Mercedes 280 TE 123
—Perfektion macht zeitlos
Der 280 TE ist der Mercedes unter den klassischen Kombis. Und längst gehört das erste T-Modell der Reihe 123 zum Klub der Ü30. Merkt man ihm über 30 Jahre nach seinem Debüt jetzt endlich sein Alter an?
Praktisch orientiert zeigte sich Sultan al-I. aus Montreux bei der Wahl seines Zweitwagens: Er orderte 1982 ein Mercedes-T-Modell, den ersten serienmäßigen Kombi mit Stern. Welchem Zweck mag der dunkelblaue 280 TE gedient haben? Pendelte der Herrscher mit dem Stationswagen (untertürkheimisch für Kombi) innerhalb seines Anwesens am Genfer See zwischen Schloss und Golfplatz? Durfte der Siebensitzer die Kinderschar zur Privatschule chauffieren? Oder sollte es schlicht ein kompakter, dennoch universell einsetzbarer Luxuswagen sein? Egal, der T-Wagen ist und kann das alles. Seit 1978 verbindet er kongenial Komfort, Prestige und Nutzwert. Seine Hoheit überzeugte "die vielseitigste Art, Mercedes zu fahren" (O-Ton Prospekt), er hatte also gut gewählt. Oder auch gar nicht, denn das T-Modell war alternativlos: Die wenigen Sechszylinder-Kombis wie Volvo 265 oder Ford Granada Turnier zeigten eher Nutztier-Charakter, konnten in Sachen Prestige nicht mithalten.
Glück für den Herrn, dass es seit gerade mal vier Jahren den Mercedes T gab. Zuvor war es ein langwieriger Prozess gewesen, bis die Stuttgarter in ihrem Pkw-Portfolio eine große Klappe riskierten. Zu tief saß die Angst der Mercedes-Strategen um das Image des Sterns, die Furcht vor braven Latzhosen-Männern, die Farbeimer und Zementsäcke in edle Benz-Kombis laden würden. Zudem sahen sie keinen nennenswerten Bedarf an Lifestyle-Kombis – es gab nicht mal dieses Wort. Daher hatte man schon ab 1965 den von der belgischen Firma IMA gebauten Heckflossen-Kombi nur lustlos vertrieben. Ein ebenfalls sehr gelungener Kombi-Prototyp vom Strich-Acht wurde ad acta gelegt – zum Ärger des ambitionierten Design-Teams. Um in der nächsten Baureihe W 123 dem skeptischen Vorstand die Fünftürer-Option schmackhaft zu machen, präsentierten die Gestalter 1974 ihren rundum gelungenen Kombi-Entwurf als Edel-Transporter in apartem mimosengelb mit grüner Velours-Ausstattung. Also im Ton einer unreifen Banane mit Interieur in Erbsensuppe – das Auge isst ja schließlich mit. Das dazu passende grüne Licht für die Entwicklung gaben die zögernden Bosse allerdings erst im Herbst 1975, die Produktion sollte im Werk Bremen-Sebaldsbrück erfolgen.
Sechs weitere Kombi-Klassiker | ||
---|---|---|
Chevrolet Bel Air Nomad | Opel Ascona A Voyage | Citroën D Break |
Wartburg 353 Tourist | Ford Taunus 20M Turnier P5 | Fiat 500 Giardiniera |
Kurz und exklusiv: Das 123-Coupé
Das Diesel-Topmodell: Mercedes 300 TDT
Mit schwäbischer Akribie perfektionierten die Entwickler jedes Technik- und Ausstattungsdetail. Die Handhabung begeistert noch heute, zumal keiner der soliden Komponenten klemmt oder klappert.. Eine ebene Ladefläche ergibt sich durch Umklappen der Rücksitzlehne, wenn die Sitzfläche senkrecht gestellt wurde. Ups, jetzt wird deren Unterseite sichtbar – macht nichts, auch die ist mit Teppich verkleidet.
1500 Liter Stauraum ergeben sich so – nicht viel, verglichen mit den 1800 Litern des Wartburg 353 Tourist, und in den Augen von Citroën-ID-Break-Fahrern geradezu putzig, aber doch genug für 560 oder auf Wunsch 700 Kilo Zuladung. Die transportiert der T mit standesgemäßer Grazie, denn die serienmäßige Niveauregulierung verhindert, dass das Heck wie bei der Limousine in die Federn sackt. Kinderreichen Kunden bot Mercedes eine dritte, voll versenkbare Sitzbank an. Die lieben Kleinen blicken durch die Heckscheibe, angeschnallt natürlich und gegen die Kopfstützen der Rücksitze gelehnt. Heck-Crashtests hatten im Vorfeld bewiesen, dass die hintere Knautschzone den Nachwuchs ausreichend schützt – so viel zum Sicherheitsdenken bei Mercedes vor über 30 Jahren.
Das T-Modell mit Basis-Diesel: 240 TD
Nur Wenige bestellten die Kinderbank, die stilbewusste Kombi-Klientel der 80er-Jahre gehörte eher zur Kategorie der Kleinfamilie, bestand aus Ärzten, Anwälten, Architekten und Freiberuflern. Spätestens mit dem Sechszylinder forderten viele Käufer eine feine Ausstattung. Für sie brachte Stuttgart das Sonderwunschkonzert, Händler wie Kunden zelebrierten einen Kult um die Extras. Kein Wunder, denn erst mit Schönheits-Gimmicks wie Metallic-Lack, Colorglas, Alu-Rädern und Schiebedach und technischen Delikatessen wie Automatic, Zentralverriegelung und Klimaanlage avancierte das T-Modell zum wirklichen Nobel-Laster für automobile Gourmets. Kaum ein T verließ nackt das Werk, erst recht kein 280er. Unser Sultan ließ für seinen blauen 280er 28 Positionen in der Aufpreis-Liste ankreuzen, wie der heutige Besitzer, der Mercedes-Maniac Michael Rohde mit Genugtuung vermerkt, vom Scheinwerfer-Wisch-Wasch am Bug bis zur Kinderbank im Heck und von A wie ABS bis Z wie Zusatzfanfare.
