Fahrtrainings hießen Schleuderkurse, Blitzer gab es nur auf Fotoapparaten, und Leistung war etwas, nach dem es sich zu streben lohnte. Auch – und gerade – bei kompakten Limousinen.
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Das waren noch Zeiten! Gert Hacks Heizer-Bibel "Autos schneller machen" lag griffbereit auf der Garagen-Werkbank, denn für ein paar PS mehr unter der Haube (respektive ein paar Zehntel weniger auf der Hausstrecke) griffen die Bleifußfahrer gern selbst zum Schraubenschlüssel. Dabei musste man nicht alle Autos schneller machen, damals in den wilden 70ern. Manche waren auch ab Werk schon flott – was die Frisierer allerdings nicht bremste, schließlich hießen Fahrtrainings noch Schleuderkurse, und Radarfallen kannte man, wenn überhaupt, höchstens vom Hörensagen.
Der 2002 ti lässt sich die Butter nicht vom Brot nehmen. BMW wusste schon vor 40 Jahren am besten, was Freude am Fahren bedeutet.
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Alfa Romeo hatte mit der Giulia schon seit 1962 ein leichtes Mädel im Programm, das die Herzen der Sportfahrer auch nördlich des Alpenhauptkamms im Sturm eroberte – und im BMW 02 erst Jahre später einen Gegner fand. Die Engländer kochten derweil ihr eigenes Süppchen; der Triumph Dolomite Sprint, gebaut ab 1973, wurde hierzulande offiziell nie angeboten. Glück für BMW? Wer weiß? Zumindest leistungsmäßig hätte der Brite mit seinen strammen 129 PS dem Bayern die Lederhosen ausgezogen. Zudem machten diesmal ausgerechnet die gern als gestrig belächelten Insulaner auf modern: Unter der Haube steckte der erste in Großserie gebaute 16-Ventiler der Automobilgeschichte. Geschichte schreiben? Daran dachten die Ingolstädter noch nicht, die blauen Zweitaktwölkchen hatten sich ja gerade erst verzogen. Aber zeigen, was sie konnten – das wollten sie auch damals schon bei Audi. Dem Versuch, den braven 80 von Biedermann auf Brandstifter umzupolen (mit dem Motor, der auch den Golf GTI befeuerte), war zwar zu Lebzeiten nur mäßiger Erfolg beschieden. Mit dem olympischen Motto „Dabei sein ist alles“ gibt sich der Vier-Ringe- Kämpfer heute allerdings nicht mehr zufrieden. In diesem Vergleich geht es schließlich um nichts Geringeres als die Krone der Sportlimousinen. Wer von den alten jungen Wilden darf sie aufsetzen?
Die Oldies absolvieren ein ähnliches Messprogramm wie moderne Autos, auch wenn der Respekt vorm Alter schonenden Umgang gebietet.
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Sie treiben es noch immer ganz schön bunt, unsere vier Testkandidaten. Ihre Fahrleistungen schüttelt zwar heute schon mancher Kleinwagen aus dem Ärmel. Messwerte sind aber nur die halbe Wahrheit. Und dass die 70er tatsächlich wild waren – wer könnte das besser beweisen als ein Nullzwo-"ti", der mit qualmenden Reifen um die Ecke fliegt, oder als eine Giulia, die am Kurvenscheitel mit heiserem Vergaserschnorcheln wieder auf die Gerade stürmt? Fahrspaß ist eben keine Frage des Tempos, sondern eine des Gefühls. Und des Gewichts, denn wären unsere vier nicht so kompakt und leicht, dann wäre das Vergnügen höchstens halb so groß. Noch hat sich keine Weichzeichnerfolie zwischen Fahrer und Straße gemogelt, noch fehlt auch das Gängelband der Elektronik. Fahren ohne Filter: In den 70ern gab es das noch. Heute wie damals gilt: Am BMW- und Alfa-Steuer sitzt man stets mit heißem Herzen. Auch der Triumph weckt Emotionen – und sei es bloß, weil er so schrullig und so selten ist. Der Audi 80 GTE dagegen lässt die Seele kalt. Er erarbeitet sich Anerkennung mit Stoppuhr und Maßband, wirkt im direkten Vergleich aber perfektioniert und glatt, langweilig gut. Und würden wir uns seine Kriegsbemalung wegdenken, wäre er sogar politisch korrekt. Ein zahmer Vorbote der Zukunft unter lauter wilden Jungs.
