Alles muss raus. Nicht nur das BMW 326 Cabriolet und ein V8 Coupé, das noch der Familie Autenrieth gehört, sondern auch das Archiv. Konstruktionspläne, technische Beschreibungen, viele Fo­tos. Raus – auf den Müll. Gerade ist das Erste Darmstädter Karosseriewerk Autenrieth geschlossen worden. Aber es gibt einen Fan, der schneller ist als die Müllkutscher. Er sammelt das Autenrieth-Archiv ein und tauscht es Jahre später gegen eine Schuco-Modellautosammlung. So kommt der Autohistoriker Henning Zaiss an die Doku­mente – und Autenrieth zu späten Eh­ren. Denn Zaiss packt die Geschichte des Karossiers zwischen Buchdeckel und setzt Autenrieth ein dickes Denkmal. Die Chronik beginnt 1918, als Stellmacher Georg Autenrieth († 1950) sei­nen eigenen Betrieb im schwäbischen Weinsberg gründet.

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Opel Kapitän P Coupé Autenrieth
Schon 1922 verlegt der Jungunternehmer seine kleine Firma nach Darmstadt. Keiner weiß, warum, nicht mal Chronist Zaiss – aber vielleicht lockt die Nähe zur kleinen No­belmarke Röhr im benachbarten Ober-Ramstadt. Deren Achtzylinder darf Autenrieth bald einkleiden. Mit Opel im südhessischen Rüsselsheim dagegen kommt er erst in den 50ern ins Geschäft. Zuvor etabliert sich die Firma als Haus­lieferant von BMW: Über 1000 Zwei-und Viertürer-Cabriolets des Vorkriegstyps 326 entstehen in Darmstadt – das BMW-Programm führt sie als offizielle Model­le zum Preis von 6650 (Zweitürer) und 7300 Reichsmark. Autenrieth führt so­gar einen 326 mit Schiebetüren (!) im Sortiment. Und kreativ sind die Darmstädter auch nach dem Krieg: Sie brillieren mit einem offenen Ja­guar XK 120 oder einem Citroën DS 19 Cabrio, konzentrieren sich aber auf Kleinserien von BMW und Opel.

Der Gipfel des Exklusiven: BMW V8 Cabrio von Autenrieth

Auf Basis des BMW V8 entstehen üp­pige Cabriolets und Coupés für die Crème der Aufbau-Ära – reiche Kun­den, denen die "Barockengel" aus der Münchner Serie zu gewöhnlich sind. Zur diskreten Eleganz der bayerischen Großwagen kommen ef­fektvolle Opel-Kapitän-Coupés und Rekord-Cabrios im Stil der schrillen US-Mode jener Jahre. Aufgesetzte Heckflossen im XL-Format und viel Extra-Lametta sollen die Opel-Aufsteiger locken. Das geht ins Geld, ist aber nicht absurd teuer: 9380 Mark nimmt Autenrieth 1958 für ein Rekord Coupé. So lässt es sich bis in die frühen 60er-Jahre (über-)leben. Doch dann baut Opel auf Basis des Rekord P2 ein eigenes Coupé. Und BMW stellt die defizi­tären V8-Modelle ersatzlos ein. 1964 fällt der Vorhang: Da Auten­rieth nicht von schnöden Unfallre­paraturen leben will, wird kurzer­hand alles dicht gemacht und das Fir­mengelände verkauft. Alles muss raus.

Von

Dieter Günther