Als Zeitdokument, um das Coupé sozusagen auf Augenhöhe zu betrachten, sei hier der Text einer Anzeige aus dem Jahr 1972 vorangestellt, die optisch ganz schlicht aufgebaut war. Man sieht das freigestellte Auto von schräg vorn, umflossen von folgendem Text: "Hier konnte einer der berühmtesten Karosserieschneider seine Träume verwirklichen. Es wäre nicht logisch, einen Könner vom Format eines Pininfarina mit der Karossierung des Coupé 130 zu beauftragen, um nach Vollendung der Arbeit gleich mit Änderungen weiterzufahren. Wir haben deshalb Pininfarinas Meisterwerk in seiner ursprünglichen Form belassen. Obwohl wir mit einigen Anpassungen den Wagen weniger kostspielig hätten bauen können, haben wir darauf verzichtet. Und obwohl wir mit einigen Retuschen gewisse Herstellungsprobleme hätten vereinfachen können, unterließen wir auch hier jeglichen Eingriff. Mit dem Resultat, dass Leistung und Luxus in vollkommener Übereinstimmung geblieben sind. Das Coupé 130 wird dieses Jahr nur in beschränkter Anzahl lieferbar sein, was seine Exklusivität noch zu unterstreichen vermag. Unsere Fiat-Vertreter freuen sich, Ihnen das Coupé 130 persönlich vorzustellen."
Fiat 130 Coupé
In der Profilaufnahme zeigt das Fiat 130 Coupé, was Überhänge sind.
Bild: H. Almonat
Änderungen? Gewisse Herstellungsprobleme? Nur in beschränkter Anzahl lieferbar? Dieser für heutige Begriffe hölzern abgefasste, leicht kryptische Text verrät, dass es hinter den Kulissen heftige Diskussionen rund um das Auto gegeben haben muss. Die Fiat-Männer waren nervös, bei Gianni Agnelli war rasch etwas zur Chefsache geworden, und man kämpfte noch damit, sich einzugestehen, dass die große viertürige Limousine 130 nicht die Erwartungen erfüllte. Das Coupé war nachgeschoben worden, um die Verkaufszahlen zu retten; Fiat hoffte auf einen die Limousine mitreißenden Effekt, der aber nur unzureichend eintrat. Dass die später nachgerüstete Limousine von der Hubraumvergrößerung des Lampredi-Motors technisch profitierte, schlug sich nicht im Verkauf nieder. Wie der Anzeigentext verdeutlicht, versuchte Fiat, sich selbst Mut zu machen, indem sie ungenützte Einsparungspotenziale rühmten. Vor allem musste den Kunden ein Preisniveau schmackhaft gemacht werden, das sich auf Höhe des BMW 3.0 CSi bewegte – also bei rund 31.000 Mark. Heute betrachten wir das große Fiat-Coupé entspannter. Was einst unspektakulär und beinahe schon etwas gewöhnlich erschien, betört nun durch klare Formen mit gestreckten Linien, aufwendig schlichten Lösungen und technischen Feinheiten. Pininfarina bezeichnete das Coupé als sein "Meisterstück". Später, so gab er zu, versuchte er, den Streich beim Rolls-Royce Camargue zu wiederholen.

