Der Rückblick auf die 80er-Jahre fördert allerlei Skurriles zu Tage. Zum Beispiel Jogginghosen, die in Cowboy-Stiefeln steckten. Oder Popperfrisur und Lederkrawatten. Nicht zu vergessen die damals noch neue deutsche Welle, die uns mit Hymnen wie "Ich geb Gas, ich will Spaß" beglückte. Vieles ist Geschichte. Doch manches hielt sich zum Glück standhaft bis heute. Wie das BMW Cabrio. Mitte der 80er-Jahre, als BMW das E30-Cabrio präsentierte, war es fast eine kleine Sensation. Denn bis dahin waren bügelfreie Cabrios mit vier richtigen Sitzplätzen nicht nur sehr rar, sondern auch ein höchst elitäres Vergnügen. Denn wer damals zu viert dem bügelfreien Oben-ohne-Fahrspaß frönen wollte, hatte nur die Auswahl zwischen den blaublütigen Zwillingen Bentley Continental und Rolls-Royce Corniche.
BMW 320 E30 Cabrio
Einfach zeitlos schön: Das schnörkellos gezeichnete E30-Cabrio gefällt mit unaufdringlicher Eleganz.
Gut, die knapp geschnittenen 2+2-Sitzer Ferrari Mondial, Maserati Biturbo und Porsche 911 Cabrio gab es auch noch. Doch deren Platzangebot in den hinteren Sitznischen war eigentlich nicht einmal kleineren Kindern auf Dauer zuzumuten. Erst beim Blick in den Rückspiegel wird also der Stellenwert des E30-Cabrios für die jüngere Automobilgeschichte klar. Tatsächlich war der – vor diesem Hintergrund durchaus berechenbare – Erfolg der Münchener so etwas wie eine Initialzündung. Viele Hersteller, allen voran Saab mit dem kurz darauf erschienenen 900 Cabrio, öffneten sich in den folgenden Jahren ebenfalls dem ästhetischen Empfinden der meisten Frischluft-Fans und verzichteten auf den stabilisierenden Bügel.

Der Erfolg des 3er Cabrios weckte die Konkurrenz

BMW 320 E30 Cabrio
Jeder Griff ein Treffer: perfekte Ergonomie, klasse Design und eine gute Verarbeitung.
Das Erfolgsgeheimnis des E30-Cabrios beruht indes nicht allein auf seiner vollkommenen Offenheit. Denn unter dem geradlinigen und schnörkellos gezeichneten Blech verbarg natürlich auch der Oben-ohne-3er alles, was dem Slogan von der "Freude am Fahren" Inhalt gibt. Garant hierfür ist vor allem der gleichermaßen durchzugskräftige wie drehfreudige 170-PS-Reihensechszylinder des 325i Cabrio. Das Top-Triebwerk der 3er-Baureihe war bei der Markteinführung im April 1986 die einzig verfügbare Motorvariante. Und es ist bis heute die gefragteste Motorisierung der bis 1993 angebotenen Baureihe. Im August 1987 erweiterte BMW die Cabrio-Modellpalette mit dem 320i, der Vierzylinder im 318i startete sogar erst im September 1990, als ein Facelift auch den Cabrios Kunststoffstoßstangen und größere Rückleuchten bescherte.

Getunt auf Teufel komm raus

Der sportlichen Ausrichtung des Hauses entsprechend, verfügten auch die Cabrios über ein agiles Fahrwerk. Und das Cockpit mit seinem dem Fahrer zugewandten Armaturenbrett ist für viele BMW-Fans immer noch der Maßstab, an dem die aktuellen iDrive-Infoboards geschmacklich scheitern. Gleiches gilt ebenfalls für die oftmals dilettantischen Tuningversuche vieler Dritt- oder Vierthandeigner, die dem Image des E30 nicht eben förderlich waren. In dieser Hinsicht ist das Schlimmste jedoch überstanden. Der offene 3er des Typs E30 ist heute auf dem besten Weg zum Klassiker – ganz ohne verklärenden Rückblick.

Technische Daten

BMW 320i Cabrio (E 30)
Sechs Zylinder, Reihe, oben liegende Nockenwelle, Hubraum 1990 ccm, Leistung 95 kW (129 PS) bei 6000/min, max. Drehmoment 161 Nm bei 4300/min, Fünfgang, Hinterradantrieb, Länge/Breite/Höhe 4325/1645/1380 mm, Leergewicht 1280 kg, Reifen 195/65 R 14 H, Spitze 195 km/h, 0-100 km/h in 11,0 s, 11,5 l N/100 km, Neupreis (1987) 43.100 Mark

Historie

BMW 320 E30 Cabrio
Handarbeit: Das Verdeck faltet sich und verschwindet völlig geschützt unter eine Klappe.
Das im April 1986 mit dem 325i gestartete BMW E30-Cabrio hatte keinen Vorgänger. Zwar gab es schon kurz nach dem Start der E30-Baureihe im Jahr 1982 ein Hardtop-Cabrio vom Stuttgarter Karosseriebetrieb Baur, aber echte Oben-ohne-Fans ließ dieser Umbau wegen des breiten Bügels kalt. Die sehnten sich nach einem Vollcabrio im Stil des 1600-2 und 2002. Davon wurden, ebenfalls bei Baur, zwischen 1968 und 1972 nur 1892 Exemplare gebaut. BMW fertigte vom E30-Cabrio insgesamt über 140.000 Stück.

Plus/Minus

Das Hauptaugenmerk bei der Besichtigung eines E30-Cabrios gilt der Karosserie. Denn nach 20 Jahren nagt der Rost nicht nur an Radläufen, sondern häufig auch an tragenden Teilen. Gefahr droht aber auch von bastelwütigen Vorbesitzern, die den 3er oft rettungslos verunstalten. Die Technik gilt bei regelmäßiger Wartung als robust.

Marktlage

Ein E30-Cabrio erfreut sich noch immer großer Beliebtheit. Die heruntergerittenen Exemplare (ver)enden meist in der Hand jugendlicher Bastler. Modelle im raren Originalzustand sind heute gesuchte Liebhaberstücke mit anziehenden Preisen.

Empfehlung

Freude am Fahren verbinden viele BMW-Fans auch beim E30-Cabrio mit einem der seidig laufenden Sechszylinder-Triebwerke. Die stehen in der Gunst der Käufer nach wie vor ganz oben. Die meisten Exemplare entpuppen sich heute allerdings als marode Bastelbuden mit dubiosen Tuning-Accessoires. Unser Tipp ist das 318i Cabrio. Das stand stets im Schatten der imageträchtigen Sechszylinder, fiel dafür jedoch viel seltener den Heizern in die Hände. Wer heute ein original E30-Cabrio sucht, hat beim 318i deshalb die besten Aussichten auf Erfolg.

Von

Uli Holzwarth