Er ging wie die Hölle, hatte eine schweflige Farbe und brachte die Gegner in Teufels Küche: Der kantige Simca Rallye 2 war im Motorsport das Maß der Dinge. Heute gehört er auf die Liste der bedrohten Arten.
Das Leben eines Simca Rallye 2 war in der Regel kurz und schmerzhaft. Der arme Kerl wurde beflissen gequält, denn so einen giftgrünen Kohlenkasten, der von vorn ungefähr so aussah wie von hinten, kaufte sich ja niemand, um damit die Kinderchen in den Hort zu schaukeln, trotz seiner vier niedlichen Türen. Der Dresscode im Rallye 2 verlangte feuerfestes Nomex, der Hut war hart, und dann ging’s raus zum Ausloten des Grenzbereichs, immer volle Kanne und Puls 185, nichts sonst. Weshalb er ja auch diese böse Farbe, dazu eine mattschwarze Fronthaube (sie sollte vor Blendung schützen!) und vor allem die Rallyestreifen-Banderole um seinen Heckkasten trug, dort, wo das 82-PS-Herz schlug. Bei Bergrennen, Slaloms, Rennen war die Klasse bis 1300 Kubik ungefähr ein Simca-Markenpokal, denn Gegner hatten wenig Chancen, damals in den Siebzigern.
Eigentlich überflüssig sind die zwei hinteren Türen und auf Dauer die Rostanfälligkeit des Simca Rallye 2.
Es war die goldene Klubsport-Zeit, als an jedem Wochenende zahllose lokale Motorsportveranstaltungen stattfanden, als der Hobby-Racer noch als cooler Hund galt und nicht als Raser mit zugehöriger, in diesem Wort mitschwingender Missbilligung. Mit Sportauspuff klang der Simca wie ein Alfa, ging jedoch besser und war viel billiger. Statt Rassetriebwerk mit Doppelnockenwellen besaß er einen Straßenköter-Stoßstangenmotor, darüber konnte auch das Schildchen am Heck nicht hinwegtäuschen: 1294 2DC stand da kryptisch, was den Hubraum meint und zwei Doppelvergaser statt der vermuteten zwei Nockenwellen, denn in seiner Heimat-Lingo steht DC für Double Carburateur. Das Heckmotor-Geschoss basierte auf dem Simca 1000, einem 1961 vorgestellten Kleinwagen im Stil dreier aneinanderhängender Keksschachteln. Designer war Mario Revelli di Beaumont, der zuvor für Pininfarina, Fiat und GM arbeitete, dort für seine geschwungenen Linien bekannt wurde (in den Dreißigern Hispano-Suiza, Fiat-Van oder gar ein wunderbarer Alfa-Romeo- Omnibus), hier jedoch den schnörkellosen Kubismus entdeckte.
Das Gros der Rallye 2 fand beim Rennen den schnellen Tod
Damit das schwere Hinterteil nicht wie der Hammer nach vorn drängt, wanderten Kühler und Batterie in den Bug.
Technisch war der kleine Simca hingegen ein Vetter des Fiat 850, denn die Simca-Wurzeln lagen in Turin. Erst 1958 kaufte Chrysler erste Anteile, und die Firma aus Nanterre wurde 1971 in Gänze amerikanisch: Heute gehört Chrysler zu Fiat, die Welt ist seltsam. 1972 wurde der Rallye 2 vorgestellt, Preis 7495 Mark. Zuvor gab es allerdings schon Rallye (49 PS) und Rallye 1 (60 PS), die aber nur harmloses Herzrasen verursachten. Mit 82, später gar 86 PS, war der Rallye 2 verwegen motorisiert, und mit einer kürzeren Übersetzung, wie sie für Slaloms oder Bergrennen gebraucht wurde, konnte der Floh bis 120 einen Porsche911 bügeln. Nicht verwunderlich, dass bei so einem hektischen Lebenswandel das Gros der Rallye 2 den schnellen Tod fand, zerschellt im Off falsch kalkulierter Kurven oder müde geritten wie ein alter Gaul oder umgestrickt und aufgepustet bis zur Unkenntlichkeit. Und wenn dann doch einer – über sein gnädiges Schicksal verwundert – überlebt hat, dann nagte ihm der Rost die Gebeine weg. Es gab kaum ein Entrinnen.