Der Nachfolger: T-Modell S 124
Historie
Das T-Modell der Reihe S 123 (S für Stationswagen) erschien zur IAA 1977, 18 Monate nach der Limousine. Im Mai 1978 gingen die ersten T als 230 T, 250 T und 280 TE sowie als 240 TD und 300 TD in den Verkauf. 1979 verkaufte Mercedes 28.000 T-Modelle, 10.000 mehr als geplant. 4000 Käufer wählten das Flaggschiff 280 TE. Im Juni 1980 kamen neue Benzin-Vierzylinder vom Typ M 102 als 200 T und 230 TE – dieser wurde auf Anhieb ein Verkaufsschlager. Vier Monate später debütierte mit dem 300 TDT der welterste Turbodiesel-Kombi, 125 PS stark und mit 165 km/h auch der schnellste Diesel überhaupt. Die große Modellpflege von September 1982 brachte bisherige 280-Merkmale wie Rechteckscheinwerfer und Holzzierrat in alle Typen; endlich gab’s auch die Servolenkung serienmäßig, Airbag und ABS zogen ein, der 250 T fiel weg. Bis zum Baustopp Ende 1985 (ein Jahr nach der Limousine) entstanden 200.000 T-Modelle (davon knapp 20.000 als 280 TE). Rund die Hälfte ging in den Export, dennoch waren zwölf Jahre nach Lieferende noch 66.000 T-Modelle der Reihe 123 in Deutschland zugelassen.
Technische Daten
Mercedes 280 TE W 123: Reihensechszylinder, vorn längs • zwei obenliegende Nockenwellen, Antrieb über Duplex-Rollenkette, zwei Ventile pro Zylinder • Bosch K-Jetronic • Hubraum 2746 ccm • Leistung 136 kW (185 PS) bei 5800/min • max. Drehmoment 240 Nm bei 4500/min • Viergang-Schaltgetriebe (a.Wunsch Vierstufen-Automatik) • Hinterradantrieb • vorn Doppelquerlenkerachse, hinten Schräglenkerachse, autom. Niveauregulierung, Schraubenfedern • Reifen 195/70 R 14 90 H • Radstand 2795 mm • L/B/H 4725/ 1786/1470 mm • Leergewicht 1560 kg • Zuladung 560 kg, Ladevolumen 523–1500 l • 0–100 km/h 10,2 s (Automatik: 11,2 s) • Spitze 200 (195) km/h • Verbr. ca. 13 l/100 km • Neupreis (Basispreis, 1982): 40.295 Mark.
Plus/Minus
Das 123er-T-Modell ist ein perfekter Alltags- Klassiker, erst recht in der Power-Version 280 TE. Das kann man auch kritisch sehen: Als Oldtimer findet ihn Mercedes-Gourmet Michael Rohde "fast schon langweilig", denn der T wirkt mit seinem Fahrkomfort inklusive Straßenlage, Lenkung, Bremsen sowie der Klimatisierung und dem Geräuschpegel nicht wirklich antik. Okay, das ist Jammern auf höchstem Niveau. Und der T kann auch Ärger machen: Ausgelutschte Lenkgetriebe sind die Regel, defekte Federkugeln verwandeln den Kombi in eine Hüpfburg. Der Sechszylinder leidet oft an Öl-Inkontinenz und knarzigen, aufwendig zu erneuernden Ventilschaftdichtungen. Und dann natürlich der Rost: Besonders die späten Jahrgänge gelten zwar als überdurchschnittlich resistent, aber nach 30 Jahren bröseln Schweller, Heckklappe, Radläufe, Schürzen, Längsträger-Enden und Endspitzen eben doch.
Ersatzteile
Es gibt fast alles. Mercedes-Teile hält die Niederlassung für alle gängigen Reparaturbelange parat. Auch das Altteile-Center bietet geprüfte Gebrauchtware. Ausgesprochen hilfreich und engagiert sind die Klubs, eine Mitgliedschaft ist empfehlenswert. Eng wird's nur bei der Innenausstattung: Wenige Teile sind regulär lieferbar, und wenn, dann oft in der falschen Farbe. Beim Kauf also auf ein Top-Interieur achten.
Marktlage
Der S 123 ist einfach zu attraktiv, um billig zu sein. Brauchbare Exemplare vom 200 T bis zum 250 T gibt es ab circa 4000 Euro, im Zustand 2 um 8000. Für 280er ist immer einen Expresszuschlag von bis zu 50 Prozent fällig. Die meisten Kombis haben harte Einsätze hinter sich, entsprechend sehen die Überreste aus. Die Suche sollte Fahrzeugen mit guter Substanz, geordnetem Vorleben und sauberem Interieur gelten. Die Zahl der Extras ist nicht mehr Hauptkriterium. Lieber nach dem Karosseriezustand auswählen.
Empfehlung
Der Mercedes 280 TE bringt unbestritten den meisten Fahrspaß, ist aber schwer zu finden, und wenn, dann zerschunden oder teuer. Oder beides. Wer ein T-Modell als Alltagsbegleiter sucht, ist mit dem 230 TE am besten bedient: Der einstige Bestseller wird häufiger angeboten, ist ausreichend motorisiert und wesentlich sparsamer als der 280er. Wer es betulich mag, spart mit dem 200 T beim Kaufpreis, nicht aber an der Tankstelle. Diesel-Modelle sind nur mit H-Kennzeichen begehrenswert.
Anzeige