Der 944 ist schnell, bequem und sogar praktisch. Er ist ein Porsche ohne Legendenstatus und in der Summe seiner Eigenschaften nahezu perfekt. Er bereitet Freude. Ganz einfach so.
Bild: M. Gloger
Der 911-Fahrer kämpft. Mit hohen Bedienkräften, dem zähen Getriebe, einer verworrenen Ergonomie, dem knappen Platzangebot. Mit der Lautstärke des Triebwerks, der Seitenwindempfindlichkeit des Heckmotorkonzepts, eben den Macken einer bald 30 Jahre alten Konstruktion. Damals, Ende der 80er-, Anfang der 90er-Jahre. Der 944-Fahrer dagegen fährt. Damals wie heute. Sportlich, schnell, mit leichter Hand. Respektabel gefedert, perfekt sitzend, ein leichtes Motorsingen im Ohr. So holt die Moderne den 911 ganz langsam ein. Nicht nur beim Fahrgefühl. Solide Konstruktion und verzinkte Karosserie machen ihn langlebig, er ist fahrsicher, späte Exemplare haben ABS und Airbag – Vernunftauto und Sportwagen-Klassiker in einem! Wer keine Kinder chauffiert, in dessen Alltag sollte er passen. Der 944 ist ein Porsche, wie ihn auch der Herr Professor h. c. konstruiert haben könnte. Ohne viel Gedöns, effizient in der Sache, reduziert, aber reizvoll geformt, der Großserie nah und aufgrund aufwendiger Fahrwerktechnik vielen stärkeren Konkurrenten überlegen.
Beim 944 S2 stand die charakteristische Silhouette im Herbst ihres Lebens. Eingeführt wurde sie 1975 beim Typ 924.
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Kann sein, dass Frontmotor und Wasserkühlung früher diese Sicht auf die Dinge verstellten, doch ob ein 944 nun wirklich ein echter Porsche sei, steht heute nicht mehr zur Debatte. Und wer es nicht glauben mag, sollte einen 944 S2 zur Probe fahren. Zum Jahreswechsel 1988/89 kam er auf den Markt, in zweifacher Hinsicht eine Zeit der Superlative bei Porsche. Die letzten 911 Carrera 3.2 liefen vom Band. Stark, technisch ausgereift, gut ausgestattet, sorgfältig gebaut; die finale Ausbaustufe des klassischen Elfers. Als der 911 Carrera 3.2 ins letzte Modelljahr ging, erschien der 944 S2, in der Summe seiner Eigenschaften dem nahezu perfekten 911 G-Modell nicht unähnlich. Die Daseinsberechtigung des neuen 944-Modells war sein Motor. Der alte Achtventil-Sauger war ausgereizt und wirkte trotz Hubraumerweiterung vergleichsweise zahnlos. Der 944 S mit seiner dohc-16V-Maschine blieb den Kunden aufgrund seiner ungewohnt hochtourigen Charakteristik fremd. Der 944 Turbo mit all seiner Spezial-Technik war zu teuer für große Stückzahlen.
Schlafaugen vorn, Glaskanzel hinten – diese Porsche-Linie wurde oft kopiert.
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Der 944 S2 musste alles können und allen gefallen. Und dafür trieben die Entwickler viel Aufwand. Sein Dreiliter-dohc-16V-Motor stellte bei Erscheinen die Spitze der Evolution wassergekühlter Vierzylinder im Hause Porsche dar. 104 Millimeter Bohrung wurden mit einem um neun Millimeter größeren Hub kombiniert und von Vierventiltechnik mit zwei oben liegenden Nockenwellen (vom glücklosen Vorgänger 944 S) gekrönt. Das Resultat war ein Hubraum von 2990 cm³ – ein Dreiviertelliter pro Zylinder, der größte Pkw-Vierzylinder aus Großserienproduktion im Jahr 1989. Porsches Chefingenieur Paul Hensler stand als Projektvater den Vierzylinder-Baureihen vor. Als Hensler bei Porsche anfing, entwickelte der studierte Maschinenbauer hochtourige Diesel für die hauseigene Schlepper-Produktion. Gut 30 Jahre später verordnete er dem Sportwagen 944 S2 (Typen-Nummer: 946) entgegen der bei Porsche bevorzugten Hochdrehzahl-Philosophie mehr Volumen: "Vergrößerung des Hubraums ist immer noch eine vernünftige und sachgerechte Lösung, um hohes Drehmoment zu erreichen", erklärte Hensler auf Nachfrage und stellte weiteres Wachstum in Aussicht. "3,2 bis 3,4 Liter sind prinzipiell möglich, allerdings bei zusätzlichem konstruktivem Aufwand." Doch es reichte ja auch so. 280 Nm bei 4100 Touren standen zu Buche, die Leistung konnte sich ebenfalls sehen lassen: 211 PS bei 5800/min, erst bei 6500/min setzte der Begrenzer ein. Der Dreiliter-Bulle ließ sich sogar richtig drehen! Noch nicht einmal den viel gelobten samtigen Lauf der Großkolben-Maschine konnte das erneute Hubraum-Plus aus dem Takt bringen – Ausgleichswellen vom normalen 944 rein, und alles blieb ruhig.
