Es ist der Geist der maßlosen, exzentrischen, selbstverliebten achtziger Jahre, der dieses Auto umgibt. Der Audi Sport Quattro ist maßlos in der Motorisierung, im technischen Aufwand und ohne jede Zurückhaltung beim Preis, wie ein Spiel ohne Grenzen. Als Audi ihn Anfang der 80er Jahre als Rallye-Waffe gegen Lancia Rally 037 und Peugeot 205 T16 einsetzt, ist er das teuerste Auto deutscher Produktion (204.000 Mark), der bis dahin stärkste Audi (306 PS) und der erste mit Leichtmetallmotor und Vierventil-Querstrom-Zylinderkopf. 200 Stück muss Audi in zwölf Monaten bauen, um die Homologation zu erhalten. Die Nähe zur Serie ist nur vorgegaukelt, in Wirklichkeit operiert der Sport Quattro auf Prototyp-Niveau. Es geht um den Sieg! 32 Zentimeter sparen die Ingenieure beim Radstand ein, damit "der Kurze", wie ihn alle Welt bald nur noch ruft, auf Asphalt und Schotter agiler um die Ecken kommen möge. Vorn sitzt es sich normal und überraschend bequem, aber von der Rücksitzbank bleibt nur ein Ablage übrig.
Audi Sport Quattro
32 Zentimeter sparen die Ingenieure beim Radstand ein, damit "der Kurze" auf Asphalt und Schotter agiler um die Ecken kommt.
Bild: L. Barthelmess
Links und rechts wuchern kantige Kotflügel aus dem Karosseriekörper, neun Zoll breite Räder mit eigens angefertigten Michelin-Reifen im Format 235/45 VR 15 quellen hervor. Gedrungen und aggressiv ist das gestauchte Gesamtbild des Sport Quattro: Das Dach ist kürzer, Front- und Heckscheibe stehen steiler. Elegant oder schön nennt Audis Schöpfung niemand, die Anziehungskraft liegt im Festgewachsensein mit dem Untergrund, in der ungehobelten Zweckform des Kampfanzugs. Die zerklüftete Front wird von Öffnungen für Kühl- und Ladeluft gespalten und zerrissen. Im langen Bug herrschen Temperaturen wie im Innern der Sonne, mit Gewalt scheint der Motor seinem Abteil entfliehen zu wollen. Natürlich kommt hier kaum etwas aus der Großserie: Nur bis zur B-Säule ist der Kurze eine Audi 80 Limousine, ab da ein Audi Coupé. Die Bodengruppe besteht aus Teilen des Audi Quattro und 80 Quattro. Übernommen werden immerhin die Serientüren der Audi 80 Limousine, die Heckklappe besteht aus GFK. Kotflügel, die hinteren Seitenteile, Dach, Motorhaube, Front- und Heckschürze werden von Schweizer Spezialisten gefertigt und angeliefert. "Diese Teile bestehen aus mehrschichtigem Kevlargewebe, Epoxidharz und verschiedenen Zusätzen. Die Herstellung und Bearbeitung dieses extrem formsteifen und dennoch superleichten Materials macht denn auch einen Großteil der Gesamtkosten des Audi Sport Quattro aus", fasst es ein hausinterner Leitfaden zusammen.