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Fiat 130 Coupé
Raumgreifende Eleganz: Ob Türen, Heckscheibe oder Kofferraum – hier herrschen wahre Größe und klare Form.
Bild: H. Almonat
Die hohe Kunst, mit wenigen Linien auszukommen, setzte Pininfarina auch im Innenraum fort. Gut vorstellbar, dass diese generöse Schlichtheit damals zu einer gewissen Ratlosigkeit bei möglichen Käufern führte. Heute erfreuen wir uns der coolen Instrumente in Fadenkreuz-Optik und des überschlanken Lenkrads. Kenner der Materie fühlen sich von der Handbremse verstanden, die wie bei Ferrari zwischen Fahrersitz und Schweller liegt. Auch im angezogenen Zustand sinkt der Hebel höflich zu Boden, was bei Neulingen zu Missverständnissen führen kann. Manche Käufer eines gebrauchten Fiat Coupé dachten an festgefressene Bremsen und schnitten den Bowdenzug durch, ehe sie die Raffinesse des Systems durchschauten. Nett gedacht sind auch der Beifahrertür-Öffner rechts neben der Lenksäule und die per Hebelchen spaltbreit öffnenden Seitenfenster hinten. Schade, dass sich der Umschalter für die Hupe (Überlandhorn zum Lkw-Abschrecken, Quäk-Membran für die Stadt) nicht durchgesetzt hat. Der Motor hat einen erfrischend kernigen Klang, dreht leicht und gern hoch, durfte aber seine sportiven Talente anderweitig kaum ausspielen. Eine Dreifach-Doppelregister-Vergaserversion soll einmal einen Fiat 131 rennmäßig befeuert haben, aber hier verlieren sich die Kenntnisse. Tatsache ist, dass das Aggregat als problemlos gilt und nebenbei eine gute Heizleistung erbringt.

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Fiat 130 Coupé
Das Cockpit ist nach der gleichen Designidee gestaltet wie die Karosserie: klare Linien, kein überflüssiges Zierwerk und hochwertige Materialien.
Bild: H. Almonat
Vielleicht zeigte Fiat zu wenig Mut zur Größe, vielleicht ist es schwieriger, eine Marke aufzuwerten als herabzudeklinieren, jedenfalls waren 130 Berlina und Coupé keine Nachfolger vergönnt. Reine Fingerübungen wie das Limousinenprojekt Opera oder der für Agnelli persönlich angefertigte Shooting Brake wurden nicht weiter verfolgt und gesellen sich zur großen Gesellschaft der Leider-nicht-Gebauten. Heute werden die 130 Coupés geschätzt für ihre gelassene Größe, den seidigen Laufkomfort des V6, die geschmeidige, aber doch sportive Fahrwerkabstimmung sowie ihre Tauglichkeit für den Alltag, zumal wenn dieser aus Wochenend-Trips zu Landgasthöfen und entspannten Italien-Urlauben besteht.

Historie

Das Fiat 130 Coupé nutzt die Bodengruppe der Oberklasse-Limousine 130 Berlina, war aber im Design völlig eigenständig vom Atelier Pininfarina entworfen worden und wurde dort auch in Kleinserie zusammengebaut. Das Coupé bestach bei seiner Präsentation auf dem Genfer Automobilsalon 1971 durch seine klare Linienführung und Schlichtheit. Man verglich es mit dem ebenfalls von Pininfarina entworfenen Lancia Flaminia Coupé. Einige gegenüber der Fiat 130 Limousine eingesetzte Veränderungen wurden später auch beim Viertürer angewendet, was dem zweifellos guttat, allem voran der auf 3,2 Liter vergrößerte V6-Motor sowie eine neue, durchgehend aus Holz gefertigte Armaturentafel. Auch Lenksäule und die Ventilation wurden nachgebessert. Das half allerdings wenig. Fiat konnte (offenbar auch aufgrund schlecht gebriefter Händler) mit den großen Modellen nicht überzeugen. Die Limousine wurde 1976 nach sechs Jahren Bauzeit eingestellt. Gerade etwas mehr als 15.000 Exemplare waren verkauft worden. Das Coupé verschwand ein Jahr später aus den Preislisten – keine 4300 Exemplare wurden bei Pininfarina gebaut.

