In den 80er-Jahren durfte es gern mehr, oft auch zu viel sein. Zu viel Schulterpolster, zu viel Pomp, zu viel Geld, zu viel des Guten. Zurückhaltung und Bescheidenheit waren allenfalls Sekundärtugenden. Mit 99.130 Mark stand 1984 ein Bitter SC 3.9 in der Liste, zwar mit großem Motor, aber ohne Extras. Die Opel-Basis mit Dreiliter-Sechszylinder, bestehend aus Senator und Monza, war im Doppelpack günstiger zu bekommen. Doch was heißt zu viel, wenn das Schönste gerade gut genug ist? Den Hardcore-Individualisten unter den GT-Käufern, die Designer-Formen und solide deutsche Technik zu schätzen wussten, schien der Preis einfach gerechtfertigt. Ein Bitter SC galt als treffende Wahl, wenn es um elegantes Auftreten und seriöses Image abseits der Norm ging. Anders gesagt: Wer einen Bitter SC fuhr, hätte wohl keine S-Klasse der Stylinggarage genommen. Natürlich war immer noch mehr möglich. Eine kunstvoll geraffte Knautschleder-Ausstattung oder Myrtenwurzelholz für die Opel-Armaturenlandschaft wurden einst gern hinzugeordert.
Bitter SC 3.9
Das SC-Design ist von den Ferrari-Typen 365 GT/4 und 400 GT beeinflusst.
Bild: H. Neu
Der als Ausbund der Bodenständigkeit geltende Heino bestellte seinen SC in Rot mit goldenen Rädern, und sechs Kunden machten sogar beim Allradantrieb nach der "Formula Ferguson" ein Kreuzchen. Abenteuerliche 35.000 Mark kostete sie dieser Umbau, dafür hätten sie 1983 auch einen gebrauchten Audi quattro als Winterauto erwerben können. Stammkunde Paul Breitner gab seinen alten CD in Zahlung und nahm einen neuen SC mit nach München, wo mal die halbe Mannschaft des FC Bayern Bitter fuhr, den Prominenten-Konditionen des Firmenchefs Erich Bitter sei Dank. Mit seinem Auto wolle er kein Italienisch reden müssen, sagte Breitner. Mit dem verschnupft klingenden Summen des drehfaulen Opel-Sechszylinders hatte er kein Problem. Dem SC hat seine Karriere aus bürgerlicher Herkunft und Designer-Anzug nie geschadet, er sah einfach gut aus und machte sonst keinen Ärger. Ging tatsächlich mal etwas kaputt, konnte jede noch so kleine Opel-Werkstatt das Malheur an einem Vormittag beheben.

Drei Generationen Bitter: Bitter Vero, Bitter CD, Bitter SC

Bitter SC 3.9
Ein Bitter SC galt als treffende Wahl, wenn es um elegantes Auftreten und seriöses Image abseits der Norm ging
Bild: H. Neu
Im Grunde seiner Konstruktion blieb auch der SC ein weiterentwickelter Rekord E. Die Mischung stimmte, kein anderer Bitter wurde häufiger gebaut. Und in der Welt der Kleinserien war er mit einer Auflage von 461 Stück in sechs Jahren sogar ein Riese. So wie Erich Bitter in der Autoindustrie der 80er-Jahre ein Zwerg war – auch wenn der Ex-Radprofi, Ex-Rennfahrer, Ex-Autoimporteur, Ex-Zulieferer und leidenschaftliche Dauer-Unternehmer es voller Selbstbewusstsein andersherum formulierte: achtgrößter Automobilhersteller Deutschlands! Wer eigentlich Nummer neun war, wurde in diesem Zusammenhang nie geklärt. Dass es mit dem SC noch so gut laufen würde, war anfangs kaum zu erwarten gewesen. 1979 hätte der Prototyp beinahe das Ende der Firma bedeutet: Mitten in der Konstruktionsphase starb Designer Michelotti. Das Geld war weg, der Prototyp eine schief sitzende Ruine, bereits bezahlte Presswerkzeuge fehlten ebenso wie Dichtgummis an den Türen oder eine Zwangsentlüftung für den Innenraum. Für solche praktischen Details hatte Maestro keine Muße gehabt.