BMW und Alfa machen das Rennen unter sich aus. Wie weit die Giulia, ein Kind der 60er-Jahre, ihrer Zeit voraus war, zeigt ihr gutes Abschneiden im Vergleich zu den jüngeren Rivalen von Audi und Triumph. Glückwunsch nach München und Mailand! Aber auch die Briten müssen den Union Jack nicht einholen, weil ihr Dolomite hier Letzter wird. Der sympathische Sonderling ist mein persönlicher Sieger der Herzen.
In diesem Vergleich geht es um nichts Geringeres als die Krone der Sportlimousinen. Alfa Romeo Giulia 1600 Super, Audi 80 GTE, BMW 2002 ti und Triumph Dolomite Sprint absolvieren ein ähnliches Messprogramm wie moderne Autos, auch wenn der Respekt vorm Alter schonenden Umgang gebietet.
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Als Erster muss der Alfa Romeo Giulia 1600 Super auf die Teststrecke. Die Giulia wird ab 1962 zum Urmeter der europäischen Sportlimousine; das Markenimage zehrt von ihr bis heute. Und auch als reife Frau von 40 Jahren geizt sie nicht mit Reizen.
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Der Alfa wirkt wertvoll, konstruktiv wie verarbeitungstechnisch. Dass sein im Windkanal geglättetes Blech nicht die Kriterien klassischer Schönheit erfüllt – geschenkt.
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"Das Auto hätte aussehen können wie ein Schuhkarton“, erinnert sich Giuseppe Busso, einer der Entwicklungsingenieure. Die Männer hätten das Mädel aus Mailand trotzdem vergöttert.
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Mit spielerischer Leichtigkeit umkurvt der Alfa die Pylonen, wirkt lange fast neutral, bis er schließlich gut beherrschbar mit dem Heck nach außen drängt. Nur wenige Autos aus der damaligen Zeit sind im Grenzbereich so leicht zu fahren.
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Es passt, dass der Alfa auch im Cockpit nicht das Flair eines spartanischen Sport-Studios vermittelt. Unser Testwagen hat ein Holzlenkrad, damals ein sehr beliebtes Extra. Der Schalthebel greift ohne Umwege direkt ins Getriebe, knackig rasten die fünf Gänge ein.
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Auf den Alfa-Sesseln thront man relativ hoch. Froschartig (wie oft bemängelt) ist die Sitzposition aber nicht.
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Das Zündschloss liegt links vom Lenkrad – wie bei Porsche.
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Die Signori dürfen sich an einem dekorativen Arrangement der Instrumente erfreuen, genießen in ihrem für damalige Verhältnisse recht teuer gekauften Wagen aber auch ein Ambiente, das man heute "premium" nennen würde. Hier ein liebevoll beschriftetes Veglia-Instrument.
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Der rauchig klingende Doppelnocker, der schon im Leerlauf unternehmungslustig grollt, ist der Motor für die italienischen Momente im Leben. Mit seinen zwei oben liegenden Nockenwellen ähnelt der Vierzylinder konstruktiv klassischen Rennmotoren.
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Die Giulia 1600 Super zählt zu jener Sorte Oldtimer, die im Rückblick niemand verklären muss – sie war tatsächlich ein großer Wurf. Der Mix aus Sportlichkeit und Alltagsnutzen inspirierte viele Nachahmer, aber nur wenigen gelang er ähnlich gut. Noch heute faszinieren konstruktive Qualität und die Liebe zum Detail.
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In Argumentationshilfe-Broschüren für seine Verkäufer ritt Audi im Frühjahr 1976 zwar beharrlich auf der besseren Beschleunigung herum. Dennoch ließen sich kaum BMW-Fahrer auf einen 80 GTE umpolen. Schon weil ein Auto nicht von jetzt auf gleich vom Buchhalter zum Rocker wird, nur weil es eine coole Lederjacke überstreift.