Mit neuem Armaturenbrett und eleganterem Innenraum wurde die 944-Baureihe 1985 aufgewertet.
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Fast alles andere war neu: geschmiedete Kolben, ein leichteres Kurbelgehäuse, geänderte Nebenaggregate, eine Ölwanne aus Kunststoff, ein größeres Öl- und ein kleineres Kühlwasservolumen. So konnten die bisher einzeln gefertigten Zylinder zugunsten größerer Stabilität zusammen gegossen werden, und der S2 heizte schneller – große und kleine Änderungen, die sogar neue Produktionsanlagen nötig machten. Der Aufwand lohnte sich, zumal 1988 mit dem neuen Motor auch gleich das drei Jahre zuvor erstmals präsentierte 944 Cabrio bestückt wurde. Das Signal dieser umfangreichen Umbauarbeiten: Porsche war es ernst, der Vierzylinder-Typ sollte weiterleben, die Transaxle-Technik hatte eine Zukunft, auch wenn der Schnitt ihres Kleides noch von 1982 datierte. Der große Sauger durfte sich mit der Optik des Turbo schmücken, das hielt den nahezu unverändert gebliebenen 944 auf Distanz. Wie der Turbo erhielt der S2 den moderner aussehenden, glattflächigen Polyurethan-Spoiler mit horizontalen Öffnungen und integrierten Nebelscheinwerfern. Ebenfalls aus dem Turbo-Regal stammten die 16-Zoll-Leichtmetallräder, der Unterflurspoiler am Heck und die Hochleistungs-Bremsanlage. Der 944 kostete zwar über 10.000 Mark weniger, aber der S2 fühlte sich mit seinem geschärften Fahrwerk, dem besseren Sprintvermögen und 240 Spitze viel mehr nach Sportwagen an. Der über 95.000 Mark teure Turbo, nahezu identisch ausgestattet, aber fast einen Zentner schwerer und länger übersetzt, konnte sich erst bei hohen Drehzahlen vom S2 absetzen. Die 20 km/h Vorsprung bei der Höchstgeschwindigkeit, im Alltag der meisten 944-Besitzer eher unbedeutend, konnten den Sieg des S2 im internen Vergleich nicht verhindern.
Zwei oben liegende Nockenwellen, drei Liter Hubraum, vier Zylinder, 16 Ventile und 211 PS. Der S2-Motor war der hubraumstärkste Vierzylinder seiner Zeit.
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Noch heute beim 944 S2 von der Krönung der großen Vierzylinder-Transaxle-Modellfamilie zu sprechen, scheint also trotz geringer Einschränkungen berechtigt. Natürlich, Youngtimer-Fahrer, Porsche-Liebhaber und Sammler ticken anders als die Käufer des Jahres 1990 – ein 944 Turbo ist schneller, bietet mehr Technik, ein Cabrio ist exklusiver und verspricht mehr Genuss, und ein Turbo Cabrio als ultimative Schnittmenge, nur 538-mal gebaut, ist eine echte Rarität. Einfache 944 mit Achtventiltechnik und nur einer oben liegenden Nockenwelle sind günstiger und die frühen Exemplare sogar schon reif fürs H-Kennzeichen. Des 944 S2 bestes Argument ist seine Ausgewogenheit, er überzeugt als Gesamtkunstwerk. Er macht das Beste aus den Eigenschaften der Baureihe, versammelt die Tugenden aller Typen in einem Modell. Er ist fast so unerschütterlich wie das 1982 vorgestellte Basismodell 944, dessen Mechanik die Langzeitqualitäten eines VW Käfers aus den 60er-Jahren beweist. Er hat dem nur wenig populären 944 S – der an entscheidender Stelle, nämlich beim Vierventilzylinderkopf, mit Ersatzteilengpässen zu kämpfen hat – die perfektionierte Technik und 21 PS voraus. Und im Vergleich mit Cabrio und Turbo ist der 944 S2 in Anschaffung und Unterhalt günstiger. Wer heute einen klassischen Porsche mit dem Leistungsvermögen eines aktuellen Cayman fahren und den Alltag genießen möchte, der sollte Herz und Verstand einem viel zu selten erzählten Kapitel der jüngeren Porsche-Geschichte öffnen, das viel Spaß verspricht. Natürlich ist auch 911-Fahren eine Lösung. Aber wer möchte schon immer kämpfen?
Technische Daten
Im April 1991 endet im Audi-Werk Neckarsulm die 944-Fertigung, der Nachfolger 968 läuft ab Herbst 1991 in Zuffenhausen vom Band.