Neue Deutsche Welle: Deutsche Autos der 80er

Bitter SC 3.9
Armaturenträger und Mittelkonsole kommen von Opel, mit vielen Extras aufgewertet.
Bild: H. Neu
Wie Bitter das Projekt zur Serienreife brachte, verdient heute noch Respekt. Den Michelotti- Entwurf mit Ferrari-Einflüssen zeichnete er eigenhändig zu Ende, und selbst die Pfuscher der Karosserie-Klempnerei OCRA, die lustlos billiges Recyclingblech in Form brieten, überlebte das Projekt irgendwie. Ohne Konservierung und Lack kamen die Karosserien über die Alpen, sie rosteten schon, als in Schwelm Technik und Innenleben verbaut wurden. Nach 79 Exemplaren machte Bitter dem OCRA-Spuk ein Ende, überließ den Profis von Maggiora den Karosseriebau und den Ordnungsfanatikern von Steyr-Puch die Endmontage. Es gab kein Verwinden, kein Knarzen, kein rustikal geschnitztes Plastik – wer schon viel Geld beim Kauf eines Maserati oder Aston Martin versenkt hatte, erfuhr beim Bitter SC das erste Mal, dass Autos mit diesem Aussehen auch funktionieren konnten.
Das Ausland war sich einig: Machart und Styling stimmten, bei Hubraum und Leistung mangelte es noch. Auf dem Export-Markt USA, wo ein Dreiliter-Sechszylinder als Einstiegsmotorisierung galt, war das schnelle Design des Bitter SC mit 180 PS untermotorisiert. Weil die Opel-Serie nicht mehr hergab, entwickelte Motorenfachmann Dieter Mantzel einen Reihensechszylinder mit 210 PS und 3,9 Liter Hubraum dank langhubiger Kurbelwelle. Mit dem Bitter SC 3.9 erlebten Marke und Macher 1984 ihren Höhepunkt: Zürich, Turin, Beverly Hills, SC Viertürer und Cabriolet, Bitter war berühmt, Erich Bitter war überall. Es folgten Fast-Konkurs und Beinahe-Neubeginn, doch die Projekte der 80er- und 90er-Jahre, Bitter GT, Type 3 und Berlina, blieben Anekdoten. Eine neue Bescheidenheit hielt Einzug: Etwas über 25.000 Euro kostet heute ein Bitter SC. Das ist nicht zu viel. 

Historie

Bitter SC 3.9
Der Sechszylinder aus dem Opel Senator bekam eine Kurbelwelle mit mehr Hub. Ergebnis: 210 PS aus 3,9 Liter Hubraum.
Bild: H. Neu
1977 stellt Opel die KAD-Baureihe (Kapitän, Admiral, Diplomat) ein, damit entfällt auch die Grundlage für den Bitter CD (Coupé Diplomat). Bei Bitter beginnt die Entwicklung eines CD-Nachfolgers. 1979 steht ein Bitter-SC-Prototyp auf der IAA in Frankfurt, Basis des Gran Turismo ist der Opel Senator (SC = Senator Coupé) mit Dreiliter-Reihensechszylinder und 180 PS. Einsatz in Monaco: Beim Großen Preis im Fürstentum dient 1980 ein Bitter SC als Safety Car. 1981 übernimmt die Carrozzeria OCRA in Turin die Fertigung des Bitter SC, wegen schlechter Qualität verlagert Erich Bitter nach nur 79 Exemplaren die Produktion zu ILCA Maggiora, Turin, die abschließende Endmontage erfolgt nach wie vor in Schwelm bei Bitter. Um die Stückzahlen zu erhöhen, übernimmt 1983 Steyr-Daimler-Puch in Graz die Endmontage. Auf Wunsch ist für 35.000 Mark Aufpreis ein Ferguson-Allradantrieb erhältlich. 1984 startet die Produktion des viersitzigen SC Cabriolet. Ein bei Mantzel weiterentwickelter 3,9-Liter-Sechszylinder mit 210 PS erweitert die Motoren-Palette. 1985 erscheint der viertürige Bitter SC Sedan mit verlängertem Radstand, 1986 wird der letzte von 461 Bitter SC gebaut.