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Die grelle Optik inklusive "Rallye-Paket" mit schwarzer Motorhaube lässt einen Hochstapler vemuten, tatsächlich übertreibt sie aber nicht. Wenn Besitzer Nils Rodenberg bei seinem GTE aufs Gas tritt, brennt die Luft.
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Der Hauptgrund dafür, dass sich BMW-Besitzer nicht, wie einst in Ingolstadt erhofft, "überproportional" für den GTE interessierten, dürfte allerdings woanders liegen. In Sportfahrer-Kreisen geht eben nichts über eine angetriebene Hinterachse.
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Vorderradantrieb gilt schon damals unter echten Kerlen als ein Stück entgangene Lebensfreude. Straffe Federn reduzieren beim Testwagen das Wanken, die Tendenz zum Untersteuern bleibt.
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Auf dem bananagelben Fotowagen schieben 14 Zoll große 185er-Reifen auf Mangels-Sportstahlrädern zwar die Haftgrenze hinaus (Serie sind 175/70 HR13). Fronttriebler bleibt aber Fronttriebler.
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Weil Seriensitze nicht mehr zu bekommen sind, stecken im Fotoauto Corrado-Schalen mit originalgetreuem Pepita-Muster.
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Loch an Loch: dürres Lenkrad mit nachträglich angebrachter "12 Uhr"-Markierung. Das Ölmanometer in der Mittelkonsole gehört zum 1033 Mark teuren Rallyepaket des Audi 80 GTE.
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Ein von Audi-Tuner Schrick optimierter 1800er aus dem Nachfolger Typ 81 bringt diesen GTE in Schwung.
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Aber die paar Newtonmeter fallen buchstäblich kaum ins Gewicht, denn mit 902 Kilo ist der Audi mit Abstand der Leichteste im Vergleichstest. Kenner identifizieren den GTE an der verrippten Ölwanne, die unter der Frontschürze hervorlugt.
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E wie Einspritzer: Die K-Jetronic bringt 1975 zusätzliche 10 PS und beendet den Leistungsmangel des vergaserbefeuerten Vorgängers GT. Nur eine Handvoll Audi 80 GTE hat die wilden Jahre überlebt. Rarität ist heute ihr größter Reiz.
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Durch der 02er ist BMW zu dem geworden, was es heute ist: eine der ersten Adressen für die Freude-am-Fahren-Fraktion. Sicher war das keineswegs, denn als der kleine Bruder der "Neuen Klasse" 1966 seinen Einstand gab, zunächst mit braven 85 PS, zweifelten die Händler, ob sich so ein Auto überhaupt verkaufen ließe, noch dazu für stolze 8650 Mark.
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Am Ende wird ihnen der Nullzwo aus den Händen gerissen. Gegen die leicht pummelige Giulia 1600 Sport wirkt der Nullzwo mit seinem angriffslustig zugespitzten Bug und dem fettfrei-muskulösen Blech wie ein trainierter Leichtathlet.
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Der BMW 2002 ti hat alles, was ein sportliches Auto braucht: Hinterradantrieb, Leistung, eine zielgenaue Lenkung und kompakte Maße. Ja, das Konzept haben die Bayern von Alfa kopiert. Aber dann konsequent zu Ende entwickelt.
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Untersteuern ist für den Nullzwo ein Fremdwort, Leistungsübersteuern fast schon ein Bedürfnis. Gierig sticht er in die Kurve und pfeilt bei frühem Gaseinsatz mit zünftigem Antriebsschlupf wieder heraus.
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Klimaanlage anno 1969: Ausstellfenster hinten waren bei jedem Nullzwo serienmäßig.
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Mit dem griffigen Lenkrad fühlt sich sogar die Fahrt zur Arbeit wie ein Tourenwagen-Rennen an. Beim 2002 ti rückte die Zeituhr nach rechts, weil der Drehzahlmesser Platz beanspruchte.
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Recaro-Schalen sind beim "ti" ein gern gekauftes Zubehör. Wer mal einen solchen BMW gefahren ist, versteht, warum.
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Seltener Anblick: Im 2002 gibt es stehende Pedalen wie beim VW Käfer.
