Nein, Helden kommen anders zur Welt. Als der TR6 1969 auf dem Brüsseler Autosalon erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, war er im Grunde schon reif fürs Museum. Eine Notgeburt, geschuldet dem fidelen Pleitegeier, der sich seit Jahren beim britischen Automobilbauer Standard-Triumph eingenistet hatte. Für eine gänzlich neue Fortentwicklung der hinreißend schönen Windbraut TR5 fehlte neben dem Geld auch die Zuversicht, weiterhin in offene Zweisitzer zu investieren. Da Hausdesigner Giovanni Michelotti mit anderen Projekten beschäftigt war, bekam Karmann in Osnabrück den Auftrag, möglichst schnell einen günstigen Nachfolger auf die Räder zu stellen. In nur 14 Monaten wurden Schnauze, Haube und Heck gerade geklopft, weitere kleine Retuschen ließen den Roadster deutlich maskuliner als den verspielten TR5 erscheinen.

Der TR6 war eigentlich eine Notlösung – und wurde sehr erfolgreich

Triumph TR6
"Road &Track" attestierte: "Ein seltener Fall einer gelungenen Schönheitskorrektur". Im Kern aber blieb der TR6, was er war: ein Klassiker. Vielleicht war es gerade diese Mischung, die das Karmann-Kind zum erfolgreichsten aller TR-Modelle machte. 91850-mal wurde die Notlösung gebaut und überstand sieben Produktionsjahre ohne große Änderungen. Doch sehen wir es realistisch. Technisch fuhr der TR6 mit seinem knarrenden Chassis, seiner schlichten Einzelradaufhängung, der mimosenhaften Elektrik und dem umständlichen Flatterverdeck von Anfang an den Konkurrenten hinterher. Die hießen 1969 Ford Capri, Porsche 914 oder Datsun 240 Z.

Geradeauslauf ist ein Fremdwort für den TR6: er giert nach Kurven

Der TR6 war immer ein unterentwickelter Kompromiss, meilenweit von Perfektion entfernt. Doch er hat Charakter. Und Charme. Ein britischer Roadster reinsten Wassers. Kantig, schlicht, schnell. Sauschnell. Unglaubliche 195 km/h gab Triumph für den TR6 PI mit 143 PS (später 123 PS) an. Zu Zeiten, in denen mehrheitlich gemächlich krabbelnde Käfer deutsche Autobahnen bevölkerten, ein Wert, der den TR6 eindeutig als echten Sportwagen identifizierte. Heute bekommt man im TR6 schon bei 120 Sachen feuchte Hände. Denn richtig geradeaus lief der Bursche nur auf dem Band in Coventry. Für Typen wie den TR6 hat der Roadstergott einst S-Kurven in die Landschaft geworfen. Wenn sich das graublaue Asphaltband wie eine Blindschleiche windet, ist der rustikale Brite in seinem Element. Dann grinst jedes gegerbte Windgesicht von Ohrläppchen zu Ohrläppchen.

Wolke 7 im TR6

Der Sechszylinder grummelt dazu eine herrliche Symphonie, so ein zufriedenes Blubbern aus der Tiefe des Doppelauspuffs. Nur Banausen zwingen den Langhuber zu hohen Drehzahlen und damit enormen Kolbengeschwindigkeiten. Wolke 7 für den TR6 bedeutet untertourig dahingleiten. Das mag der robuste Reihensechser am liebsten. Die unbändige Kraft aus dem Drehzahlkeller ist dabei mindestens so legendär wie die Anfälligkeit der Lucas-Benzineinspritzung. Wenn es ihr zu heiß wird, bockt sie: Die Leistung fällt ab, der Motor reagiert mit Aussetzern, Warmstartversuche enden dann gern mit dem Besuch eines Gelben Engels. Der Austausch gegen ein Exemplar von Bosch wirkt übrigens Wunder. ...

Tipp: zuverlässigere Vergaser-Version wählen

Triumph TR6
Oder gleich die Vergaser-Version nehmen. Die ist ohnehin am weitesten verbreitet. Nur rund 15 Prozent aller TR6 waren Einspritzer, der Rest – vornehmlich US-Exportmodelle – erhielt seinen Supersaft von Stromberg-Doppelvergasern. Mit 95 bis 106 PS waren diese zwar deutlich schwächer auf der Brust, aber keineswegs untermotorisiert. Und eben auch zuverlässiger. Wie überhaupt der TR6. Zur launischen Diva wird der knapp vier Meter lange Zweisitzer nur, wenn seine Vorbesitzer an der Elektrik rumdilettantiert haben. Dann ist der Wurm drin und lässt sich oft nur durch Austausch des kompletten Kabelstrangs wieder austreiben. Ansonsten zählt der knorrige Brite zu den Alltagstauglichsten seiner Zunft. Und zu denen, die sich auch Menschen leisten können, die statt Millionen nur die Liebe zu Oldtimern geerbt haben. Gut erhaltene Exemplare gibt es bereits ab 12.000 Euro, das Angebot ist durchaus üppig, die Ersatzteillage bestens. Sieht ganz so aus, als stehe dem letzten seiner Art die Zukunft offen. 

Von

Tomas Hirschberger