Auf den Spuren einer großen Idee: Klassiker mit Allradantrieb

Audi Sport Quattro
Über das Gewaltpotenzial der kantigen Konstruktion kann auch seriöses Malachitgrün nicht hinwegtäuschen.
Bild: L. Barthelmess
Es braucht einen erfahrenen Partner wie Baur, um den komplexen Teilesatz zu einem soliden Ganzen zusammenzufügen. Über 300 Kilo speckt der Kurze ab im Vergleich zum normalen Quattro, bei rund 1300 Kilogramm liegt das Leergewicht. Sogar der Hubraum wird von 2144 auf 2133 ccm reduziert – denn im Renn-Reglement wird der Hubraum von Turbomotoren mit 1,4 multipliziert. Autos ab drei Litern (also Turbos ab 2143 ccm) müssen in der Wettbewerbsversion mindestens 1000 Kilo wiegen – das vermeidet Audi. Vierventil-Technik, zwei oben liegende Nockenwellen, Motorblock und Querstrom-Zylinderkopf aus Aluminium – das alles ist neu und ganz und gar gewaltig. Die Literleistung des Fünfzylinders liegt bei rennwagenverdächtigen 141 PS, für den Einsatz in der Rallye-WM werden 450 bis 500 PS angepeilt und schon bald übertroffen. Nur zehn Sekunden braucht der in weiteren Evolutionsschritten radikalisierte Audi Quattro S1, um von null auf Tempo 200 (!) zu beschleunigen. Sogar Walter Röhrl muss gestehen: "Im Prinzip bist du bei diesem Auto mit dem Denken schon zu langsam." Ein Satz für die Ewigkeit.

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Audi Sport Quattro
Für ein Rallyemonster ganz schön zivil. Der Innenraum überrascht mit Leder, tiefen Teppichen und billigem Kunststoff.
Bild: L. Barthelmess
Ende April 1984 ist die komplette Stückzahl von 200 Fahrzeugen gebaut, die ersten Exemplare kommen bei den Kunden an, Herrscher haben Vorrang. Aga Khan erhält den ersten Sport Quattro, König Juan Carlos von Spanien und Kaiser Franz Beckenbauer bekommen auch welche. Dem Dirigenten und PS-Junkie Herbert von Karajan wird zum Abgleich der Konkurrent Peugeot 205 T16 danebengestellt. Ansonsten schleppt sich der Verkauf zäh dahin. Es gibt keine Extras und nur vier Farben: Tornadorot, Kopenhagenblau, Alpinweiß, Malachitgrün. Jede Farbe ist ohne Aufschlag zu bekommen, was bei einem Preis von 203.850 Mark wie feiner Humor klingt. Zwei Sport Quattro werden auf Ferdinand Piëchs Wunsch schwarz lackiert. An jedem einzelnen der etwas über 200 Kurzen verliert Audi Geld – sie hatten mit 500 bis 800 verkauften Autos gerechnet. Da hilft es auch nicht, dass der Sultan von Oman spontan 14 Exemplare bestellt, die zum Teil aus Ersatzteilen komplettiert werden. 14 Kurze für den Sultan – in den 80er-Jahren war sogar das normal.

Technische Daten

Audi Sport Quattro
Im sehr langen Kevlar-Bug hängt weit vor der Achse der urgewaltige Leichtmetall-Fünfzylinder, auf 306 PS geladen.
Bild: L. Barthelmess
Audi Sport Quattro Motor: Reihenfünfzylinder, vorn längs • Abgasturbolader, Ladeluftkühler • zwei obenliegende Nockenwellen, über Zahnriemen angetrieben, vier Ventile pro Zylinder • elektronische Einspritzung Bosch LH-Jetronic • Hubraum 2133 ccm • Leistung 225 kW (306 PS) bei 6700/min • max. Drehmoment 350 Nm bei 3700/min • Antrieb/Fahrwerk: Fünfgang-Schaltgetriebe • Allradantrieb mit pneumatisch sperrbaren Zwischen- und Hinterachs-Differenzialen • Einzelradaufhängung an MacPherson-Federbeinen, Querlenkern und Schraubenfedern rundum • Räder/Reifen 9 x 15" mit 235/45 VR 15 • Maße: Radstand 2204 mm • L/B/H 4160/1780/1345 mm • Leergewicht 1300 kg • Fahrleistungen/Verbrauch: 0–100 km/h in 4,9 s • Spitze 250 km/h • Verbrauch 12,6 l Super plus pro 100 km • Neupreis: 203.850 Mark (1984).

