Das Design der Autos aus dem Osten wird ja häufig belächelt. Unbeholfen, altmodisch, provinziell. In dieses Klischee passt der Wartburg 311 jedoch überhaupt nicht, so schön und stattlich ist diese Limousine. Der Witz daran, und sage keiner, so etwas passiert nur im Osten: Der 311 wurde schwarz entwickelt, ohne Auftrag von oben. Das kam so: Das Autowerk in Eisenach gehörte seit 1929 zu BMW. Alle BMW-Serienautos entstanden dort. Autos wie der legendäre 328 - wichtig zu wissen, um das Selbstverständnis der Thüringer Autobauer einordnen zu können. Denn nach dem Krieg kam es knüppeldick.

Alles über Wartburg

Zwar bauten sie erst mal noch abgewandelte BMW, den Sechszylinder EMW 340 zum Beispiel. Doch 1953 wurde der F9 aus Zwickau übernommen, weil dort zukünftig der Trabant entstehen sollte. Der F9 war 1940 noch von DKW entwickelt worden, ein Zweitakter und auch von seiner Größe her eigentlich unter der Würde der Eisenacher. Sie versuchten dann, das Beste daraus zu machen, erst mal unter der Hand. Und entwickelten auf der technischen Basis des F9 ein Auto mit zehn Zentimeter mehr Radstand und einer größeren, geräumigeren und moderneren Karosserie, den späteren Wartburg 311. Die Sache flog auf und kostete Betriebsdirektor Martin Zimmermann 5000 Mark Geldstrafe - trotzdem war der DDR-Ministerrat aber begeistert und entschied, das Auto zu bauen.

Vergleich: $(LC923564:Wartburg 353 gegen VW Golf I)$

Wartburg 311
Wartburg anno 1956: Antiquierte Technik aus der Vorkriegszeit trifft auf umwerfende Formen mit Zweifarblackierung.
Premiere feierte der 311 auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1956, mit dem 900-ccm großem Dreizylinder-Zweitakter und 37 PS vom F9, Kastenprofilrahmen, Ganzstahlkarosserie, Querblattfedern vorn und hinten – die Technik konnte also mit dem ästhetisch bemerkenswerten Auftritt nicht mithalten. Der 311 fuhr sich nicht ganz so gut, wie er aussah. Es war eben Vorkriegstechnik. Der Zweitakter knatterte und zog die bekannt geruchsintensive Abgasfahne hinter sich her. Kleines Drama am Rande: 1957 hatten die Wartburg-Techniker einen Vierzylinder-Boxer mit 45 PS fertig entwickelt – er durfte nie in Serie gebaut werden. Im DDR-Alltag spielte zu Beginn die antiquierte Technik keine größere Rolle, Konkurrenz gab es ja nicht wirklich.

Das schönste Auto der DDR

Im Gegenteil, die 311-Limousine zu Preisen ab 14.700 Mark galt in den 50ern als Nobel-Auto, mit gutem Platzangebot, den bequemen Sesseln und der gediegenen Inneneinrichtung. Noch bemerkenswerter war die nie zuvor – und nie wieder – erreichte Varianten-Vielfalt auf Basis des Wartburg 311. Es gab Cabrio, Coupé, Kombi, Pick-up, die originelle Camping-Limousine und den hinreißenden Roadster 313/1 – das schönste Auto des Arbeiter- und Bauernstaats. Ab 1965 folgte dann der 312 und 1966 der 353 – aber das ist eine andere Geschichte. Als DDR-Produkt von Eleganz und Ambition bleibt der Wartburg 311 ein Sammlerstück von eigenem Reiz.

Technische Daten

Wartburg 311
Wartburg 311
Fast schon wie ein Cabrio: Das große Schiebedach gab es nur für die Luxus-Limousine.
Dreizylinder-Zweitaktmotor, längs vor der Vorderachse • Hubraum 900 ccm • 27 kW (37 PS) bei 4000/min • max. Drehmoment 81 Nm bei 2200/min • Vierganggetriebe • Vorderradantrieb • L/B/H 4300/1570/1450 mm • Radstand 2450 mm • Spurweite vorn/hinten 1190/1260 mm • Leergewicht 960 kg • Reifen 5.90-15 • vorn Dreieckquerlenker, Querblattfedern, hinten starre Schwebeachse, Querblattfedern • Trommelbremsen •  Tank 40 Liter • Spitze 115 km/h • 0-100 km/h in 30,0 s • 10,0 l Gemisch/100 km • Neupreis (1956) 14.700 Mark (DDR)

Historie

Der 311 feiert im Frühjahr 1956 Premiere als Limousine 311-0 und Limousine de Luxe 311-1. Im gleichen Jahr starten das 2+2-sitzige Cabriolet 311-2 und der Kombi 311-9. 1957 folgen das Reise-Coupé 311-3, die Camping-Limousine 311-5, der Pick-up 311-7 und der Roadster 313-1 (mit 50 PS). Ab 1962 Motor mit 992 ccm und 45 PS.

Plus/Minus

Für den 311 sprechen sein Charme, sein klassisches Design und auch sein Exoten-Status. Besonders im Westen ist dieser Wartburg wenig bekannt. Es existiert aber auch dort, im Osten sowieso, eine rührige Szene mit vielen Clubs und Foren. Berühmt ist inzwischen das jährlich stattfindende große Wartburg-Treffen in Dornburg. Die im Ursprung aus der Vorkriegszeit stammende Technik ist zwar einfach, aber anfällig. Auch die Ersatzteillage wird langsam schwieriger. Und, viel schlimmer: Es gibt nur noch wenige gute Exemplare – DDR-typisch haben die Autos im Alltag sehr gelitten. Auch der 311 hat ganze Datschensiedlungen im Kofferraum und auf dem Dachträger herangekarrt.

Ersatzteile

Es wird komplizierter. An Kleinteilen herrscht aber noch kein Mangel, die gibt es günstig. Schwieriger wird es mit Motorblöcken (circa 800 Euro), Ansaugkrümmer gibt es für etwa 40 Euro, eine Kurbelwelle für circa 400. Ein Satz Bremsbacken kostet 25 Euro, ein Hauptbremszylinder 175 Euro, Spurstangenköpfe 35 Euro. Nicht leicht ist es mit Karosserieteilen (gibt es praktisch nicht mehr) oder auch Original-Lampen. Hier hilft nur Geduld.

Marktlage

Fahrbereite 311 Limousinen mit frischer HU-Plakette gibt es ab etwa 2000 Euro aufwärts, kerngesunde Exemplare mit H-Kennzeichen kosten bis 5000 Euro. 10.000 Euro und mehr fordern Wartburg-Kenner für sehr gut restaurierte Limousinen und Kombis. Coupés kosten mindestens 30 Prozent mehr, Roadster sind rar wie sonst nur Sportwagen-Exoten. Obwohl die meisten 311 hart rangenommen wurden, tauchen vereinzelt immer noch Garagenfunde im zart patinierten Originalzustand auf.

Empfehlung

Ein Traum ist natürlich der Roadster, aber leider wurden von dem hinreißenden 313-1 nur 469 Stück gebaut – für maximal 5000 Euro gibt es nur Baracken. Also wenden wir uns doch wieder der Limousine zu und dabei der De-Luxe-Ausführung. Die sieht mit ihrer schwungvollen Zweifarben-Lackierung netter aus und ist besser ausgestattet als der Basis-Typ. Die Empfehlung gilt dem 311-1/1000 mit dem aufgebohrten Einliter (45 PS). Sehr charmant ist auch der 311-8/1000 mit dem großem Schiebedach.