Lady Di hat ihn gefahren. Nicht irgendeinen, sondern diesen Jaguar XJ-SC. Ob sie ihn geliebt hat? Ob er sich überhaupt lieben lassen wollte, der britische Sonderling? Eine Spurensuche.
Bild: H. Neu
Das Geheimnis, warum sie 1991 auf einen pajettroten Mercedes 500 SL umgestiegen ist, hat Prinzessin Diana mit ins Grab genommen. Vielleicht war der "Königin der Herzen" ihr Jaguar einfach zu britisch. Oder zu antiquiert, denn im Vergleich mit dem Mercedes R 129 scheint der XJ-SC aus einer anderen Zeit zu stammen. Was, genau genommen, ja auch stimmt. Auf Kiel gelegt wurde der E-Type-Erbe Anfang der 1970er-Jahre. Die Technik teilt er sich mit der damals aktuellen XJ-Limousine. Er fährt sich deshalb zwar nicht unbedingt wie ein Museumsstück, wirkt gegenüber dem SL aber doch etwas... nun, sagen wir: old fashioned.
Dass das XJ-S Cabrio der Nachfolger des offenen Jaguar E-Type ist, mussten die Briten ihren Kunden erklären – die es partout nicht glauben wollten.
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Das hat auch Vorzüge. Luxus zelebriert der Jaguar ganz unverhohlen: Überfluss, soweit die lange Motorhaube reicht. Raumökonomie – what for? Lord und Lady können es sich leisten, in einem 4,76-Meter-Schiff zu reisen, das unter den Armen kneift wie ein zu eng gekauftes Hemd und sich in Innenstädten ähnlich handlich anfühlt wie ein Supertanker im Jachthafen von Monte Carlo. Weniger als zwölf Zylinder wären in einem solch aristokratischen Automobil kaum standesgemäß. Dass gefühlt die Hälfte der 295 PS im Ölsumpf der Automatik versickert – so what? Luxus bedeutet auch Verzicht. Darauf, sich mit anderen messen zu müssen. Beim morgendlichen Kaltstart schnurrt sich der Jaguar leicht widerwillig wach. Im Vergleich zu einem gewöhnlichen Motor dauert es ein, zwei Sekündchen länger, bis der Anlasser alle zwölf Kolben mitgerissen hat. Dann verfällt die monumentale Maschine sofort in einen summenden, fast unhörbaren Leerlauf. Vibrationen? Ich bitte Sie. Ein Ärgernis niederer Stände. Im Gegensatz zu den traditionellen Jaguar-Sechszylindern verträgt der kurzhubige Zwölfer auch hohe Drehzahlen. Diese verbieten sich jedoch von selbst, denn weder passen sie zu seinem vornehmen Charakter, noch sind sie angesichts von reichlich 5,3 Liter Hubraum nötig.
Ein fest montiertes Hardtop schützt die Häupter vor Regen und Luftzug.
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Der Motor, eine konstruktive Errungenschaft der 1960er-Jahre, schöpft bereits tief im Keller aus dem Vollen. Allenfalls die schon zu Lebzeiten gestrige Dreistufenautomatik von General Motors bringt den V12 in einen Zustand höherer Erregung, wenn sein Fahrer auf der Autobahn ein Linksspur-Abo löst. Zum Rasen lädt der XJ-S jedoch nicht ein. Wer sich in die intime Sitznische gefädelt hat und mit Knien und Ellbogen auf Tuchfühlung zu Fahrertür und Mitteltunnel gegangen ist, merkt auf den ersten Kilometern, dass er sich auf einen Cruiser eingelassen hat. Oder besser: auf ein Luxusautomobil mit den Manieren eines Boots. Gas- und Lenkbefehle setzt der XJ-SC mit versnobter Trägheit um, Kurven durcheilt er mit dezenter Schlagseite. Fordert der rechte Fuß forcierten Vortrieb ein, scheint sich der Vorderwagen zunächst bedächtig aus den Federn zu heben. Sodann senkt sich das Heck um ein paar Zentimeter, die Automatik sortiert ihre drei Gänge, und eine Gedenksekunde später schiebt eine imaginäre Eisenfaust den Wagen wie ein Hovercraft gen Horizont. Beschleunigung zelebriert der Jaguar mit beiläufiger Arroganz. Frei nach Sting ("A gentleman will walk but never run") negiert er jede Form von bürgerlicher Hektik, nimmt stattdessen würdevoll Fahrt auf – wie eine Jacht, der eine Bö die Segel bläht. Solch noble Gelassenheit überträgt sich auf den Fahrer. Der Connaisseur nimmt stillvergnügt zur Kenntnis, dass sich die Kurbelwelle selbst dann noch mit entspannten 2500 Umdrehungen in ihren sieben Lagern wälzt, wenn die Landschaft draußen bereits im Eilzugtempo vorbeifliegt.
