Die wilde Autowelt der DDR
Die Stasi und der Rallye-Trabi

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Eine Postkarte von Weltmeister Walter Röhrl beendete die Karriere des DDR-Rallyefahrers Peter Arndt. 28 Jahre später bringt AUTO BILD KLASSIK die beiden Motorsportler zusammen.
Die Sicherheit des ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden wird im Frühjahr 1981 von einer Postkarte aus Regensburg bedroht. Die Rückseite ist mit 18 Zeilen in schwungvoller, aber gut lesbarer Handschrift beschrieben, die Vorderseite zeigt einen Fiat 131 Abarth und das Porträt eines Rotschopfs. Die Postkarte stammt von Walter Röhrl, dem damaligen Monte-Carlo-Sieger und Rallye-Weltmeister. Und sie wird das Leben des DDR-Bürgers Peter Arndt aus der Industrie- und Bergarbeiterstadt Aue nachhaltig beeinflussen. Denn Arndt ist der Empfänger dieser Postkarte – und gerät damit unbewusst ins Visier der Staatssicherheit. Fangen wir vorn an: Peter Arndt ist 16 Jahre alt, als die 7. Pneumant-Rallye International im März 1967 durch Aue kommt. Es ist ein Lauf zur Europameisterschaft, deshalb fahren auch Werkswagen von Porsche und Alpine sowie jede Menge Autos von Privatfahrern aus dem Westen mit. "Ich war total fasziniert", erzählt der Sachse, "damals dachte ich: Das willst du auch machen."
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Mit den ersten Erfolgen bekommt Peter Arndt sogar einen Sponsorenvertrag. Die sogenannte Binnenwerbung ist in der DDR zu der Zeit zwar schon nicht mehr erlaubt, aber Betriebe, die in den Westen exportieren, dürfen durchaus Reklame machen – und die Auer Besteck- und Silberwarenwerke (ABS), für die Ingenieur Arndt die Maschinen instand hält, gehören dazu. Fortan trägt der ehemalige Familien-Trabant die Aufschrift "ABS" an der Seite, und auch bei der Teilebeschaffung ist die Stelle in Aue hilfreich: "Wenn ich neue Reifen brauchte, bin ich ins Reifenwerk gefahren und habe denen für die Werkskantine Bestecke mitgebracht. Wenn ich neue Stoßdämpfer brauchte, habe ich die Bestecke ausgepackt. Und wenn neue Federn dranwaren, na, dann bin ich wieder mit meinen Bestecken losgefahren." Aus dem Hobby wird eine Berufung. Als bei den Automobilwerken Zwickau Anfang der 80er-Jahre ein paar ältere Werksfahrer aufhören, soll Peter Arndt hauptberuflich für den Trabant-Hersteller um Titel fahren.
Stasi stoppt Arndt
Die nötige Delegierung von seinem bisherigen Betrieb hat er bereits in der Tasche, jetzt geht es noch um eine Formalie: Weil die Zwickauer auch bei Rallyes in Griechenland und Finnland antreten, also im sogenannten nicht sozialistischen Wirtschaftsgebiet (NSW), muss Arndt Reisekader werden. Und da kommt die Staatssicherheit ins Spiel. "Beim abschließenden Kadergespräch in Zwickau erklärte mir der damalige Leiter der Sportabteilung, dass es ihm leid täte, aber ich sei aus Sicherheitsgründen nicht tragbar", erinnert sich Arndt. Der Ingenieur versteht damals die Welt nicht mehr: Gut, er ist zwar nicht in der Partei, aber dafür ist er verheiratet und hat eine einjährige Tochter. Fluchtgefahr ist also praktisch nicht vorhanden. Einen Ausreiseantrag hat er auch nie gestellt. "Ich muss dir den Grund nicht sagen", eröffnet ihm der Genosse schließlich, "aber ich gebe dir ein Stichwort: Walter Röhrl." Die Postkarte aus Regensburg.
Eine Postkarte von Walter Röhrl beendet Arndts Rallye-Karriere in der DDR


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