Es war 1986. Die Raumfähre "Challenger" explodierte, der Kernreaktor in Tschernobyl flog in die Luft, im WM-Finale von Mexiko verlor Deutschland 2:3 gegen Argentinien, als Ford sein Escort Cabrio zum Lifting schickte. Kein Wunder, dass bei diesen aufrüttelnden Ereignissen ein halbneues Auto nicht mal ein Wimpernzucken auslöste. Nur ist das 2008 immer noch so. Wer heute nach einem Ford Escort XR3i Cabrio googelt, landet Treffer für Reparaturanleitungen. Bums! Keine Links zu Fanseiten, keine Faszinationsgeschichten. Und keine Liebhaberpreise. Jeder vergurkte 190er-Mercedes soll teurer sein als ein gepflegtes Escort Cabrio der 80er.

Das Escort Cabrio trägt den 80er-Chic

Ford Escort Cabrio XR3i
Cabrio im Disco-Fieber: runde Zusatzscheinwerfer, zweifarbiger Metalliclack – damals sehr trendy.
Aber das Problem ist ja nicht wirklich neu. Daniel Goeudevert, Ford-Vorstand von 1981 bis 1989, machte damals – gar nicht korrekt – "das Türken-Image" für den Popularitätsschwund der Marke verantwortlich. Ob es nur daran lag, dass der Ford trotz modischen Designs kein Trend-Knaller wurde? Dabei hatte er im Vergleich zu seinem Konkurrenten Golf einen brauchbaren Gepäckraum. Und ab Oktober 1987 sogar ein elektrisches Verdeck (Aufpreis 1550 D-Mark). Der stabile Überrollbügel? Ein Accessoire der Zeit. Ebenso wie dunkle Kellerbars, Fototapeten und Leggins. Aber wenigstens die elastischen Stoffhosen feiern ja gerade ein Revival in der Mode. Die Idee eines kompakten Cabrios mit vier Sitzen und Stoffverdeck war nie ganz weg. Spätestens mit dem neuen BMW-1er-Cabrio kommt die verblasste Freude an kompakten Stoffmützchenträgern ins Heute zurück.

In den 80ern supermodern: weißes Escort Cabrio "Boris Becker"

Ford Escort Cabrio XR3i
Typisches Cockpit der 80er Jahre: kinderleichte Bedienung, Fensterkurbeln, Cassettenradio.
Mit 4,06 Meter Länge ist das Escort Cabrio 30 Zentimeter kürzer als der BMW. Im Geiste sind beide gleich: kompakt, hübsch, mit hohem Freizeitwert. Den versuchte das Ford-Marketing damals mit diversen Sondermodellen zu unterstreichen. Da gab es 1989 das Modell "Boris Becker" (BB). Außen diamantweiß lackiert, weißes Schnellfaltverdeck, grüne Seitenstreifen, innen mit Recaro-Sitzen und Sportlenkrad ausgestattet. Außerdem tobten sich die Designer bei den Lacken aus. Da gab es schicke Zweifarb-Kombinationen, zum Beispiel: titangrau/stratosilber. Oder kastanienbraun/quarzgold. Das war damals keine Rentner-Farbe, sondern sehr apart. Der anfangs 105 PS leistende 1,6-Liter-Benziner verlor drei PS an den Katalysator, die 90-PS-Variante blieb leistungsstabil. Damit gehörte der Escort eher zum Mittelfeld der Weltrangliste. Fahrfreude zauberten mehr Wind, Sonne, Meersalz als der Motor.
Trotz 1,6 Liter Hubraum wirkten 105 (102) PS eher zäh und unelastisch, Servolenkung gab es nicht, und das Fahrwerk gehörte zur harten Sorte. Dagegen war das Verdeck ein echtes Ass. Butterweich rutscht es auf die Karosserie, in der Handhabung dem Opel Kadett oder $(LC50160:VW Golf Cabrio)$ weit überlegen. Aber wer will das heute wissen? Der Golf hat die Fangemeinde, der Escort unser Mitgefühl. Aber auch das kann ein Stoff für Klassiker-Karrieren sein. Technische Daten Ford Escort XR3i Cabrio: Vierzylinder, Reihe • eine oben liegende Nockenwelle • Hubraum 1598 ccm • 77 kW (105 PS) bei 6000/min • max. Drehmoment 138 Nm bei 4500/min • Fünfganggetriebe • Vorderradantrieb • Scheibenbremsen, vorn innenbelüftet • Reifen 185/60 R 14 • L/B/H 4036/1692/1405 mm • Radstand 2525 mm • vorn Einzelradaufhängung, Querlenker, Stabilisator; hinten Verbundlenkerachse • Leergewicht 970 kg • Kofferraum 322 Liter • Beschleunigung 0–100 km/h in 9,9 s • Spitze 186 km/h • Verbrauch 7,8 l Super/100 km • Neupreis (1986) 28.695 D-Mark.

Von

Margret Hucko