fakten sprechen für den Golf. Ursprünglich hatten wir ja – das bleibt aber ganz unter uns – die Anarcho-Hoffnung, dass der DAF gewinnen könnte, denn der ist in seiner ganzen rumpelstilzigen Kauzigkeit ein echter Sympathieträger, und eigentlich hat seine fantastische Variomatic den späten Ruhm verdient. Aber es ging beim besten Willen nicht. Gegen die stocknüchternen Deutschen stand er auf verlorenem Posten, zusätzlich gehandicapt vom DAF-Image, das auf der nach unten offenen Knuddel-Skala irgendwo unterhalb des Spiegels der Zuiderzee plätschert. Ein Jammer. Und der Kadett? Er ist der Liebling unserer Rennfahrerherzen.
Fazit: Volkswagen schlägt Opel schlägt ausländischen Außenseiter, seit Jahrzehnten dasselbe Lied. Im Automobil-Kompetenzzentrum Wolfsburg bauten sie schon damals die besten Autos, aber, und das sei unser Trost, nicht die aufregendsten und raffiniertesten, denn die heißen diesmal Kadett als Sportkanone und DAF 66 als Hightech-Avantgardist. Der Golf holt die meisten Punkte, aber Herzen gewinnen sie alle. Eindrücke von unserem Vergleichstest finden Sie oben in der Bildergalerie!