Der Simca Rallye 2 gehört daher auf die Liste bedrohter Arten, weshalb die raren Lebenden einen hübschen Preisschub erfahren haben. Im Zustand 2 ist er heute gut dreimal so viel wert wie 1972 neu. Noch kostbarer ist sein Nachfahr, der Rallye 3, der zwar 21 PS mehr leistet, aber mit seinen stilistisch fragwürdigen Kotflügelverbreiterungen nach Disco-Kutsche aussieht. Jedoch: Von dem wurden nur 1000 Stück gebaut, das macht ihn heute an die 20.000 Euro teuer. Simca-Kenner Fritz Franke von der Simca Heckmotor-IG meint, dass ihm gefühlt schon mehr Rallye 3 angeboten wurden als jemals gebaut, das heißt, viele Rallye 2 sind auf Rallye 3 umgestrickt worden. Der Dreier war das Finale der 1000er-Baureihe. 1978 endete nach 17 Jahren die Heckmotor-Story und kurz darauf Simca selbst, obwohl die Marke mal hinter Renault die Nummer zwei in Frankreich war. Der ewige Wackelkandidat Chrysler stand kurz vor dem Exitus, stieß 1979 die französische Tochter ab, worauf sich Peugeot über ein Schnäppchen freute, das allerdings längst keine Perle mehr war.
Optimales Rallye-Auto
Peugeot hat die Marke dann zunächst in Talbot-Simca, 1980 ganz in Talbot umgetauft, warum, weiß keiner, zumal der Name Talbot anderweitig geschützt war, was Peugeot fünf Millionen Mark gekostet haben soll. 1986 schließlich wurde Talbot zugesperrt. Und wenn man nach Ersatzteilen für einen Rallye 2 fragt, erinnert sich PSA nicht mehr daran, diese Marke besessen zu haben. Der Rallye 2/3 war für den Sportler das beste Auto, das Simca je gebaut hat, mit Schalensitzen, Lederlenkrad und Zusatzscheinwerfern. Damit wegen des Heckmotors in der Kurve nicht so schnell das Karussellfahren begann, wurde der Kühler nach vorn verlegt, das Fahrwerk bekam einen extrem negativen Sturz hinten, dazu serienmäßig Straßenrennreifen, zwar bloß 145er, aber extraweiche Mischung. Damit war der Kleine schnell im Eck und Spitze auf der Bremse – die tatsächlich schon vier Scheiben besaß.
Historie
Der Simca Rallye 2 stammt noch aus der Zeit der klassischen, schlichten Uhren.
Basis der Heckmotor-Sportkanonen von Simca ist das brave Modell 1000 mit 32 PS, das bereits 1961 auf den Markt kam. Weil Fiat 500 und 600, Renault 4CV, Dauphine und natürlich VW glänzend liefen, wollte auch Simca beim Heckmotor-Geschäft mitmachen. Während 1962 als erstes Sportmodell das Coupé Bertone mit 40 PS vorgestellt wurde, folgten die Sportmodelle der Limousine erst 1970. Zunächst als Typ Rallye mit 1100 ccm und 53 PS, 1972 als Rallye 1 mit 1300 ccm und 60 PS, im selben Jahr dann auch als Rallye 2 mit 82 PS dank zweier Doppelvergaser und weiterem Tuning. Ab 1975 kriegte der Rallye 2 sogar 86 PS, verbunden mit noch wilderer Lackierung und einem Heckspoiler, 1976 gab's die ungeliebten eckigen Scheinwerfer und zum Abgesang der ganzen Baureihe von 1977 bis 1978 das Topmodell, den Rallye 3, von dem genau 1000 Stück gebaut wurden. Der Floh leistete nun sogar 103 PS bei 6200 Umdrehungen und lief echte 183 km/h. Nachteile waren nur seine angeklatschten Kotflügelverbreiterungen und die unschöne Front.
