"Was die Amerikaner können, das schaffen wir auch". Vor 40 Jahren war das noch keine Befürchtung, sondern Glaube an eine glänzende Zukunft. Genau so sahen es die Kölner Ford-Bosse, als sie den Capri als deutsche Antwort auf den Mustang präsentierten. Billige und haltbare Großserientechnik, nett und modisch verpackt: Das reichte für 1,9 Millionen Autos und 18 Jahre Bauzeit – viel länger als geplant. Unzählige Varianten hielten den Hype um das Kölner Coupé wach. Die gesuchtesten Exemplare sind heute die sportlichen RS-Typen – und Turbo-Modelle ab 1970. Doch es ist verdammt schwer, gute (und halbwegs originale) Stücke zu entdecken. Eine mehr oder weniger raue Motorsport-Vergangenheit haben sie fast alle hinter sich – nicht nur dann, wenn ihre Fahrer Jochen Mass, Dieter Glemser, Hans Stuck oder auch Jean Todt hießen.

Nur etwa 100 originale Turbo-Capri sind übrig

Ford Capri 2.8 Turbo
Wenig Druck: Der Turbo bläst nur mit 0,4 Bar.
Offizieller Höhepunkt war der Gewinn der Deutschen Rennsportmeisterschaft von Klaus Ludwig im Turbo-Capri mit 560 PS (1981). Das färbte natürlich auf die Serienautos ab. Neben den Vier- und Sechszylindern von 50 bis 150 PS (RS) mussten natürlich kernige Kleinserien-Sportgeräte her. Das Werk bot daher diverse Karosserie- und Leistungskits (Weber-Doppelvergaser, Nockenwellen, Sportauspuff) an. Nachdem der Schweizer Tuning-Pionier Michael May bereits 1970 den 2,3-Liter-Capri per Turbo von 108 auf 180 PS (2.6: 207 PS) gebracht hatte, entschied sich das Werk erst zehn Jahre später zu einer Kleinserie des 2.8 Turbo. Nur 200 Exemplare entstanden bis 1986 bei Werkstuner Zakspeed. Ford bot den Turbo parallel zum 2.8i mit 160 PS an: Statt der Einspritzanlage kamen hier Solex-Vergaser zum Einsatz – Ergebnis: 188 PS. Klingt heute nicht nach Kraftausbruch, aber auch ein Porsche 911 SC war kaum stärker. Und deshalb lachte keiner, wenn der scharfe Capri auch optisch den Dicken machte: Kunststoff-Verbreiterungen, Frontspoiler und ein doppelter Heckflügel sorgten für sichtbaren Respektabstand zum Normalmodell.

Unter 20.000 Euro ist überhaupt nichts zu machen

Ford Capri 2.8 Turbo
Starke Front: Doppelscheinwerfer, Spoiler, Sportfahrwerk mit stärkeren Stabis und 25 Millimeter Tieferlegung.
Die Fahrleistungen waren entsprechend: In glatten acht Sekunden stürmte der Turbo auf 100 km/h, die Spitze wurde bei 215 abgeregelt. Heute lächeln wir über den Schub ab 3000 Touren – jeder TDI bietet hier mehr. Aber wer sich auf den Turbo eingeschossen hat, der verlässt seine Sportsessel nur unwillig. Zwischen 150 und 200 km/h hängt der Sechszylinder gierig am Gas, der Spritverbrauch ist gerade noch erträglich: 10 bis 15 Liter. Das war in den frühen 80ern fast vernünftig. Wo sind sie heute, die rüstigen Kraft-Capris? Rund 100 Exemplare soll es in Europa noch geben, manchmal wird einer frei. Und da kommen wir zum Knackpunkt: Unter 20.000 Euro ist überhaupt nichts zu machen, aber die Wertsteigerung ist garantiert – sagen seine Fans. Und zeigen auf die unbezahlbar gewordenen Power-Versionen des legendären Mustang. Was die Amis können – der Capri hat es immer geschafft.

Historie

1969: Debüt des Capri auf dem Brüsseler Salon, Motoren ab 1970 von 50 bis 150 PS. Modelljahr 1973: Rechteckoder Doppelscheinwerfer, Blinker in den Stoßstangen, größere Rückleuchten, Reihenvierzylinder statt V4-Motoren. 1974: Capri II mit kürzerer Motorhaube, größerem Innenraum, Heckklappe. 1978: Capri III, Motorhaube über die Doppelscheinwerfer gezogen, neuer Grill, umgreifende Stoßfänger. Dezember 1986: Produktionsende nach 1.886.647 Exemplaren.

Plus/Minus

Mal abgesehen von seiner Seltenheit, ist der Capri Turbo ein recht robustes, alltagstaugliches Auto. Er lässt sich entspannt fahren, dreht ab 3000 Touren kräftig bis zum Begrenzer. Das Geräuschniveau ist niedrig, der Komfort recht gut. Der Verbrauch hängt stark vom Gasfuß ab. Unter zehn Litern geht nichts, aber auch 15 Liter sind kein Problem. Im Sommer wird der Motor schnell heiß, die Vergaser neigen zu Undichtigkeiten. Die gesamte Karosserie ist wie bei allen Capri stark rostanfällig. Hier sollte auf die (verschweißten) Kotflügel geachtet werden, außerdem auf das Stehblech, die vorderen Rahmenträger, Schweller und Radläufe. Ebenfalls korrosionsgefährdet: die Aufnahmen der vorderen Stoßdämpfer.

Ersatzteile

Das Gros der Teile ist noch recht gut zu bekommen, weil es von der Großserie stammt. Nur die Turbo-typischen Teile sind ein Problem. Turbolader und Auspuffanlage gibt es gar nicht mehr, da muss instandgesetzt beziehungsweise neu geschweißt werden. Auch die Reifen fordern Improvisation. Kleinere Yokohama (225 statt 235) oder größere 15-Zöller sind möglich. Extrem fummelig ist ein Kerzenwechsel, weil der Turbolader auf der rechten Seite den Zugang erschwert. Profis bauen sich Spezialwerkzeug.

Marktlage

Nur ein Wort: bescheiden. Es gibt so gut wie keine originalen Turbos mehr. Die rund 100 übrig gebliebenen werden gehütet wie ein Schatz und nur zu hohen Liebhaberpreisen ab 20.000 Euro gehandelt. Da ist es einfacher, auf andere Typen auszuweichen. Hier sind vor allem die Ghia-Modelle oder die RS-Typen interessant. Die kleinen Vierzylinder zeigen zwar ordentliches Temperament, spielen aber bei echten Capri-Fans kaum eine Rolle. Eine Ausnahme sind frühe Capri: Wer noch ein gutes Ur-Modell findet, sollte zugreifen.

Empfehlung

Wenn es nicht unbedingt ein Turbo sein muss, ist auch der 2.8i mit Einspritzmotor und 160 PS eine gute Wahl. Der ist nicht so exotisch, aber nahezu gleich schnell und deutlich günstiger zu haben. Doch auch hier gilt: Die Guten sterben aus. Wer partout Turbo-Schub möchte, kann sich den 2.8er auch auf Turbo tunen – es gibt diverse Umrüst-Kits. Mit ganz viel Glück lässt sich auch noch ein originaler May-Turbo aus den 70er-Jahren auftreiben.

Von

Markus Brass