Amerikanischer als der Diplomat A war kein anderer großer Opel mehr. Die Nachfolger schrumpften allesamt. AUTO BILD KLASSIK fuhr den ersten deutschen Straßenkreuzer mit Ami-V8.
Wir schreiben das Jahr 1964. Der alte Käpt’n verlässt das Opel-Schiff, macht seinem Nachfolger Platz. Der Prospekt schwelgt: "Die großen Drei – Linie, Leistung, Luxus". Plötzlich gibt es neben Kapitän auch Admiral und Diplomat. Opel auf dem Weg nach ganz oben? Nein, da hat Mercedes den 600 geparkt. Aber darunter ist noch reichlich Platz. Was die "KAD"-Reihe nutzt. Länger und breiter als der alte Kapitän – Deutschland hat endlich seinen Straßenkreuzer. Und wie es sich gehört, brabbelt bei den Topmodellen ein Chevrolet-V8 das Lied von der unbegrenzten Spritverschwendung.
Mit dem 5,4-Liter-V8 knackte der Diplo die 200-km/h-Grenze. Wer sich's mit dem Postkutschenfahrwerk traut ...Brabbeln gehört zum Diplomat A, sagt Besitzer Jens Salvatore Dell’Ali, und tritt kurz aufs rechte Pedal seines 66er Modells. Aus den zwei Endrohren faucht es böse. V8-Fans goutieren das mit kollektivem Zwerchfell-Kribbeln. Gegner können ja die Finger in die Steckdose ihres Plug-in-Hybriden stecken. Der Liter Sprit kostet anno 1964 so um die 50 Pfennig – die Ölkrisen sind noch weit. Technisch zeigt sich die Baureihe sehr gespalten: Die mächtige Karosse steht auf der bekannten Kutschentechnik der Vorgänger mit Blattfedern hinten und Starrachse, besitzt aber endlich Servolenkung und -bremse. Auf Wunsch gibt es auch die dringend empfehlenswerten Stahlgürtelreifen. Beim Getriebe wieder ein Rückschritt: Auf GM Befehl muss Opel die billigere "Powerglide"-Zweistufenautomatik von Chevrolet einbauen. So was Schlichtes hatte Borgward schon 1952 als Hansa-Matic konstruiert.
Topmodisches Cockpit der 60er: Walzentacho, echtes Holzfurnier, filigranes Riesenlenkrad mit Hupring.Beim Fahren sei GM die Sparsamkeit verziehen. Bis Tempo 100 spurtet der Diplomat heute noch in 11,1 Sekunden, ohne Luft zu holen. Erst dann schaltet "Powerglide" in den zweiten und damit obersten Gang. Wobei auch hier der Wind sein lautes Lied singt, der Fahrer lieber den Arm links raushängen lässt und sich eins pfeift. Denn das Fahrwerk eiert pflaumenweich über wellige Straßen, die Servolenkung peilt nur ungenau, die Sitze bieten den Seitenhalt einer Parkbank. Für den Notfall bremsen? Dann, lieber Testpilot, rechne mit rund 60 Metern. Immerhin erreicht der Reifendurchmesser mit 15 Zoll endlich Käfergröße. Schnell fahren? Sollten besser die anderen. Cruisen sagt man heute, damals hieß es Flanieren. Dafür ist die KAD-Reihe immer noch gut, ganz besonders dieser Diplomat. Sein Besitzer entdeckte ihn vor fünf Jahren per Zufall, musste nur Lack, Bremsen, Auspuff und das Leder restaurieren. Stolz zeigt er auf die feinen Details: waagerechter Walzentacho (bis 50 grün, bis 100 gelb, dann rot), Verbundglasscheibe, von innen verstellbare Spiegel und Heckscheiben-Belüftung gegen das Beschlagen. Vorgänger der beheizbaren Scheibe – 1964!