Technische Daten

Fiat 130 Coupé
Der Lampredi-Motor zeichnet sich durch seidigen Lauf und Drehfreude aus. Gilt als problemlos
Bild: H. Almonat
Fiat 130 Coupé Motor: V6, vorn längs • zwei oben liegende Nockenwellen • Antrieb über Zahnriemen, zwei Ventile pro Zylinder • Fallstrom- Doppelvergaser Weber 45 DFC • Bohrung x Hub 100,02 x 66,00 mm • Hubraum 3235 ccm • Verdichtung 9,0:1 • 122 kW/165 PS bei 5800/min • max. Drehmoment 249 Nm bei 3400/min. • Antrieb/Fahrwerk: Borg- Warner-Dreistufenautomatik oder Fünfganggetriebe (1. Gang links hinten) • Hinterradantrieb • vorn Einzelradaufhängung mit Torsionsfedern, hinten Einzelradaufhängung an Querlenkern mit Torsionsstäben • Scheibenbremsen innenbelüftet rundum • Reifen 205/70 VR 14 • Maße: Radstand 2720 mm • L/B/H 4842/ 1760/1380 mm • Leergewicht 1605 kg • Tankinhalt 80 l • Fahrleistungen/Verbrauch: Spitze 195 km/h (190 km/h mit Automatik), 0–100 km/h in 12,3 s • Verbrauch 14,0 l/100 km • Neupreis: 31.800 Mark (1973).

Plus/Minus

Wer dieses Auto heute fährt, beweist besonderen Geschmack. Das 130 Coupé ist kein Blender, sondern ein zeitlos schönes, auf schlichte Weise elegantes Coupé, das im Stillen zur Design-Ikone gereift ist. Immer noch unterschätzt, kann dieser Klassiker als Anlageobjekt gelten. Hohe Alltagstauglichkeit, geringe Pannen-Anfälligkeit und ein erfreulicher Langstreckenkomfort sprechen für ihn. Der Kofferraum hat geradezu umwerfend große Ausmaße. Die geringe Rostanfälligkeit vieler 130 Coupé dürfte eher auf salzfreien Betrieb zurückzuführen sein als auf effektive Konservierung. Auch bei Pininfarina wurde Rostschutz in den 70ern quasi nicht praktiziert. In der Oldtimerszene herrscht bisweilen Erklärungsbedarf, weil der Wagen so unspektakulär auftritt.

Ersatzteile

Fiat 130 Coupé
Das 130 Coupé ist kein Blender, sondern ein zeitlos schönes, auf schlichte Weise elegantes Coupé, das im Stillen zur Design-Ikone gereift ist.
Bild: H. Almonat
Bis auf Standardware aus dem Konzernbaukasten oder Verschleißteile wie Spannrolle und Keilriemensatz, die man bei den Clubs erhalten kann, sieht die Lage düster aus. Immerhin die Scheinwerfer sind ein Lichtblick: Es werden von den Clubs erneuerte, frisch bedampfte Reflektoren und klare Gläser angeboten, allerdings kommt man kaum unter 1000 Euro pro Stück davon. Ganz schlimm ist Glasbruch: Kaputte Scheiben müssen bei Spezialisten nachgegossen werden. Dass sie zusammen mit den Dichtleisten verklebt sind, macht die Sache nicht einfacher. Da der Motor später auch in das Limousinenprogramm übernommen wurde, sichert er dank höherer Stückzahl eine halbwegs entspannte Ersatzteilversorgung.

Marktlage

Auf knapp 700 noch fahrende Exemplare wird der Bestand geschätzt – es herrscht daher nicht allzu viel Bewegung am Markt. Erfreulich ist das dennoch niedrige Preisniveau für Fahrzeuge in gutem Zustand. Man hört oft von Schnäppchenkäufen im südlichen Italien, vorzugsweise im Landesinneren.

Empfehlung

Anzuraten sind Modelle mit Schaltgetriebe und ohne Klimaanlage, weil sowohl die Dreistufen-Borg-Warner-Automatik als auch das Kühlaggregat als PS-Vernichter gelten. Grundsätzlich profitiert man bis heute von dem technischen Aufwand, der damals für das Auto betrieben wurde. Bei Motor, Fahrwerk, Bremsen, Servolenkung wurde wirklich nicht gespart. Eine rostfreie Karosserie erspart handwerklich und finanziell aufwendige Instandsetzungen. Die Stoßstangen sind aus Edelstahl.