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Wurden die werkseitig verbauten 40er-Solex-Vergaser durch eine Gemischfabrik von Weber ersetzt, stehen die Pferdchen besonders prächtig im Hafer. Dank großzügig bemessenem Hubraum und geringem Gewicht kommt das stämmige Drehmoment eindrucksvoll zur Geltung.
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Im Nullzwo rasen die Münchner durch die 70er – und tragen dazu bei, dass man diese später gern die "wilden" nennt. Die runden Rückleuchten mit Chromrand und zentralem Blinker bleiben dem Nullzwo bis zum Facelift 1973 erhalten.
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Der Triumph Dolomite Sprint, gebaut ab 1973, wurde hierzulande offiziell nie angeboten. Glück für BMW? Wer weiß? Zumindest leistungsmäßig hätte der Brite mit seinen strammen 129 PS dem Bayern die Lederhosen ausgezogen.
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Wenn es hart auf hart kommt, schlagen beim Sprint trotz Kriegsbemalung und grimmigem Doppelscheinwerfer-Blick die gemütlichen Gene durch. Der ausgefallen konstruierte Vierzylinder outet sich in Sachen Leistungsabgabe als typischer Mehrventiler.
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Mit 129 PS düpiert der Dolomite Sprint, Triumphs Reaktion auf Alfa Giulia und BMW 02, die Konkurrenz nicht nur in Sachen Leistung. Klammert man den Escort RS 1600 und das Lotus-Aggregat des Jensen-Healey aus, haben die Briten auch als Erste einen Großserienmotor mit Vierventiltechnik im Angebot.
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Mild untersteuernd tobt der Triumph Dolomite Sprint durch die Pylonengasse. Am Limit knickt das kurvenäußere Hinterrad ein, dann heißt es blitzschnell gegenlenken.
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Die Lenkung lässt um die Mittellage spüren, dass Großbritannien einmal eine Seemacht war. 22.941 Dolomite Sprints werden bis 1980 gebaut, linksgesteuert sind die allerwenigsten.
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Das Sportlichstes Wohnzimmer der Welt: "Probier’s mal mit Gemütlichkeit" ist die Devise des Dolly. Sportfahrer müssen im England der 70er-Jahre nicht leiden. Leder geht allerdings extra, Serie ist Cord.
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Die zusätzliche Instrumente unterscheiden den Sprint von den schwächeren Geschwistern.
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Drehzahl- und verbrauchssenkend wirkt im 3. und 4. Gang der Overdrive für einst 80 Pfund Aufpreis. Der Testverbrauch von 14,5 Litern ist dennoch ziemlich happig.
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Ab 4000 Umdrehungen stürmt der 1034 Kilo leichte Dolly vehement nach vorn. Allerdings gebärdet er sich dann akustisch wie ein Hooligan im Herrenclub, als den man das konservativ möblierte Cockpit mit seiner Walnussholz-Vertäfelung empfindet.
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Der Triumph Dolomite ist nicht als Sportler auf die Welt gekommen. Auch beim Sprint stehen trotz üppiger Leistung und verstärkten Fahrwerks die Limousinen-Gene im Vordergrund. Als 1980 in Canley die Lichter ausgingen, starb die gesamte Baureihe.
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Fahrspaß ist nicht nur eine Frage des Tempos, sondern eine des Gefühls. Und des Gewichts, denn wären unsere vier nicht so kompakt und leicht, dann wäre das Vergnügen höchstens halb so groß. Noch hat sich keine Weichzeichnerfolie zwischen Fahrer und Straße gemogelt, noch fehlt auch das Gängelband der Elektronik. Fahren ohne Filter: In den 70ern gab es das noch.
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BMW und Alfa machen das Rennen unter sich aus. Wie weit die Giulia, ein Kind der 60er-Jahre, ihrer Zeit voraus war, zeigt ihr gutes Abschneiden im Vergleich zu den jüngeren Rivalen von Audi und Triumph. Aber auch die Briten müssen den Union Jack nicht einholen, weil ihr Dolomite hier Letzter wird. Der sympathische Sonderling ist Sieger der Herzen.