Von hinten! Schaut man die beiden von hinten an, dann ist es kaum zu glauben, dass es eigentlich die gleichen Autos sind. Geschmeidig, fast fragil der himmelblaue Duetto. Das runde Heck ist eine schmachtende Liebeserklärung an die Schönheit. Darunter: Reifen, so zart und hauchdünn, als wären sie am liebsten gar nicht da. Viel massiver dagegen der ginstergelbe Spider. 24 Jahre liegen zwischen beiden. Das ist keine lange Zeit, von heute aus betrachtet wäre das 1990 – und da gab es bereits einen MX-5, der im Rückblick nicht alt aussieht. In jenem Jahr fuhr der klassische Spider in seine letzte Runde, und was danach kam, ist zwar durchaus der Rede wert, doch ein völlig anderes Kapitel: extreme Keilform, Plastikhaube, quer eingebaute (!) V6(!)-Turbo(!)-Motoren. Die Vorderräder wimmerten unter ihnen nur so, weil sie nicht wussten, wie sie all die Kraft schlupffrei in den Asphalt stemmen sollten. Doch das ist heute nicht unser Thema.
Alfa Romeo 1600 Duetto Alfa Romeo 2.0 Spider
1966 hieß der Alfa „Osso di Seppia“ – das heißt Tintenfischbein. Am schönsten klang „Duetto“. Der Spider von 1990 bekam keinen Kosenamen mehr.
Bild: G. von Sternenfels
Im ginstergelben Spider endete die klassische Linie der Alfa-Spider-Geschichte. Er setzte den Schlussakkord einer langen, erfolgreichen Vergangenheit, die 1955 mit einer umwerfend charmanten offenen Giulietta begonnen hatte. Sie war hübsch, ein Auto zum Verlieben. Vollendet, wenn auch nicht so drall wie die Lollobrigida, feiner. Doch mindestens ebenso begehrenswert. Das konnten sie. Nein, nicht Alfa. Pininfarina! Der Design-Großmeister in Turin hatte die Giulietta nicht nur gezeichnet, sondern auch produziert. Alfa lieferte die famose Technik, Pininfarina formte erst das Blech, dann die Autos. Kongenial, wie das damals in Norditalien lief. Mitte der 1960er-Jahre war es so weit, das Rad musste sich weiterdrehen. Die schönen Spider Giulietta und Giulia brauchten einen Erben. Einen, der wieder allen den Kopf verdrehen konnte. Pininfarina ging ans Werk. 1966 war er fertig. Am 10. März zeigte sich ein völlig neuer Spider auf dem Genfer Salon. Vorn und hinten floh sein Blech ins Flache, er sah geschmeidig aus. Sanft. Sanft? Das schmeckte den Fans damals nicht. Überhaupt nicht. Durch ihre Herzen fuhr noch der Giulia Spider, der beides konnte, schön sein und sportlich. Aber dieses neue Ding? Zu feminin, die Linie. "Bizarr", schimpften Tester wenig später, oder "ziemlich hässlich". Wie ein "Osso di Seppia", was auf Italienisch zwar poetisch klingt, doch nichts anderes heißt als Tintenfischbein. Ein Sepia-Schulp also, wie man ihn Sittichen zur Schnabelpflege in die Käfige hängt.
Klassik-Test: Alfa Romeo Spider