Die langen Beine der Beifahrerin verschwinden in einem langen Fußraumschacht, der breite Mitteltunnel hält den Fahrer auf Distanz.
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Und während der Fahrtwind leise ums Gebälk wispert, delektiert sich der Jaguar-Enthusiast insgeheim an seiner Dekadenz, ein Auto zu steuern, das trotz raumgreifender Maße nur zwei Personen Platz bietet. Dass der Zwölfzylinder an die 20 Liter verkostet, während gehetzte Handlungsreisende in ihren Dieselkombis Kreise um ihn fahren, nötigt XJ-SC-Fahrern ebenfalls kaum mehr als die berühmte steife Oberlippe ab. Auch Diana dürften die horrenden Spritrechnungen gleichgültig gewesen sein. Der königliche Wagenmeister sorgte ja dafür, dass ihr Cabrio stets vollgetankt in der Remise des Kensington-Palastes stand. Auch Parkplatznot litt die Prinzessin nicht. War das Ziel der elterliche Landsitz Althorp in Northamptonshire, stand dort, so wie in London, eine großzügige Kiesauffahrt bereit. Domestiken trugen Sorge, dass der V12 stets wie ein Uhrwerk funktionierte. Im Stadtverkehr der britischen Hauptstadt kam es vor allem darauf an, dass ihm der Viskolüfter stets genügend Kühlluft zufächelte, denn thermisch verhält sich das Triebwerk in seiner beengten Behausung ähnlich kritisch wie Prinz Charles bei der Auswahl seines Frühstückseis. Angeblich lässt sich der Thronfolger allmorgendlich deren sieben servieren, die im Abstand weniger Sekunden aus dem Kochwasser genommen wurden. Das schönste sucht sich Charles dann aus – berichten Insider.
Schwer zu sehen und kaum zu hören, die zwölf Zylinder des XJ-SC. Aber gut zu spüren, sofern es um gleichmäßige Kraftentfaltung geht.
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Ein gewisses Maß an Exzentrik liegt auch dem XJ-S im Wesen, besonders als Bügelcabrio mit Zusatz-C im Namen. Nicht zuletzt die Umstandskrämerei beim Bau verrät ein hohes Maß an britischer Verschrobenheit. Zunächst erblickte jedes Cabrio als Coupé-Karosserie das Licht der Welt. Dieser wurden dann die charakteristischen Heckfinnen abgetrennt und unter der B-Säule zusätzliche Versteifungen eingeschweißt. Später kamen dann die neuen Dachteile obendrauf. Diana bekam ihren XJ-SC am 21. September 1987. Die Farbkombination Jaguar Racing Green/Doeskin ist klassisch, erscheint für die sonst so modebewusste Prinzessin aber nahezu mutlos. Statt Vollleder wählte Diana die (sonst nur bei den Sechszylindern übliche) Kombination aus Tierhaut und Tweed und entschied sich anstelle der regulären Breitbandscheinwerfer für den sportlichen Doppellampen-Look der US-Versionen. Wichtigste Modifikation war allerdings der Einbau einer zweiten Reihe für die kleinen Prinzen William und Harry. Kaum zu glauben, dass auf dieser engen Strafbank einmal Englands zukünftiger König thronte – bevor seine Mutter einen roten Roadster aus dem fernen Bremen wählte.
Technische Daten
Jaguar XJ-S 5.3 Cabriolet Motor: V12, vorn längs • zwei Ventile pro Zylinder • zwei oben liegende Nockenwellen, Antrieb über Kette • elektronische Benzineinspritzung • Hubraum 5343 ccm • Bohrung/ Hub 90 x 70 mm • Leistung 217 kW (295 PS) bei 5500 U/min • max. Drehmoment 432 Nm bei 3250 U/min • Antrieb/Fahrwerk: Dreistufenautomatik (GM400) • Hinterradantrieb • vorne Einzelradaufhängung an Doppelquerlenkern u. Schraubenfedern, Teleskop-Stoßdämpfer, hinten Einzelradaufhängung an Querlenkern, Längslenkern u. doppelten Schraubenfedern, Teleskop-Stoßdämpfer • Reifen 235/60 VR 15 • Maße: L/B/H 4765/ 1795/1210 mm • Radstand 2580 mm • Leergewicht 1800 kg • Fahrleistungen/Verbrauch: 0–100 km/h 7,6 s • Spitze 235 km/h • Verbrauch 13,7 Liter Super/100 km • Tank 91 Liter • Neupreis: 98.000 Mark (1987).
