Mercedes SL 320 (R 129)
Große Welt für kleines Geld

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Von 150.000 Mark auf 15.000 Euro in nur 15 Jahren: Die Preise für SL aus den 90ern sind gewaltig abgestürzt. Doch auch wenn er wenig kostet – nie war der Mercedes-Roadster so wertvoll wie heute.
Bild: D. Rebmann

Figurfreundlich: Der schlanke Stil aus der Feder von Bruno Sacco kaschiert den Wohlstandsspeck.
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Mercedes-Benz SL (R 129): Zum Fahren nicht zu schade

Dass von "SL" wie "Super Leicht" in Anbetracht von 1850 Kilo Leergewicht kaum noch die Rede sein kann, sieht man dem R 129 nicht an.
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Da freut sich nicht nur die Arztgattin! 1997 kostete unser Foto-Auto noch stolze 150.000 Mark, heute ist es für bescheidene 15.000 Euro zu haben.
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Mercedes 380 SL R 107: Liebling der besseren Gesellschaft

Frisurfreundlich: Das Stoffverdeck verschwindet auf Knopfdruck in 28 Sekunden.
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Mercedes 300 SL: Mercedes schrottet Plagiat

Die einen sagen Taxi-Look, die anderen nennen es funktionale Ästhetik. Das SL-Cockpit atmet die strenge Sachlichkeit der späten 80er-Jahre.
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Der SL wirkt unerschütterlich und fest. Nichts knackt, nichts knistert. Karosserie und Fahrwerk sind so steif wie die Betonfrisuren jener Ladys, die ihn früher so oft fuhren. Auch beim Thema Sicherheit macht der R 129 keine halben Sachen. Als Pionier auf diesem Gebiet lastete auf Mercedes hoher Erwartungsdruck – den die Ingenieure mit einer ganzen Liste von Neuerungen beantworteten. Zur formstabilen Zelle gesellten sich aufprallfeste Integralsitze, von deren Komfort sich selbst teure Premiumware heutiger Nobelkarossen eine Scheibe abschneiden kann. Das Tüpfelchen auf dem i war allerdings – Premiere im Serien-Automobilbau – ein pyrotechnisch ausgelöster Überrollbügel, der im Notfall blitzartig hinter den Sitzen hervorschnellt.
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Wer damals 135.000 Mark an den Mercedes-Händler überwies, bekam aber noch mehr geboten. Ein 34 Kilo leichtes Hardtop beispielsweise, das sich in Minutenschnelle ohne Schraub- und Bastelarbeit aufsetzen und demontieren ließ. Und ein elektro hydraulisches Stoffverdeck, das den SL in (heute ewig erscheinenden) 28 Sekunden in einen Platz an der Sonne verwandelte. Angesichts der Inflation moderner Klapptop-Cabrios lockt die kunstvolle Dach-Choreografie inzwischen keinen Hund mehr hinterm Heizkörper hervor. Damals jedoch stand Beobachtern der Mund vor Staunen offen, wenn die Arztgattin vorm Café mit perfekt manikürten Fingernägeln einen Knopf betätigte und damit sechs Verschlüsse, 17 Endschalter und elf Magnetventile aktivierte, um ihren Mercedes theatralisch zu entblättern.
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Der Dach-Strip ist noch heute eine Schau: Erst lösen sich mit leisem "Klack" die Arretierungen hinter dem Passagierabteil. Dann macht sich die gespannte Stoffmütze ein bisschen locker, räkelt sich, schwingt wellenförmig über den toupierten blonden Haarschopf der Pilotin, während sich der Staukasten-Deckel hebt, woraufhin alles, akkurat gefaltet, verschwindet. Die ingeniöse, stets im Fahrzeugpreis enthaltene Dachmechanik darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich Mercedes anderswo beschämend geizig gab. Selbst als die SL-Preise Mitte der Neunziger längst die 100.000-Mark-Grenze gesprengt hatten, baten die Schwaben für jeden kleinen Luxus gesondert zur Kasse. Lederpolster, Klimaautomatik und das Radio "Exquisit" (hier gekoppelt mit einer Bose-Soundanlage, deren Bass-Booster die hinteren Notsitze zum Opfer fielen) ließen den Preis für unseren Fotowagen 1997 auf 150.000 Mark hochschnellen. Sogar die dritte Bremsleuchte musste dem Erstbesitzer 86,25 Mark wert sein. Was ihn getröstet haben mag, ist eine Hoffnung, die sich heute, 15 Jahre später, frei nach Henry Royce erfüllt: "Qualität besteht, auch wenn der Preis längst vergessen ist."
Technische Daten