Ein Spider für Verliebte

Alfa Romeo 1600 Duetto Alfa Romeo 2.0 Spider
Geschmeidig, fast fragil der himmelblaue Duetto. So schwer, wie er sich optisch macht, ist der Spider nicht. Es sind nur 80 Kilogramm mehr.
Bild: G. von Sternenfels
Weil Alfa zu allem Überfluss vergessen hatte, dem neuen Auto einen Namen zu geben, übertitelten selbst deutsche Alfa-Werksniederlassungen anfangs ihre Anzeigen mit "Schlager des Jahres: Osso di Sepia". Ernsthaft. Doch letztlich egal. Denn Alfa war dann clever genug, per Preisausschreiben nach einem Namen zu suchen, und über 100.000 Postkarten gingen ein, mit Vorschlägen, die von Al Capone über Edelweiß bis Pizza reichten. Sogar Stalin und Hitler waren dabei, und eben auch: Duetto. Ein Name, der zog. Ein Spider für zwei Verliebte, ein Lied auf den Lippen. Duetto traf das alles. Blöde nur, dass ein Schokoriegel bereits genauso hieß. Keine zwei Jahre später untersagte ein Gericht Alfa Romeo, den Namen Duetto zu nutzen. Doch das hatte genügt: Noch heute kennt jeder den Rundheck-Spider als Duetto. Auch wenn der Name nirgendwo mehr stand. Irrungen und Wirrungen zuhauf also. Dennoch gelang dem Duetto ein guter Start: Über 3300 Stück lieferte Alfa noch 1966 aus, und das lag vor allem daran, dass unter dem Blech immer noch grandiose Technik steckt. Unser himmelblauer 1967er Duetto kann das beweisen. Zuallererst der Motor mit zwei oben liegenden Nockenwellen für die Lust an der Sportlichkeit. Ordentliche 109 PS leistet der 1600er, dessen Freude am fröhlichen Vortrieb kein Ende nimmt. Bei ihm waren es keine Drehzahlrekorde, nein, es war die zauberhafte, spielerische Leichtigkeit, mit der die feine weiße Nadel des Drehzahlmessers bis gegen 7000/min stieg.

Fahrspaß

Alfa Romeo 1600 Duetto Alfa Romeo 2.0 Spider
Im Duetto warten auf den Fahrer wundervoll klar gezeichnete Uhren, ein hübsches Lenkrad und fünf exzellent sortierbare Gänge.
Bild: G. von Sternenfels
Überhaupt, die Instrumente: zwei große, dazu drei kleine, aufmerksam zum Fahrer gedrehte Uhren. Sachlich, ruhig, das Design – und doch so emotional. Gar nicht nüchtern. Wie haben sie das damals nur geschafft? Dazu kommt der große Genuss von fünf Gängen, jeder einzelne nicht nur exzellent zu schalten, sondern auch mit Garantie, dass sich immer eine ideale Übersetzung findet. Kraft hat der 1600er übrigens schon untenherum. Ab rund 2500/min macht er richtig Spaß, weil er von hier an mächtig marschiert. Und das alles auf seinen schmalen, hohen 155 x 14er-Reifen, ein bisschen tänzelnd für unser heutiges Urteil. Doch nie böse, ein Duetto will in Kurven und saugt sich dann recht neutral hindurch. Es ist ein frisches, fröhliches Fahren, erst recht unter einem sonnigen Himmel. Ein Vierteljahrhundert später gab es ihn noch immer, den Alfa Spider. Irgendwie heißt er Serie 4, einen besseren Namen hat nie jemand für ihn gefunden. Nach Fastback (ab 1969) und Spoiler-Version (ab 1983) ging er 1990 in seine vierte Runde, die letzte. Jeder erkennt sofort den Alten in ihm. Front und Silhouette zitieren die eigene Geschichte, nur untenrum hat er Gewicht angesetzt. Gleich geblieben ist das Grundlayout. Der Doppelnocker zum Beispiel, den es seit 1971 sogar mit vollen zwei Liter Hubraum gab. Doch was haben sie mit ihm gemacht?! In den 1990ern klingt er zugeschnürt. G-Kat und moderne Motronic mögen die Abgase zwar auf höchstem Niveau reinigen, doch ihnen fehlt jede Nachsicht für die Lebenslust des Triebwerks. Statt freudvoll zu trompeten wie der Duetto mit seinen zwei Weber-Doppelvergasern, lärmt es bei ihm nur – besonders in oberen Drehzahlregionen.
Geld oder Liebe: Alfa Romeo Montreal