Historie

Winter 1977: Der erste Prototyp A1, ein Audi 80 mit 160 PS und permanentem Allradantrieb, bringt das Projekt eines Sportwagens mit Vierradantrieb ins Rollen. 1978: Im A2, einem Audi 80 GLE, werden Fünfzylinder- Turbomotor (200 PS) und neuer Allradantrieb erprobt. 1978: Der A3 erhält die kantig gezeichnete Coupé-Karosserie. Der von Audi eingebrachte Name "Quattro" schlägt das von VW favorisierte "Carat" als Modellbezeichnung. 1980: Der Audi Quattro (200 PS) debütiert auf dem Genfer Salon. 1982: Eine Elektropneumatik ersetzt die manuell betätigten Differenzialsperren. 1983: Der Audi Sport Quattro (306 PS), Basis für die Gruppe B, wird vorgestellt. 1985: Der Audi Quattro erhält ein Facelift mit schräg gestellter Front und einteiligen Scheinwerfern, außerdem ABS in Serie. 1987: Ein selbstsperrendes Torsendifferenzial ist beim Audi Quattro serienmäßig, der Hubraum wächst von 2,1 auf 2,2 Liter, der Turbolader ist wassergekühlt. 1989: Der deutlich überarbeitete Quattro mit 220 PS erscheint, der Reihenfünfzylinder verfügt über die beim Sport Quattro eingeführte Vierventiltechnik. 1991: Ende der Ur-Quattro-Produktion nach 11.452 Stück. 

Plus/Minus

Audi Sport Quattro
Widersprüche und Extreme machen den Reiz des Audi Sport Quattro aus.
Bild: L. Barthelmess
Widersprüche und Extreme machen den Reiz des Audi Sport Quattro aus. Er wirkt grob und hemmungslos, ist fein möbliert und teilweise billig gemacht. Er wurde nur für einen Zweck konstruiert, den Einsatz auf Asphalt und Schotter, fährt aber als Zivilversion komfortabler als so manch moderner Kleinwagen. Das irre Zusammenspiel aus gewaltiger Leistung, Anabolika-Optik und Allradantrieb machen den Kurzen zu einem ganz Großen der Automobilgeschichte. Leider verdankt der Audi Sport Quattro seine technische und historische Ausnahmestellung einem Giftcocktail aus meist kostspieligen Kleinstserienbauteilen – aus Furcht vor Schäden und Verschleiß wird der ehemals stärkste deutsche Serienwagen seiner Zeit allzu oft zum Stillstand verdammt. Gut, dass wenigstens ein paar alte Rallye-Autos ab und zu mal rauskommen.

Ersatzteile

Glück gehabt! Nicht alles ist maßgeschneidert, ein paar Großserienteile haben es tatsächlich in die Sport-Quattro-Fertigung geschafft: Die Türen kommen vom Audi 80 B2, die Treser-Heckleuchten tragen auch Coupé und Normal-Quattro, beim Armaturenträger wurde ebenfalls nicht jeder Schalter und Hebel neu erfunden. Der Rest ist fast ausschließlich Spezialmaterial, meist aus Kevlar, GFK oder Aluminium. Dennoch: Spezialisten wie die Garage Bachmann in der Schweiz, die Quattromanufaktur und Hans Vierlbeck können mit Ersatzteilen – mal original, meist reproduziert – und Wissen weiterhelfen.

Marktlage

Damals hatte Audi Schwierigkeiten, die Kurzen zum Stückpreis von 200.000 Mark unters Volk zu bekommen, heute sind sie selten und kosten rund 200.000 Euro. Wenn dann sogar mal ein echter Überlebender der materialmordenden Rallye-Zeit angeboten wird, drehen die Preise in den tiefroten Bereich.

Empfehlung

Exorbitant hohe Kosten bei Kauf und Unterhalt sprechen gegen den Sport Quattro, Hochleistungstechnik und Seltenheit für ihn. Es gibt jedoch Alternativen, die nicht minder schwach oder historisch bedeutsam sind: einerseits der 316 PS starke RS2, der Porsche im Audi-80-Avant-Kleid, andererseits der pure Ur-Quattro. Im Doppelpack erworben, kosten sie rund ein Viertel eines Sport Quattro.