Technische Daten

Bitter SC 3.9: Motor: Reihensechszylinder, vorn längs • seitlich im Kopf liegende Nockenwelle (cih), über Duplex-Rollenkette angetrieben, Zwei Ventile pro Zylinder, elektrische Einspritzung Bosch LE-Jetronic • Hubraum 3849 ccm • Leistung 154 kW (210 PS) bei 5100/min, mit Katalysator: 147 kW (200 PS) • max. Drehmoment 327 Nm bei 3400/ min • Antrieb/Fahrwerk: Fünfgang- Schaltgetriebe (auf Wunsch Dreistufenautomatik) • Hinterradantrieb • Einzelradaufhängung, vorn an McPherson-Federbeinen, hinten an Schräglenkern, Gasdruck-Stoßdämpfern u. Minibloc-Schraubenfedern • Räder/Reifen 7x14“ mit 205/70 VR 14 • Maße: Radstand 2683 mm • L/B/H 4910/ 1820/1350 mm • Leergewicht 1540 kg • Fahrleistungen/Verbrauch: 0–100 km/h in 7,6 s • Spitze 230 km/h • Verbrauch 11,8 l S pro 100 km • Neupreis: 99.130 Mark (1984).

Plus/Minus

Bitter SC 3.9
Mit dem Bitter SC 3.9 erlebten Marke und Macher 1984 ihren Höhepunkt: Erich Bitter war überall.
Bild: H. Neu
Brillantes italienisches Design über solider Großserientechnik: So ein Bitter SC hat mit Traumwagen wie Iso, De Tomaso und Jensen vieles gemeinsam, kostet aber deutlich weniger. Das ist auch ein Verdienst der technischen Komponenten aus dem Opel-Regal, die langlebig, ausgereift und im Fall der Fälle günstig zu ersetzen sind. Nachteil dabei: Der gusseiserne Sechszylindermotor des Senator versagt sich jede Sportlichkeit, das Versprechen der Form kann die Technik nicht einhalten. Als gediegener Gran Turismo überzeugt der SC hingegen vollends, bietet vier Personen reichlich Platz, der Kofferraum ist ernst gemeint, und Fahrzeuge mit Katalysator sind sogar umweltzonentauglich. Doch der Spaß hat seine Grenzen: Wehe, das Blech ist vom Rost befallen, oder spezifische Bitter-Teile fehlen. Dann wird’s genauso teuer wie bei Iso, De Tomaso oder Jensen.

Ersatzteile

Türen, Hauben, Kotflügel, Blech und Zierrat im Allgemeinen, viele Teile des Innenraums im Speziellen: Was bei einem Bitter SC zu sehen ist, kommt meist teuer und ist schwer zu finden. Typisch Kleinstserie. Bei der Mechanik verhält es sich meist andersrum. Ausnahme: der 3,9-Liter- Mantzel-Motor, der sich in vielen Details vom Großserien-Dreiliter-Triebwerk unterscheidet. Beim Aufbau eines SC kann sich der Kauf eines Teileträgers lohnen. Auf jeden Fall empfehlenswert ist Kontakt zum rührigen Bitter Club, der mit Infos und Originalersatzteilen weiterhelfen kann.

Marktlage

Für die seltenen SC Cabriolets und ultrararen Sedan existieren keine Marktnotierungen. Der Preis für ein ordentliches SC Coupé beginnt bei 20.000 Euro, ein SC 3.9 liegt ein paar Tausender darüber. Für beide Varianten gilt: Das Angebot ist klein, die Nachfrage dürfte noch kleiner sein. Billig war, ist und wird ein Bitter nie.

Empfehlung

Vorsicht bei Autos mit unklarer Service-Historie, auffallender Verkaufslackierung oder kleiner Fahrgestellnummer. Um die miserabel gefertigten frühen OCRA-Autos von späteren Modellen zu unterscheiden, ließ Bitter die Nummern 100 bis 199 unbesetzt und fing bei 201 neu an. Wer sich Leid und Lehrgeld ersparen möchte, sollte beim Kauf auf die Hilfe eines Profis in Sachen Blech und Mechanik oder einen erfahrenen Bitter-Eigner setzen. Vielleicht kennt Letzterer sogar das Auto schon – der Kreis der Bitter-Fans ist klein.