Die Legende lebt

Alfa Romeo 1600 Duetto Alfa Romeo 2.0 Spider
Der Spider bietet deutlich bessere Sitze, das Lenkrad ist jedoch wie die anderen Holzteile nachgerüstet.
Bild: G. von Sternenfels
Träge ist der Spider geworden, auch wenn er letztlich auf ein ordentliches Tempo kommt. Und er trampelt. Mit seiner hinteren Starrachse hoppelt er um Kurven, vor allem wenn breitere Reifen montiert sind als das vom Werk gewählte Format 195/70HR 15. Souverän geradeaus mag er auch nicht mehr laufen. Dass bei der nötigen Korrektur eine Servolenkung – nun in Serie – hilft, ist keine Lösung. In schnellen Kurven verschluckt sie die direkte Antwort der Straße. Der Duetto jedenfalls lässt die Lenkhilfe keinesfalls vermissen. Ihre große Amerika-Karriere starteten die Rundheck-Spider 1967 mit einer Hauptrolle in "Die Reifeprüfung". Am Steuer kämpfte ein knackiger Dustin Hoffman um seine große Liebe, dazu hauchten Simon & Garfunkel herrlich transzendent ihr "Scarborough Fair". 1990 war eine andere Zeit. Im Kino lief "Pretty Woman", und über die Leinwand hetzte ein Lotus Esprit, kein Alfa Spider mehr. Sollte man im Ginstergelben nun Roxettes "It Must Have Been Love" hören? Oder doch lieber den Soundtrack der alten Tage? Er kann sich nicht entscheiden, für sein Heute nicht, für seinen Ursprung nicht. Hat noch diese herrlichen Ausstellfensterchen mit Chromrahmen, kombiniert sie mit elektrischen Fensterhebern. Zwei große Uhren gibt es, doch die feinen, präzisen Skalen haben sie ihm genommen. "Die Legende lebt", warb Alfa zuletzt für den Spider. Das stimmte, er war eine Legende. Doch eine, die das Ende ihres Weges im Blick hatte. Andreas Borchmann fuhr ihn 1990 noch einmal für AUTO BILD: "Er ist ein älterer Herr", so sein Fazit, "der es lieber bedächtig mag." Bedächtig? Den Satz hört der Duetto. Grinst sich eins. Und gibt Gas. Er ist mit sich im Reinen.

Historie

1950 erfindet Alfa sich neu, erst mit dem 1900, später mit der Giulietta. Das kompakte, sportliche Modell gibt es nicht nur als Berlina (Limousine) und Coupé, sondern auch als Spider (1955–65) – der erste offene Alfa in größerer Serie. Playboys lieben ihn, weil er so schön ist und schnell dazu. Für den Nachfolger ist das nicht einfach: Im März 1966 kommt der neue Spider, ein unverwechselbarer Pininfarina-Entwurf, der anfangs auf Kritik stößt. In Amerika lernen sie ihn dann schnell lieben – nach seiner Rolle im Film "Die Reifeprüfung" macht er als "Graduate Car" Karriere, als Geschenk für Highschool-Absolventen. Alfa schiebt mit dem 1750 und dem 1300 zwei weitere Rundheck-Spielarten nach, 1969 folgte mit dem Fastback die erste formale Überarbeitung. Zwei Jahre später krönt ein Zweilitermotor die Spider-Reihe. Geschockt sind die Fans 1983, weil Alfa den Spider rundum wild verspoilert. Viel lieber mögen sie ab 1990 die nächste Auflage mit ihren klassischen Anklängen. Doch 1993 kommt das Aus – Alfa setzt auf Frontantriebs-Spider.