Bild: M. Gloger
Porsche 944 S2 Motor: Reihenvierzylinder, vorn längs • zwei obenliegende Nockenwellen, über Zahnriemen angetrieben, 4 Ventile pro Zylinder • elektronische Einspritzung Bosch L-Jetronic • Hubraum 2990 cm³ • Leistung 155 kW (211 PS) bei 5800/min • maximales Drehmoment 280 Nm bei 4000/min • Antrieb/Fahrwerk: Fünfgang- Schaltgetriebe • Hinterradantrieb • Einzelradaufhängung, vorn an McPherson- Federbeinen und Querlenkern, hinten an quer liegenden Drehstabfedern und Schräglenkern • Räder/Reifen 7J x 16" mit 205/55 ZR 16 vorn, 8J x 16“ mit 225/50 ZR 16 hinten • Maße: Radstand 2400 mm • L/B/H 4230/1735/1275 mm • Leergewicht 1340 kg • Fahrleistungen/Verbrauch: 0–100 km/h in 7,1 s • Spitze 240 km/h • Verbrauch 10,2 l S pro 100 km • Neupreis: 81.055 Mark (1990).
Historie
Im Oktober 1981 stellt Porsche den 944 (2479 cm³, 163 PS) vor und schließt die Lücke zwischen den Transaxle-Baureihen 924 mit Reihenvierzylinder (1984 cm³, 125 bis 177 PS) und 928 mit V8-Motor (4664 cm³, 300 PS). Im März 1985 erscheint der 944 Turbo (2479 cm³, 220 PS). Katalysator-Version und die Variante ohne Abgasreinigung verfügen erstmals bei Porsche über die identische Leistung. Zum Modelljahr 1987 erweitert der 944 S (2479 cm³, 190 PS) mit dohc-16V-Motor die Baureihe. Das Sondermodell 944 Turbo S (2479 cm³, 250 PS) wird mit dem Motor der Markenpokal-Version ausgerüstet und kommt im November 1987 auf den Markt. Fast gleichzeitig kündigt Porsche das 944 Cabrio an. Im September 1988 wächst der Hubraum des 944 (2681 cm³, 165 PS), der neue 944 Turbo erhält serienmäßig den stärkeren 250-PS-Motor, der 944 S wird durch den neuen 944 S2 (2990 cm³, 211 PS) abgelöst. Im Juni 1989 wird das 944 S2 Cabrio offiziell vorgestellt, im Februar 1991 erscheint das 944 Turbo Cabrio. Im April 1991 endet im Audi-Werk Neckarsulm die 944-Fertigung, der Nachfolger 968 läuft ab Herbst 1991 in Zuffenhausen vom Band.
Plus/Minus
Der Transaxle-Porsche hat beim Image das Tal der Tränen durchschritten, längst muss er nicht mehr als günstige 911-Alternative herhalten, sondern wird gekauft, gefahren und gemocht, gerade weil er kein Elfer ist. Frühe Modelle mit Saugmotor erhalten gerade ihr H-Kennzeichen; spätere 944 dürfen ebenfalls in die Umweltzonen, wenn ein Kat montiert ist. Auch sonst gibt es viel Gutes zu berichten. Der 944 gehört noch immer zu den Schnellen, bietet dank variablem Kofferraum erstaunlich viel Platz, ist gründlich und aufwendig konstruiert und hart im Nehmen. Motoren und Mechanik sind bei normaler Pflege für ein paar 100.000 Kilometer gut, das Blech ist verzinkt, und im Vergleich zu ähnlich alten Porsche 911 dürfen die deutlich komfortableren und leiseren 944-Typen geradezu als Sonderangebote durchgehen. Minus: Leider gilt das nicht für die Ersatzteilpreise.
Ersatzteile
Porsche hat, von einigen Teilen der Innenausstattung einmal abgesehen, noch vieles für den 944 vorrätig, allerdings oft zu knackigen Preisen: Wasserpumpe für 500, Dämpferbein für 800, Ausgleichswelle für 1000 Euro. Im Internet, in Typen- Foren, in Clubs und bei freien Porsche- Frontmotor-Spezialisten wie Jochen Bayer (Pfungstadt), Hans Roos (Bensheim) und Rainer Telkamp (Ludwigsburg) sind Ersatzteile, Hilfe und Beratung oft günstiger als beim Hersteller zu bekommen. Allerdings bleibt ein Porsche ein Porsche: Billig wird es auch beim 944 nicht.
Marktlage
Zum Preis eines ordentlichen Elfers der 964-Baureihe ließen sich auch ein 944 S2 Coupé und ein S2 Cabrio erwerben – der Markt gäbe eine solche Lösung her, Autos gibt es genug. Das Cabrio kostet ein paar Tausender mehr als die geschlossene Variante. Nicht viel Geld für so viel Porsche-Technik.
Empfehlung
Die mittlerweile klassische Form eint die große 944-Modellfamilie ebenso wie die Ersatzteilpreise. Ein Sauger mit rund 160 PS ist die günstigste Art einzusteigen, die Turbo-Typen sind komplexer, aber auch viel sportlicher. Ein gepflegter S2 stellt die goldene Mitte zwischen Anspruch und Leistung dar. Nur gut und original muss das Auto sein, alles andere kommt viel zu teuer.