Mercedes-Benz SL 320 (R 129): Motor: Reihensechszylinder (Typ M 104), vorn längs • vier Ventile pro Zylinder • zwei oben liegende Nockenwellen, über Kette angetrieben • elektronische Benzineinspritzung • Hubraum 3199 cmÍ • Leistung 170 kW (231 PS) bei 5600/min • max. Drehmoment 315 Nm bei 3750/min Antrieb/Fahrwerk: Fünfstufenautomatik • Hinterradantrieb • vorn Einzelradaufhängung an Dreiecksquerlenkern und Schraubenfedern, Gasdruck-Dämpferbeine, Drehstab-Stabilisator, hinten Raumlenkerachse, Schraubenfedern, Gasdruck-Stoßdämpfer, Drehstab-Stabilisator • Reifen 225/55 ZR 16 Maße: L/B/H 4499/1812/1303 mm • Radstand 2515 mm • Leergewicht 1850 kg • Kofferraum 260 Liter Fahrleis tungen/Verbrauch: 0–100 km/h in 8,4 s • Spitze 240 km/h • Verbrauch 10,9 l Super pro 100 km • Tank 80 Liter • Neupreis: 135.585 Mark (1997).
Historie
Im März 1989 stellt Mercedes die vierte SL-Generation vor. Sie trägt die Bezeichnung R 129 und löst den 18 Jahre lang gebauten R 107 ab, für dessen Coupé-Ableger SLC schon 1981 das S-Klasse-Derivat C 126 (SEC) in die Bresche sprang. Der R 129 ist eine komplette Neuentwicklung und läuft als erster SL nicht mehr in Sindelfingen vom Band, sondern in Bremen. Bei der Konstruktion spielt das Thema Sicherheit eine zentrale Rolle. So erhält der R 129 eine besonders stabile Karosseriestruktur, speziell gegen Seitenaufprall geschützte Integralsitze und einen Überrollbügel, der beim Crash automatisch hervorschnellt. Die Motorenpalette startet bei 190 PS. Ein neuer Fünfliter-V8 mit 326 PS ermöglicht bislang nicht gekannte Fahrleistungen (250 km/h Spitze). 1992 kommt erstmals auch ein Zwölfzylinder zum Einsatz (394 PS). Ab Juni 1993 tauschen, der neuen Mercedes-Nomenklatur folgend, Baureihenkürzel und Typziffer die Plätze – ab sofort heißt es nicht mehr 500 SL, sondern SL 500. 1998 schickt Mercedes die Reihenmotoren in Rente und führt auch bei den Sechszylindern die V-Bauweise ein. Vom R 129 entstehen insgesamt 204.940 Exemplare.
Plus/Minus
Der R 129 stammt aus einer Epoche, als die Deutungshoheit über das Wort "Premium" noch in der Hand von Ingenieuren lag und nicht in der von Marketingstrategen. Er ist ein echtes Qualitäts-Automobil. Selbst gebrauchten Exemplaren merkt man an, dass sie mal deutlich über 100.000 Mark gekostet haben. Die Motoren gelten als robust, nur der 300 SL-24 fällt gelegentlich durch Ventilklappern auf. Rost ist – selbst bei vernachlässigten Autos – kein Thema. Auch technische Krisenherde gibt es kaum. Einzige Ausnahme: Das bis 1995 erhältliche, selten georderte adaptive Stoßdämpfersystem ADS, bei dem mit den Jahren Federspeicher und Membranen kaputtgehen. Ein prüfender Blick sollte dem Verdeck gelten. Wurde der SL vorwiegend mit Hardtop gefahren, ist die im Dachkasten verborgene Stoffkapuze oft in beklagenswert schlechtem Zustand. Die Kunststoffscheiben reißen und verkratzen mit der Zeit aber auch so. Bei Autos vor Baujahr 1993 sollte geklärt werden, ob die Karosseriegummis erneuert wurden – frühe SL waren oft nicht ganz dicht. Ersatz für das Verdeck schlägt mit knapp 2000 Euro zu Buche.
Ersatzteile
Es gibt alles – und zwar nach dem Prinzip "Heute bestellt, morgen geliefert" beim Mercedes-Händler. Das Preisniveau ist, passend zu Marke und Modell, gehoben. Dennoch können auch Normalverdiener einen gebrauchten SL am Laufen halten. Erstens, weil ohnehin nicht viel kaputtgeht. Und zweitens, weil sich auch bei Ebay gut und günstig Teilenachschub findet.
Marktlage
Das Angebot ist üppig. Noch immer lassen sich passable 129er für deutlich weniger als 10.000 Euro auftreiben. Die Preise dürften in den nächsten Jahren jedoch Auftrieb bekommen. Schon heute nicht billig: Mercedes Young Classics (Telefon 0711-1741888). Dort gibt es ausgesuchte Top-Exemplare mit Werksgarantie.
Empfehlung
Keine Angst vor großen Tieren. Die 300er und 320er gelten zwar mit Blick auf Fahrleistungen und Unterhaltskosten als beste Wahl, der 500er ist aber nicht viel teurer. Lediglich um den Zwölfzylinder sollte man einen Bogen machen, auch wenn die Preise noch so verlockend sind: Er frisst einem bei Wartung und Reparaturen die Haare vom Kopf, und das hohe Gewicht auf der Vorderachse nimmt ihm Agilität.
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