Plus/Minus

Alfa Romeo 1600 Duetto Alfa Romeo 2.0 Spider
Im ginstergelben Spider endete die klassische Linie der Alfa-Spider-Geschichte. 24 Jahre liegen zwischen beiden.
Bild: G. von Sternenfels
Das größte Plus: Beide sind echte Alfa. Ihre Motoren klingen grandios, sie verkörpern den Geist dieser großen Marke stolz, ohne die Nase oben zu tragen. In der Disziplin Authentizität liegt der Duetto natürlich vor dem jüngeren Bruder. So behände, wie er antritt, wie er um Kurven lenkt, leichtfüßig in den Drehzahlhimmel jubelt, so schwer tut sich der Spider aus den frühen 1990ern. Er fühlt sich gesättigt an, zeigt sich dafür bequemer im Alltag, mit besserem Sitzkomfort und einer einparkfreundlichen Servolenkung. Für beide Spider gilt, dass sie unter ihrem hübschen Blech noch eine Technik von so überschaubarer Komplexität tragen, dass sich heute einigermaßen flächendeckend Experten finden. Ein wenig exotisch sind beide, doch nicht allzu sehr: Man kann sich als Liebhaber auf ihre kleinen Marotten bestens einstellen. Zum Beispiel, dass sie stets und ohne Ausnahme eine Viertelstunde behutsam warm zu fahren sind.

Ersatzteile

Sie standen zwar nie an jeder Ecke, dennoch sind Spider nicht richtig selten. Das führt zu einer gesunden, dauerhaften Ersatzteil- Nachfrage, zudem haben sich über Clubs und Händler längst Strukturen etabliert, die eine gute Versorgung sicherstellen. Besonders entspannt ist die Lage bei der Technik: Gemeinsam mit der Giulia und anderen Modellen wie den Coupés bedienten sich die Spider aus dem Alfa-Baukasten jener Jahre. Bei Karosserieteilen sieht die Lage schon anders aus, hier gibt es keine Gemeinsamkeiten. Originale Teile sind superselten. Dass viel nachgefertigt wird, ist gut, löst jedoch längst nicht alle Probleme, weil die neuen Teile oft teuer sind (Kotflügel hinten: rund 1000 Euro) und dennoch nicht passen oder auf Dauer funktionieren. Vergaserflansche aus Gummi, die nach einem Jahr reißen? Verdeckgestänge, die das Dach nicht aufklappen lassen? Stoßstangen, die nicht zur Karosserie passen? Alles Alfa-Alltag.

Marktlage

"Wirklich gute Spider sind rar", sagt Andy Rottmann, der seit Jahrzehnten tief in der Alfa-Szene verwurzelt und im Duetto Club Schweiz aktiv ist. Das gilt für unberührte Originale ebenso wie in hoher Qualität restaurierte Exemplare. Am häufigsten zu finden sind Autos ab Zustand 3– aufwärts, die sich über die Zeit gerettet haben. Oder die mit mangelndem Wissen und reduziertem Aufwand (optisch) restauriert worden sind, "teilweise mit überraschend guten Lackierungen", wie Andy Rottmann sagt. Doch wenn ein Wagenheber den Spider auf einer Seite lupft und sich auf der anderen die Tür nicht mehr öffnen lässt, ist das Schweller-Innere sicher zerbröselt. Glanz hin, Glanz her: "80 Prozent der Spider werden zu teuer verkauft", so Rottmann. Also nicht blenden lassen!

Empfehlung

Die Wahl hängt von den eigenen Vorlieben ab. Ein Serie-4-Spider kann alles, was ein Youngtimer können soll. Fährt ins Büro, ist recht bequem, dennoch sehr individuell – und er trägt die großen Gene in sich, ohne viel zu kosten. Der Duetto verfolgt dagegen die pure Alfa-Lehre, ist klassischer, begeisternder. Und ein gutes Stück rarer und teurer, längst ein etabliertes Sammlerstück – ideal für maximalen Fahrspaß über Landstraßen oder Pässe. Von den drei Rundheck-Varianten gibt der starke 1750 den Cruiser, der agile 1600 (der wahre Duetto) den drehfreudigen Alleskönner, während der 1300 ein wenig hecheln muss, um überall mitzukommen. Vorsicht: Der 1300 wurde gern zum beliebteren 1750 umkonfiguriert, sogar Exemplare mit gefälschter Fahrgestellnummer sind bereits aufgetaucht