Historie
Nur einen XJ-SC lieferte Jaguar mit Rückbank aus – für die Söhne von Prinzessin Diana. Normalerweise diente der Platz hinter den Vordersitzen für Gepäck.
Mit 21 Jahren ist der XJ-S (1975 bis 1996) eines der am längsten gebauten Modelle der Jaguar-Geschichte. Als Cabrio sollte es ihn eigentlich gar nicht geben. Sicherheitspuritaner auf dem für die Briten wichtigen US-Markt wollten offene Autos per Gesetz verbieten, als der E-Type-Nachfolger in der Entwicklungsphase war. Später kam es dann aber doch anders. Nach acht Jahren Cabrio-Pause brachte Jaguar 1983 den XJ-SC auf den Markt. Die Targa-Konstruktion mit fest stehenden Dachholmen war eine Notlösung, da es Probleme mit der Karosseriesteifigkeit gab. Das Vollcabrio ("Convertible") folgte unter Mitwirkung des Osnabrücker Dachspezialisten Karmann erst 1988. In Nordamerika konnten die Kunden allerdings schon zwei Jahre früher einen von der Karosseriebaufirma Hess & Eisenhardt in Cincinnati umgebauten XJ-S mit voll versenkbarem Stoffverdeck kaufen, den Jaguar über sein eigenes Händlernetz und mit 36-monatiger Werksgarantie vertrieb. Das Bügelcabrio XJ-SC wurde insgesamt nur 5013-mal gebaut (1130 Sechszylinder, der Rest V12). Im Vergleich zum Vollcabrio (30.946 Exemplare) ist es damit deutlich seltener.
Plus/Minus
Pragmatiker und Pfennigfuchser können gleich weiterblättern. Sie würden mit dem XJ-SC niemals glücklich. Sein Nutzwert ist gering, die Kosten sind umso höher. Der Jaguar war für Menschen gedacht, die vorwärts auf ihre Grundstücke fahren und sie auch mit dem Bug voraus wieder verlassen können. Sein Wendekreis gleicht dem eines Flugzeugträgers, Raumökonomie ist ein Fremdwort für ihn. Innen geht es trotz äußerer Größe intim zu; Menschen über 1,90 Meter tun sich schwer, eine entspannte Sitzhaltung zu finden. Obwohl die Cabrios von der Mitte der 1980er-Jahre gestarteten Qualitätsoffensive bei Jaguar profitierten, rosten sie an Türen, Kotflügeln und Schwellerspitzen. Der V12 hält bei sorgsamer (und kostspieliger) Pflege ewig, säuft aber locker bis zu 15 Liter/100 km. Reparaturen an den hinteren, innen liegenden Bremsscheiben sind zeitraubend und kompliziert; Wartungsstau kommt blauäugige Schnäppchenjäger teuer zu stehen.
Ersatzteile
Dank der langen Bauzeit und engen Verwandtschaft zur XJ-Limousine gibt es bei Verschleiß- und Technikteilen so gut wie keine Nachschubprobleme. Jaguar selbst (www.jaguarclassicparts.com) und freie Anbieter wie SNG Barratt oder Limora können fast alles liefern, vieles sogar überraschend günstig. Schwierig wird es allerdings bei Cabrio-spezifischem Ersatz, Zier- und Verkleidungsteilen. Dachelemente für die Bügelcabrios sind nicht mehr neu erhältlich. Auch beim Reifenformat 235/60 VR 15 gibt es Engpässe.
Marktlage
Die aktuell gehandelten XJ-SC lassen sich an einer Hand abzählen, leichter zu finden sind Vollcabrios. Da sie meist als Zweit- und Drittfahrzeuge in wohlhabenden Haushalten im Einsatz waren, gibt es noch gepflegte Exemplare mit geringem Kilometerstand, meistens V12. Für Sammler sind die raren Sechszylinder jedoch interessanter.
Empfehlung
Unterschätzen Sie die Folgekosten nicht. Das Zwölfzylinder-Cabrio mag günstig zu kaufen sein, billig zu unterhalten ist es keineswegs. Der 3,6-Liter-Sechszylinder mit Handschaltung fährt nicht nur agiler, sondern ist auch sparsamer und einfacher zu warten. Grundsätzlich gilt: auf möglichst lückenlos dokumentierte Vorgeschichte achten und bei fehlender Erfahrung zur Besichtigung einen Experten mitnehmen.