Technische Daten
Simca Rallye 2: Reihenvierzylinder, längs im Heck • seitliche Nockenwelle, über Kette angetrieben, Stoßstangen und Kipphebel • zwei Horizontal-Doppelvergaser • Hubraum 1294 ccm • Leistung 60 kW (82 PS) bei 6000/min • max. Drehmoment 108 Nm bei 4400/min • Viergang-Schaltgetriebe • Hinterradantrieb • Einzelradaufhängung vorn an Querlenkern mit Querblattfeder, hinten an Schräglenkern und Schraubenfedern • Reifen 145 HR 13 • Radstand 2220 mm • Länge/Breite/Höhe 3800/1485/1395 mm • Leergewicht 875 kg • 0–100 km/h in 11,8 s • Spitze 170 km/h • Verbrauch 9,8 l/100 km • Neupreis 1972: 7495 Mark.
Plus/Minus
Im Grunde ein braver Charakter, aber die zwei Doppelvergaser machten aus dem Vierzylinder im Heck einen Rabauken.
Tolle Straßenlage dank des niedrigen Schwerpunkts und ambitionierter Gewichtsverteilung mit dem Kühler im Bug, kerniger und robuster Motor (wenn wir von der Graugussnockenwelle absehen, die nach gut 30.000 Kilometern ersetzt werden sollte), stabiles Getriebe (wenn wir von der Synchronisierung im zweiten Gang absehen), guter Sound, erstaunliche Fahrleistungen, eine vermutlich wohltuende Preisentwicklung und ein engagierter Klub (Simca-Heckmotor-IG) – all das steht auf der Plusseite. Nachteile: problematische Karosserie wegen ungenügenden Rostschutzes, und zwar überall, diffizile Ersatzteilbeschaffung bei manchen Blechen sowie bei Rallye-2-spezifischen Teilen, hohe Seitenwindempfindlichkeit, Nickschwingungen auf welliger Fahrbahn, lauter Motor, wenig Platz, praktisch nicht vorhandenes Marktangebot.
Ersatzteile
Die Simca Heckmotor-IG hat Teilebestände aufgekauft und lässt im Verbund mit ausländischen Klubs viele Teile nachbauen. Dennoch gibt es Engpässe, zum Beispiel beim Kühler vorn und seinem Umfeld, dem anfälligen Kabelbaum, dem Hauptbremszylinder, den Schalensitzen und der eingefärbten Frontscheibe. Andererseits sind eine Reihe von Teilen kompatibel mit denen von Fiat oder dem frontgetriebenen Simca 1100, der den gleichen Motor besitzt, nur andersherum drehend.
Marktlage
Rallyesport begann die Massen zu elektrisieren: Der Name kam gut an.
Classic Data listet einen Rallye 2 in sehr gutem Zustand mit rund 9000 Euro, doch in Deutschland ist das Angebot dürftig. Die rund 100 Überlebenden sind in festen Händen. Eher gibt es noch in Frankreich Exemplare des Rallye-Simca. Gern wurden die Simca-Hecktriebler in die teuerste Version, den Rallye 3, umgefriemelt, also aufpassen. Die Heckmotor-IG hat eine Liste mit den Fahrgestellnummern aller je gebauten Rallye 3, das hilft beim Check.
Empfehlung
Obwohl mit den eckigen Scheinwerfern, aufgepappten Kotflügelverbreiterungen und missratenem Heckspoiler nicht das hübscheste, ist doch der Rallye 3 das begehrteste Modell aller Heckmotor-Simca, da nur 1000-mal gebaut und in Deutschland nie offiziell verkauft. Vom Rallye 2 ist die erste Serie von 1972 bis 1976 zu empfehlen, denn die hat noch die wesentlich schöneren runden Scheinwerfer und das klassische Säuregrün (Vert Acidulé), außerdem besseres Blech. Später musste Simca wegen der klammen Mutter Chrysler einen unguten Sparkurs fahren, und die Qualität ließ nach.